Ukraine vor drohender Niederlage: Kommt nun der Dolchstoß aus den USA?
Politischer Streit in Washington gefährdet Unterstützung für die Ukraine. Dabei sieht es schon jetzt nicht gut für Kiew aus. Was Dispute und Fehlanalysen für Kiew bedeuten.
Nach einer Analyse der US-Tageszeitung New York Times spitzt sich die militärische Lage in der Ukraine erheblich zu. Kritisch sei nicht nur die gescheiterte Gegenoffensive, sondern auch die geopolitische Lage: Der Konflikt im Nahen Osten und die innenpolitischen Konflikte, etwas um die Sicherung der US-Grenze zu Mexiko, drohten, die Unterstützung Washingtons für die Ukraine zu schmälern.
Die ukrainischen Streitkräfte stünden vor "drängenden militärischen Herausforderungen", so die New York Times. Die russischen Streitkräfte hätten ihre Offensive verstärkt, und die ukrainischen Truppen hätten sichtbare "Schwierigkeiten, auf dem Schlachtfeld voranzukommen". Alles in allem verfehle die Gegenoffensive in der Südukraine bisher ihre Ziele. Zudem sei das geopolitische Ambiente äußerst unsicher.
Die Ukraine braucht dringend mehr Munition und andere Waffen, um zu versuchen, das Blatt auf dem Schlachtfeld zu wenden. Die Gegenoffensive der Ukraine gegen die tief verwurzelten russischen Streitkräfte in der Südukraine hat ihre Ziele bisher nicht erreicht, und die Streitkräfte Moskaus sind im Osten in die Offensive gegangen.
New Yor Times
In dieser Situation drohe Kiew nach bald zwei Jahren Krieg gegen die russischen Truppen im Land zu allem Überfluss noch die Hilfe aus den USA wegzubrechen. Republikaner und Demokraten lieferten sich im US-Senat einen heftigen Disput über die Finanzierungshilfe für das Land und Unterstützung für Israel, schreibend sie Autoren der New York Times.
"Präsident Bidens übereilter Vorstoß, die Kriegskasse der Ukraine aufzufüllen und Israel Hilfe zukommen zu lassen, droht im Senat zu scheitern heißt es in dem Bericht. Die Republikaner hätten in dieser Woche damit gedroht, beide Hilfszusagen zu blockieren, wenn die Demokraten nicht zusätzlich strenge Maßnahmen zur Eindämmung der Migration an der US-Grenze zu Mexiko mittragen.
Der politische Streit im US-Senat hat direkte Auswirkungen auf die Hilfe, die die USA der Ukraine zukommen lassen könnten. Die Republikaner betonen die Notwendigkeit einer strikten Grenzpolitik als Bedingung für ihre Zustimmung zur Finanzierungshilfe.
"Der politische Stillstand droht nicht nur die Hilfe für die Ukraine zu gefährden, sondern wirft auch Zweifel an der Entschlossenheit der USA in internationalen Angelegenheiten auf", so die Einschätzung der New York Times.
Kritische Blockade in den USA, Fehleinschätzung im Westen
Eine Unterredung hinter verschlossenen Türen, die eigentlich für Klarheit und Unterstützung werben sollte, sei in einem hitzigen Schlagabtausch zwischen Republikanern und Demokraten geendet. Die Republikaner beschuldigten die Demokraten, ihre Forderungen nach einer strikten Grenzsicherung zu ignorieren, während die Demokraten betonten, dass dies nicht mit der Hilfe für die Ukraine verknüpft werden sollte, so das US-Blatt.
Trotz der Warnung des Weißen Hauses vor einem möglichen Geldmangel für Waffenlieferungen an die Ukraine droht die politische Blockade im Senat die dringend benötigte Hilfe zu gefährden.
Die Ukraine benötigt dringend mehr Munition und Waffen, um die russischen Streitkräfte wirksam bekämpfen zu können. Die Verzögerung bei der Hilfe gefährdet nun die militärischen Operationen der Ukraine.
In einer Rede vor dem U.S. Institute of Peace in Washington sagte Andrij Jermak, der Leiter des Präsidialamtes der Ukraine, am Dienstag, dass die Ukraine den Krieg mit "sehr hoher Wahrscheinlichkeit" verlieren werde, wenn der Kongress die Militärhilfe für die Ukraine nicht rasch genehmige.
New York Times
Nach Einschätzung der US-Journalisten kann die politische Blockade durch die Republikaner nicht nur die Schlagkraft der USA in internationalen Angelegenheiten beeinträchtigen, sondern drohe auch, die Sicherheit der Ukraine und anderer Verbündeter zu gefährden. "Der Kampf um politische Prioritäten im Inland beeinträchtigt die geopolitische Lage und könnte weitreichende Konsequenzen haben", heißt es in dem Bericht.
In einem Beitrag auf Telepolis hatte der US-amerikanische Russland-Experte Robert English unlängst auf einen strukturellen Nachteil der Ukraine hingewiesen: Kiew verfüge schlichtweg nicht über so viele Soldaten wie Russland.
English, ein Professor und Experte für russische und postsowjetische Politik an der University of Southern California, sieht ein umfassenderes analytisches Versagen des Westens: "Fehlerhafte und oft oberflächliche historische Analogien verleiteten die Militärplaner dazu, Russlands Widerstandsfähigkeit zu unterschätzen."
Im Westen werde der oft scheinbar verschwenderische Einsatz von Menschenleben in russischen Militäroperationen als Zeichen der Schwäche gedeutet, schrieb English. Dort führe man diese Praxis auf die schwerfälligen sowjetischen und zaristischen Armeen zurück.
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Allerdings werde übersehen, dass diese Taktik historisch oft zu Siegen führte, wie im Fall der zaristischen Armeen gegen schwedische, persische und türkische Truppen oder der Sowjets gegen die Deutschen in der Schlacht von Kursk.
Obwohl solche Verluste schockierend wirkten, würden sie als Ressource betrachtet, die Moskau habe und Kiew nicht, so English. Ein aktuelles Beispiel sei die Schlacht um Bachmut, bei der die Ukraine täglich Tausende von russischen Opfern meldete – bis die Stadt schließlich fiel.
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