Ukrainer durchbrechen russische Hauptverteidigungslinie
In der Region Saporischschja tobt eine entscheidende Schlacht. Ausgang ungewiss, aber wichtig für die ukrainische Gegenoffensive. Was die Truppen beider Seiten ausbremst.
Die sogenannte "Surowikin-Linie" ist die stärkste Abwehrstellung der russischen Truppen gegen die seit dem Frühsommer andauernde Gegenoffensive der Kiewer Truppen. Hier gibt es sogenannte "Drachenzähne" – Panzersperren, Schützen- und Panzergräben sowie umfangreiche Minenfelder. Benannt wurde die Verteidigungslinie nach dem früheren Oberkommandeur der russischen Truppen in der Ukraine, General Sergej Surowikin, der mittlerweile durch seine Nähe zum Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, in Ungnade fiel.
Der Kampf um den ersten Durchbruch
Nahe dieses Stellungssystems konnten die Ukrainer mit der Eroberung des Ortes Rabotino vor einer Woche einen Erfolg feiern und stießen auf die russischen Stellungen vor der Nachbarortschaft Werbowoje vor, bestätigt etwa von Institute for the Study of War. Hier durchstießen sie in den letzten Tagen erstmals die Surowikin-Linie, wobei zur Stunde noch unklar ist, wie breit, tief und entscheidend dieser Vorstoß bereits gelang.
Vor Ort sollen die ukrainischen Truppen mit westlicher Technik, wie britischen Kampfpanzern und deutschen Schützenpanzern vom Typ Marder ausgerüstet sein. Gekämpft wurde zuletzt am Ortseingang der russisch beherrschten Ortschaft Werbowe.
Nach Informationen der exilrussischen Onlinezeitung Meduza befindet sich hier eine Schwachstelle der Verteidigungsanlagen, was zu einer örtlichen Krise bei den russischen Truppen führte, die verzweifelt versuchten, die Lücke in ihrer Verteidigung, durch die der Feind eindrang, wieder zu schließen.
Auch das Medienportal Media.zona hält sowohl Rabotino und Werbowoje für "wichtige Knotenpunkte der russischen Verteidigungslinie und ein erfolgreicher Vorstoß in der Region Saporischschja ist eines der wichtigsten Ziele der ukrainischen Gegenoffensive". Hier soll nach deren Planung der Vorstoß der ukrainischen Truppen zum Asowschen Meer erfolgen, das erklärte Ziel der Offensive, dessen Erreichen eine große Niederlage für die russischen Invasionstruppen wäre.
Entscheidung kann in beide Richtungen erfolgen
Meduza glaubt, dass sich an dieser Stelle der Front "das Schicksal der gesamten Sommeroffensive" der Ukrainer entscheidet. Das bedeute aber nicht, dass man bereits jetzt von einem entscheidenden Durchbruch der Ukrainer sprechen könne. Ein solcher sei nun genauso möglich, falls die Kiewer Truppen die Bresche in der russischen Front nutzen und verbreitern können, wie ein kurzfristiges, erfolgloses Ende der Offensive.
Denn Kiew habe nun im Gegensatz zu den Russen fast alle verfügbaren Reserven in diese Entscheidungsschlacht geworfen. Scheitert man mit dem Durchbruch hier, wäre wiederum ein erfolgloser Abbruch der gesamten Offensive möglich.
Moskau wisse um die Gefahr, die durch den Fronteinbruch drohe. Die russische Armee habe Luftlandetruppen ins das Gebiet gebracht. Dennoch könne es sein, dass die herangebrachten Kräfte nicht ausreichen, den Vormarsch der ukrainischen Truppen aufzuhalten.
Symbolziele oberster Führungen schwächen Truppen beider Seiten
Beide Seiten werden im Laufe der aktuell blutigen und wichtigen Kämpfe von den Ideologien ihrer eigenen Führungen ausgebremst. So gibt es immer wieder Kritik daran, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj viele Truppen verbrauchte, um wieder in Richtung der symbolträchtigen, aber strategisch weniger bedeutenden Stadt Bachmut vorrücken zu können.
Der Kreml wiederum unternimmt Offensivanstrengungen ganz im Norden der Front bei Kupjansk und bindet dabei Kräfte, die nach russischer Kriegslogik eigentlich dringend für die Sicherung der eigenen Verteidigungslinie gebraucht würden. Der Grund dafür ist auch hier politisch: Man möchte demonstrativ zeigen, dass man die Eroberung der von Russland nun beanspruchten ostukrainischen Gebiete nicht aufgegeben hat.
Wie durchgeführte Austauschaktionen von Leichen zwischen der russischen und ukrainischen Armee im Laufe des August zeigen, ist der Blutzoll in den Schlachten vor Ort enorm. So bleibt bei einem ungewissen Ausgang nur eine Tatsache sicher – dass am Ende der aktuellen Kampfrunde wesentlich mehr Opfer im Ukraine-Krieg zu beklagen sind als davor.
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