Ukraine wird vom Gasimporteur zum Selbstversorger

Josephine Bollinger-Kanne
Absperrventile und Geräte für Gaspumpstationen in den Farben der Ukraine.

(Bild: 63ru78 / Shutterstock.com)

Die Ukraine hat ihre Gasförderung 2024 deutlich gesteigert. Das Land deckt nun seinen Bedarf komplett aus eigener Produktion. Doch der Weg dahin war steinig.

Ging Anfang 2025 in der Ukraine die jahrzehntelange Transitära für russisches Gas über die transsibirische Transporttrasse zu Ende, so erreichte die Gasförderung im Land 2024 mit einem Anstieg von 2,2 Prozent die höchste Zuwachsrate seit 2018.

Über den Gastransitstopp und die aktuellen Produktionszahlen informierte das ukrainische Beratungsunternehmen für Exploration und Produktion, Expro Consulting, Anfang Januar. Demnach stieg die Gasförderung im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Prozent von 18,7 auf 19,12 Milliarden Kubikmeter Gas.

Gasproduktion stieg im Kriegsverlauf

Die Wachstumsrate von 2024 ist laut Expro Consulting höher als die des Vorjahres mit 0,9 Prozent. "Darüber hinaus ist dies das höchste Produktionswachstum seit 2018." Von 2019 bis 2022 seien die Gasproduktionsmengen dagegen rückläufig gewesen.

Im Jahr der Invasion der russischen Truppen 2022 sei die Gasförderung sechs Prozent gesunken. Danach steigerten vornehmlich die staatlichen Unternehmen die Produktion, während private Unternehmen immer noch einen Produktionsrückgang verzeichneten. In der zweiten Jahreshälfte 2024 förderten sie indes auch etwas mehr Gas als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Die staatliche Naftohaz-Tochter Ukrgazvydobuvannya förderte im letzten Jahr 14,6 Milliarden Kubikmeter Gas. Dies markiert einen Anstieg von 4,6 Prozent gegenüber 13,9 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2023. Die diesjährigen Produktionsmengen von Ukrgasvydobuvannya sind zudem die höchsten seit sechs Jahren. 2019 produzierte das Unternehmen 14,9 Milliarden Kubikmeter Gas.

Kriminvasion stoppt Gasimport aus Russland

"In den 1970er Jahren förderte die Ukraine 70 Milliarden Kubikmeter im Jahr, hauptsächlich für Moskau. Als Russland begann, in Sibirien Gas zu produzieren, erklärte uns Moskau, dass es viel vorteilhafter sei, dieses Gas von ihnen zu kaufen, als unser eigenes zu fördern", schilderte Oleksiy Chernyshov, heute Vizepremier und davor Vorstandsvorsitzender des ukrainischen Gasversorgers Naftohaz in einem Interview im Mai.

In den Jahren vor 2021 förderte die Ukraine im Schnitt rund 20 Milliarden Kubikmeter Gas und importierte große Mengen Gas aus Russland. Die russische Invasion der Krim 2014 habe die Situation verändert. Von da an habe die Ukraine kein Gas aus Russland mehr importiert, sondern aus Europa bezogen. "In Wirklichkeit kauften wir russisches Gas von den Europäern", stellte Chernyshov hierzu klar. Das Gas kam aus dem Westen über Polen und die Slowakei ins Land.

Nach der russischen Invasion am 24. Februar 2022 habe die Ukraine beschlossen, die Produktion im Land wieder zu erhöhen. "Seit letztem Jahr ist die Ukraine gasautark", sagte Chernyshov. Das nationale Angebot decke die Nachfrage, die um die Hälfte gesunken sei. Nach Zahlen des Statistical Review of World Energy 2024 belief sich 2023 die Nachfrage in der Ukraine auf 18,7 Milliarden Kubikmeter Gas. 2014 waren es noch 40,3 Milliarden Kubikmeter Gas.

Speicher sind weit von der Front entfernt

Die Importkapazität aus Europa und der Moldau bezifferte die Internationale Energieagentur IEA in ihrem Bericht zur Energiesicherheit der Ukraine auf 60 Millionen Kubikmeter Gas am Tag (21,9 Milliarden Kubikmeter im Jahr). Dazu verfügt die Ukraine über große Untergrundspeicher, die 30 Milliarden Kubikmeter Gas fassen. Europäische Unternehmen könnten diese nutzen, hätten aber Sicherheitsbedenken.

Chernyshov hielt dem entgegen, dass es auch bei einer Verschärfung der militärischen Lage sinnvoll sei, Gas in der Ukraine zu lagern. "Drei Kilometer tief im Boden ist der sicherste Ort", bekräftigte er. Außerdem befänden sich 25 von 30 Milliarden Kubikmeter Speicherkapazität im westlichen Teil des Landes, weit entfernt von der Frontlinie. Immerhin handelt es sich um die größten Speicherkapazitäten in Europa.

Ukraine erhält erste LNG-Fracht aus den USA

Im Hinblick auf Import erhielt die ukrainische DTEK-Gruppe Ende letzten Jahres ihre erste Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) aus den USA. Die Gaslog Savannah verschiffte rund 100 Millionen Kubikmeter Gas aus Louisiana zum Revithoussa LNG-Terminal in Griechenland. Geplant war, die Fracht direkt über das Schwarze Meer einzuführen. Dagegen sprachen jedoch Beschränkungen durch Kriegshandlungen. An Land wird das Gas von Griechenland über Bulgarien bis in die Ukraine transportiert.

DTEK-CEO Maxim Timchenko sieht in der Ankunft der ersten LNG-Ladung ein klares Zeichen, um zur Stärkung der Energiesicherheit der Ukraine und Europas beizutragen. Ladungen wie diese versorgten die Region nicht nur mit einer flexiblen und sicheren Energiequelle, sondern untergrüben auch Russlands Einfluss auf die Energieversorgung. "Wir sind den Vereinigten Staaten sehr dankbar für den strategischen Beitrag, den sie mit solchen Lieferungen zur Energiesicherheit Europas leisten", erklärte Timchenko.