Ukraine will EU-Beitritt innerhalb von zwei Jahren
Der Ministerpräsident des Landes hat einen straffen Zeitplan. Beim Gipfeltreffen am Freitag in Kiew will er wesentliche Fortschritte erzielen. EU-Staatschefs halten das nicht für realistisch.
Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal erhofft sich den EU-Beitritt seines Landes innerhalb von zwei Jahren – und "einen wesentlichen Sprung nach vorne" beim EU-Ukraine-Gipfel am Freitag in Kiew. "Wir haben einen sehr ehrgeizigen Plan, der Europäischen Union innerhalb der nächsten zwei Jahre beizutreten", sagte Schmyhal laut einem Bericht des Magazins Politico vom Montag. Niemand in der EU halte das aber für realistisch, heißt es in dem Bericht.
Sogar die Staats- und Regierungschefs der EU, die sich auf ihrem Gipfel im vergangenen Juni dafür ausgesprochen hätten, der Ukraine den Kandidatenstatus zu verleihen, geben demnach mehr oder weniger vertraulich zu, dass die Aussicht auf einen tatsächlichen Beitritt des Landes noch einige Jahre entfernt sei. Der französische Präsident Emmanuel Macron habe im vergangenen Jahr von "Jahrzehnten" gesprochen.
Besondere Verantwortung nach Maidan-Umsturz?
Kandidatenländer wie Serbien, Montenegro und die Türkei befinden sich seit vielen Jahren in Warteposition, die Türkei bereits seit 1999. Viele argumentieren zwar, dass Brüssel eine besondere Verantwortung gegenüber Kiew habe.
Schließlich war dort zur Freude vieler EU-Staatschefs der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch gestürzt worden, nachdem er sich aus einem politischen und wirtschaftlichen Assoziierungsabkommen mit der EU zurückziehen wollte. Im Zuge des Maidan-Umsturzes 2014 und danach war auch der Konflikt zwischen prowestlichen und prorussischen Kräften im Land gewaltsam eskaliert.
Die engen Verbündeten der Ukraine in der EU, wie Polen und die baltischen Länder, unterstützen den Beitrittsbestrebungen Kiews vorbehaltloser als die "alte Garde" der EU. Einige argumentieren, dass Kiew den EU-Haushalt übermäßig belasten würde.
Beim Gipfel am Freitag in Kiew – dem ersten EU-Treffen dieser Art, das in einem Kriegsgebiet stattfindet – werden die Staats- und Regierungschefs der EU nicht anwesend sein. Nur die zwei höchsten Repräsentanten der EU sollen in die Ukraine reisen: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel.
"Es ist ein leistungsbasierter Prozess"
Einige Länder bestehen darauf, dass das Abschlusskommuniqué nicht weit von der Sprache abweichen sollte, die der Europäische Rat bereits im Juni genutzt hat, und betonen, dass die Zukunft der Ukraine zwar in der Europäischen Union liege, dass aufstrebende Länder jedoch bestimmte Kriterien erfüllen müssten. "Es ist ein leistungsbasierter Prozess", zitiert Politico einen hohen EU-Beamten.
Schmyhal sagte gegenüber Politico, er hoffe, dass die Ukraine am Freitag einen "wesentlichen Sprung nach vorn" erreichen könne – beispielsweise in Form einer Einigung über die Aussetzung der Zölle auf ukrainische Exporte für ein weiteres Jahr und "aktiver Fortschritte" beim Beitritt zum SEPA-Zahlungssystem und der Aufnahme der Ukraine in den Mobilfunk-Roaming-Bereich der EU. "Wir erwarten Fortschritte und Beschleunigung auf unserem Weg zur Unterzeichnung dieser Vereinbarungen", sagte er.
Einer der zentralen Knackpunkte wird der Kampf der Ukraine gegen Korruption sein. Gerade erst wurde der stellvertretende Infrastrukturminister entlassen und der stellvertretende Verteidigungsminister trat in diesem Monat wegen Skandalen im Zusammenhang mit Kriegsgewinnen bei öffentlichen Aufträgen zurück.