Verbotene genetische Codes

Gibt es DNA-Sequenzen, die das heute existierende Leben vernichten würden?

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In den Chromosomen gibt es DNA-Sequenzen, die scheinbar nutzlosen Code enthalten. Und Spekulationen, wofür dieser Code vielleicht bestimmt sein könnte, welche schrecklichen Wesen er erschaffen könnte, die unsere heutige Welt vernichten würden. Jetzt ist Forschern jedoch aufgefallen, dass es bestimmte Abfolgen der vier Bausteine der DNA, also bestimmte biologische Codes, in der Natur überhaupt nicht gibt. Zufall oder lebensnotwendige Absicht?

Greg Hampikian, Professor der Genetik an der Boise State University in Idaho, leitet ein Genomsequenzierungsprojekt (Im Telefonbuch des Lebens geblättert). Die meisten dieser Projekte versuchen, den genetischen Code bekannter, existierender Lebensformen möglichst vollständig zu entschlüsseln und zu erforschen, inwieweit er sich in andere Lebewesen weiterverbreitet hat. Hampikian sucht dagegen nach dem, was er gerade nicht findet: Abfolgen von Aminosäuren und Basen, die in der Natur nicht vorkommen.

Seine Vermutung ist, dass diese Sequenzen nicht nur aus reinem Zufall nicht vorkommen, sondern dass sie, ähnlich wie extrem giftige Substanzen, die aus eben diesem Grund in der belebten Umwelt nicht vorkommen, extrem lebensgefährlich sind. "Es ist also wie eine Suche nach einer Nadel, die nicht im Heuhaufen ist" beschreibt Hampikian die scheinbare Aussichtslosigkeit seines Projekts im aktuellen New Scientist, das er diese Woche auf dem Pacific Symposium on Biocomputing in Maui, Hawaii vorgestellt hat.

Ungesunde Aminosäurensequenzen

An sich müsste statistisch eine Sequenz von sechs Elementen alle 46 (es gibt vier unterschiedliche Nukleobasen in der DNA), also 4096 Elemente einmal vorkommen. Doch in Warmblütern sind die Sequenzen sehr ungleichmäßig verteilt und bestimmte Reihenfolgen wie AGA oder GGG sind bereits in Bakterien sehr „unbeliebt“.

Hampikian vermutet, dass diese Sequenzen sich selbst ausgerottet haben, weil sie beispielsweise irgendeine für die Funktion des Organismus lebensnotwendige Schlüsselsubstanz binden oder vernichten – und damit die Lebensform, in der sie auftreten, gleich mit. Sie existieren also nicht deswegen nicht in unserer Umwelt, weil sie nie entstanden sind, sondern weil sie ihren Wirt unweigerlich zum Tod verurteilen und es deshalb unmöglich machen, dass dieser Code an Nachfahren weitergegeben werden kann.

Mit einem Computer und selbst entwickelter Software haben Hampikian und sein Kollege Tim Anderson nun alle möglichen Sequenzen bis zu einer bestimmten Länge durchgerechnet und anschließend mit bereits existierenden Gendaten verglichen. Einige Sequenzen finden sich nur in wenigen Lebewesen, manche finden sich jedoch überhaupt nirgends. Sie haben bereits 86 Sequenzen von 11 Elementen Länge entdeckt, die speziell in menschlichen Genen niemals zu finden sind und über 60.000 von 15 Elementen Länge sowie 746 Sequenzen von fünf Elementen Länge, die in gar keinem Lebewesen vorkommen.

Hampikian geht zwar davon aus, dass diese Zahl sich verringern wird, je mehr Gene untersucht werden, weil die scheinbar nicht existenten Sequenzen in irgendwelchen selteneren Lebewesen doch vorkommen. Doch sollen 20 der bislang nicht existenten genetischen Codes nun künstlich hergestellt und dann in Bakterien und menschlichen Zellen getestet werden, um zu sehen, ob sie Zelltod oder Immunreaktionen auslösen.

Gut bezahlte Killergenforschung

Für die Entdeckung und Entwicklung derartiger Gensequenzen wurden dem Professor vom US-Verteidigungsministerium bereits eine Million US-Dollar zugesagt. Geht es also um die Entwicklung der ultimativ tödlichen Biowaffe? Offiziell soll dies zumindest nicht das Ziel sein, vielmehr sollen beispielsweise freiwillig gespendete DNA-Proben in Kriminal-Untersuchungen mit einer neutralen, aber in der Natur nicht vorkommenden DNA-Sequenz markiert werden können.

Später allerdings sollen "Selbstmordgene" explizit dafür konstruiert werden, die tödlichen Sequenzen herzustellen. Die Idee dahinter ist, dass sich ein genmodifizierter Organismen auf Kommando selbst zerstört, wenn er außer Kontrolle gerät. Das würde die Freisetzung genmodifizierter Lebewesen natürlich um einiges sicherer machen: wenn nun der Monsanto-Mais sich auf dem Feld mit dem Biomais des Nachbarn vermischt, wäre sichergestellt, dass die Einsatztruppe von Monsanto auf Knopfdruck nicht nur den von ihnen freigesetzten gefährlich gewordenen Genmais vernichten kann, sondern gleich die gesamte Maisernte...