Ukraine fühlt sich verraten: Schweiz im Kreuzfeuer der Diplomatie
Ukraine kritisiert die Schweiz für die Unterstützung von Friedensplan. Kiew fühlt sich übergangen. Wird die neutrale Schweiz zerrieben? Eine Meldung.
In seiner ersten Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg hat der ehemalige Schweizer Bundespräsident Alain Berset als neuer Generalsekretär dieses Gremiums die Notwendigkeit eines gerechten Friedens für die Ukraine betont. Sogleich sorgt die Position der Schweizer Regierung zu dieser Frage für Debatten; aus Kiew kam heftige Kritik.
Russland in die Pflicht nehmen
Berset betonte die Notwendigkeit, Russland für seine Verbrechen während der militärischen Invasion in der Ukraine zur Verantwortung zu ziehen. Europa müsse die Ukraine sowohl bei der Wahrung ihrer Freiheit und Unabhängigkeit als auch beim Wiederaufbau unterstützen.
Vertreter Russlands waren bei der Versammlung in Straßburg nicht anwesend, da das Land nach der Invasion in der Ukraine im Februar 2022 aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ausgeschlossen wurde und im März 2022 seine Mitgliedschaft im Europarat verlor.
Europas gespaltene Gesellschaften
Der Generalsekretär warnte vor einer Spaltung der Gesellschaften in Europa angesichts kontroverser Themen wie Krieg oder Klimawandel.
Die Demokratie sei weltweit auf dem Rückzug, auch in Europa. Dennoch könne der Kontinent auf eine mehr als 70-jährige Geschichte zurückblicken und müsse zentrale Werte wie Freiheit, Menschenrechte, Frieden, Sicherheit, Stabilität, Wohlstand, Frauenrechte und Minderheitenschutz verteidigen.
Aufgaben des Europarates
Der Europarat mit Sitz in Straßburg wurde 1949 gegründet und umfasst 46 Mitgliedstaaten mit über 700 Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Zu den Kernaufgaben des Europarates gehören die Förderung der Menschenrechte, die Wahrung der demokratischen Grundsätze, der Schutz der Grundlagen der Rechtsstaatlichkeit, die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts sowie die Unterstützung des Umwelt- und Naturschutzes in Europa.
Lesen Sie auch
Die Rede von Bundesrat Berset stellt eine klare Positionierung des Europarates dar und unterstreicht die anhaltenden Bemühungen, die Grundwerte der europäischen Gemeinschaft angesichts globaler Herausforderungen zu schützen und zu stärken.
Ukraine kritisiert Unterstützung für China und Brasilien
Die Ukraine hat indes ihre Enttäuschung über die Unterstützung der Schweiz für einen von China und Brasilien vorgeschlagenen Friedensplan zum Ausdruck gebracht. Der Plan soll den seit mehr als zweieinhalb Jahren andauernden Krieg mit Russland beenden.
Für das ukrainische Außenministerium ist die Logik hinter dieser Entscheidung schwer nachvollziehbar. Von dieser Seite wurde betont, dass die Ukraine im Juni einen globalen Friedensgipfel in der Schweiz mitgetragen hat, bei dem sie ihre Forderungen dargelegt hat.
"Nichts über die Ukraine ohne die Ukraine"
Die ukrainische Regierung besteht darauf, dass alle Pläne zur Wiederherstellung des Friedens auf dem Prinzip "nichts über die Ukraine ohne die Ukraine" und auf der UN-Charta basieren müssen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Podcast (Podigee GmbH) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Podigee GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Dies schließe die Achtung der Souveränität der Ukraine und ihrer territorialen Integrität innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen ein. Initiativen, die nicht die vollständige Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine garantieren, seien inakzeptabel. Sie gaukeln lediglich einen Dialog vor, während Russland seine kriminellen Handlungen fortsetzt.
Trilaterales Treffen in New York
Laut Schweizer Medienberichten nahm die Schweiz letzte Woche an einem Treffen zwischen Brasilien und China am Rande der UNO-Generalversammlung in New York teil, bei dem ein Sechs-Punkte-Friedensplan vorgeschlagen wurde. Die USA und ihre europäischen Verbündeten lehnten den Plan ab, da er keinen Bezug auf die UN-Charta und die Unverletzlichkeit der territorialen Integrität der Ukraine enthielt.
Das Schweizer Außenministerium erklärte, man nehme den fehlenden Verweis auf die UN-Charta zur Kenntnis, es handele sich aber dennoch um eine Initiative, die einen Waffenstillstand und eine politische Lösung fordere. Dies berichtete Pressesprecher Nicolas Bideau laut der Nachrichtenagentur Keystone SDA.
Beim Friedensgipfel im Juni in der Schweiz, an dem Moskau nicht teilnahm, wurde ein Friedensplan diskutiert, den der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Herbst 2022 vorgelegt hatte. Dieser sieht den vollständigen Abzug der russischen Truppen vor.