Ukraine und Russland reden miteinander – im Stillen

Neuer Bericht bringt Licht in die geheimen Kanäle zwischen den Kriegsparteien. Worum geht es? Und warum bereits ein Erfolg zu verzeichnen ist. Gastbeitrag.

Einem neuen Bericht der Washington Post zufolge führen Beamte aus der Ukraine und Russland nach wie vor direkte Gespräche, wobei es entlang der Grenze zwischen den beiden Ländern und in Istanbul zu "harten" und "unangenehmen" direkten Treffen kommt.

Connor Echols arbeitet für das US-Magazin Responsible Statecraft.

Die berichteten Gesprächsthemen sind weitaus begrenzter als in den ersten Tagen des Konflikts, als ein Waffenstillstand oder sogar ein Friedensabkommen möglich schien. Die Beamten konzentrieren sich stattdessen auf praktische Fragen wie den Austausch von Gefangenen und die Rückkehr ukrainischer Kinder, die nach Russland verschleppt wurden.

Der Bericht wirft ein nützliches Licht auf den Stand der diplomatischen Bemühungen im Zusammenhang mit dem Krieg, einschließlich der Rolle der internationalen Vermittler und Mediatoren. Die Türkei, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, der Vatikan und Saudi-Arabien sind in dieser Hinsicht die wichtigsten staatlichen Akteure, und auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat eine Rolle gespielt.

Ein bemerkenswerter Bereich, in dem sich ukrainische und russische Beamte noch nie zu einem direkten Gespräch getroffen haben, ist die Frage der ukrainischen Getreideexporte, die vor dem Krieg größtenteils über das Schwarze Meer abgewickelt wurden. Der Post zufolge fanden die Gespräche "in einem aus vier Parteien bestehenden Format statt: die Türkei, die Vereinten Nationen, die Ukraine und Russland, das durch Beamte des Verteidigungsministeriums vertreten war".

Diese Gespräche führten zu einem der einzigen positiven diplomatischen Botschaft seit Beginn des Krieges: der Schwarzmeer-Getreide-Initiative, die Korridore für die Verschiffung dringend benötigter Lebensmittel durch die russische Blockade schuf. Rustem Umerov, der inzwischen ukrainischer Verteidigungsminister ist, half dabei, die Gespräche in Istanbul zu leiten, eine Rolle, die durch Umerovs fließende Türkischkenntnisse erleichtert wurde, wie die Post schreibt.

Doch Russland beendete das Abkommen Anfang des Jahres, weil man dem Westen vorwarf, seinen Teil der Abmachung nicht eingehalten zu haben, die nach Moskaus Ansicht eine Lockerung der Sanktionen gegen Düngemittel und verwandte Chemikalien beinhaltete.

In Bezug auf den Gefangenenaustausch sieht die Ukraine die Türkei und Saudi-Arabien als Schlüsselakteure an, deren Rolle "sicherstellt, dass Russland weniger geneigt ist, einen Rückzieher machen würde, um nicht zwei wichtige Partner Moskaus zu verärgern", schreibt die Post.

Der Bericht zeigt auch die komplexe Rolle des Vatikans auf, der bei den Bemühungen um die Rückkehr von Nichtkombattanten wie Militärköchen und Sanitätern federführend war. Der Heilige Stuhl hat unter Papst Franziskus versucht, die Beziehungen zur russisch-orthodoxen Kirche unter der Leitung von Patriarch Kirill wiederherzustellen.

Der Krieg hat diese Bemühungen zwar belastet, doch einige Aspekte der Annäherung zwischen den christlichen Konfessionen zahlen sich aus, so die Post. Berichten zufolge übergibt die Ukraine Listen von Gefangenen an den Gesandten des Papstes im Land, der die Namen dann an den Heiligen Stuhl weiterleitet. Anschließend leiten Beamte des Vatikans die Dokumente an die russisch-orthodoxe Kirche weiter, und Kirill selbst bringt sie dem Kreml zur Kenntnis.

Die positivste Enthüllung in der Berichterstattung der Post ist die Nachricht, dass "ziemlich regelmäßigen Abständen Gruppen von Kindern in die Ukraine zurückkehren". Das geschieht nach direkten Verhandlungen mit Russland, wo man in aller Stille den Druck des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Präsident Wladimir Putin wegen angeblich unrechtmäßiger Transfers von ukrainischen Kindern aus den von Russland besetzten Gebieten zu spüren bekommt.

Gruppen ukrainischer Kinder "wurden an einem weit westlich gelegenen Teil der ukrainisch-weißrussischen Grenze abgesetzt, überquerten diese zu Fuß und wurden in der Ukraine von der Nichtregierungsorganisation Save Ukraine in Empfang genommen", schreibt die Post.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Sie finden das englische Original hier. Übersetzung: David Goeßmann.