"Unbedarfte Sprache": Sicherheitsexperte kritisiert Vizekanzler Habeck zur Ukraine
Kritik wegen Thesen zu Krieg. Sicherheitsexperte moniert mangelnde historische Kenntnisse. Hier die Positionen beider Seiten.
Die jüngsten Äußerungen des deutschen Wirtschaftsministers und Vizekanzlers Robert Habeck (Grüne) zur Ukraine-Krise sind im Netz auf teils harsche Kritik gestoßen.
Roland Popp, Sicherheitsexperte und politischer Analyst, bemängelte auf dem Kurznachrichtendienst X Habecks "unbedarfte Sprache" und "atemberaubende Unkenntnis der Geschichte des europäischen Staatensystems". Habeck hatte in einem Interview im ZDF-heute-journal mehr Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert.
Habecks Sicht auf den Ukraine-Konflikt
Der Vizekanzler hatte seine Forderung während einer überraschenden Reise nach Kiew am Donnerstag geäußert. Dort traf er unter anderem den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und die Vizeministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko.
Im Mittelpunkt der Gespräche standen die jüngsten Angriffe Russlands auf die ukrainische Energieinfrastruktur, Nothilfe und die Stärkung der ukrainischen Wirtschaft.
Laut Habeck führe Russlands Präsident Wladimir Putin den Krieg, um die liberale Demokratie in der Ukraine zu verhindern und das Land insgesamt zu destabilisieren. Er warnte, dass der Konflikt weitergehen werde, wenn die Ukraine nicht gewinnen könne.
"Deswegen sind alle, die die Demokratie verteidigen wollen (...) noch einmal angehalten, die Ukraine jetzt zu unterstützen", so Habeck.
Kritik an Habecks Äußerungen
Popp kritisierte Habecks Äußerungen scharf. Er warf dem Grünen-Politiker vor, eine "ideologisch zugespitzte und zutiefst ahistorische Wahrnehmung europäischer Machtpolitik" zu vertreten.
Popp bemängelte, dass Habeck und andere Politiker seiner Generation keinerlei Bewusstsein für die historischen Pfadabhängigkeiten europäischer Stabilität und die Staatskunst, die der europäischen Balance immer zugrunde lag, hätten.
Der Sicherheitsexperte warf Habeck zudem vor, sein Verständnis der internationalen Politik sei auf "einfachsten Gut-und-Böse-Dichotomien" reduziert. Dies mache ihm "jede Anpassung, jeden Pragmatismus unmöglich".
Popp warnte, dass Politiker mit solchen Ansichten nicht in der Lage seien, den Krieg zu beenden, da ihr Weltbild ausschließlich aus Maximalpositionen bestehe.
Habecks Eindrücke aus der Ukraine
Während seines Besuchs in der Ukraine erlebte Habeck die ständige Bedrohung durch die russischen Angriffe aus erster Hand. Seine Delegation passierte die Region um den Seehafen Piwdennyj bei Odessa am Schwarzen Meer nur drei Stunden nach einem Raketenangriff. Habeck musste im Laufe des Tages dreimal einen Luftschutzbunker aufsuchen.
Trotz der schwierigen Situation betonte Habeck, dass die Ukrainer in den letzten zwei Jahren immer wieder standgehalten hätten. "Und was Deutschland tun kann zur Unterstützung, das wird es tun", versicherte Habeck.