Verhaftung von Prigoschin-Freund in Russland: Mitwisser im Generalstab?
Vom Söldneraufstand in Russland soll im Generalstab Sergei Surowikin gewusst haben. Er hatte gewichtige Motive, Prigoschin zu unterstützen. Was jetzt für Konsequenzen folgen.
Wenn man dem Wall Street Journal Glauben schenkt, war das Ziel des Militäraufstands des russischen Söldnerführers Jewgeni Prigoschin vom letzten Wochenende die Gefangennahme von Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Gerassimov. Prigoschin habe dies hochrangigen Armeegenerälen vorab erzählt.
Einen direkten Sturz Putin plante Prigoschin nach eigenen Worten und auch der Einschätzung der meisten Experten nicht, jedoch dass Schoigu auf seiner persönlichen Feindesliste stand, zeigen zusätzlich zahlreiche Statements des Oligarchen aus den letzten Monaten.
US-Medien berichten von eingeweihtem General
Bei den vorgeblichen Mitwissern ist vor allem ein Name delikat: der des Generals Sergej Surowikin. Dass er vorab Bescheid wusste, schreibt auch die New York Times unter Berufung auf Kenntnisse der US-Geheimdienste.
Ein Dementi des Kremls liegt bereits ebenfalls vor. Dennoch berichtete in der letzten Nacht die Moscow Times, Surowikin sei bereits verhaftet worden.
Sie beruft sich auf zwei eigene Quellen im Russischen Verteidigungsministerium. Schon zuvor hatte der russische Militärblogger Wladimir Romanow von einer solchen Verhaftung am Tag nach dem Aufstandsende geschrieben. Offiziell bestätigt ist die Verhaftung zur Stunde noch nicht.
Die Personalie Surowikin ist deswegen so delikat, da es sich hier um den zeitweisen Kommandeur der russischen Invasionstruppen in der Ukraine handelt. Verteidigungsminister Schoigu enthob ihn von diesem Posten im Januar 2023 und setzte stattdessen Generalstabschef Gerassimow ein. Dieser wiederum verdankt auch seinen anderen Posten Schoigu persönlich: Nach Schoigus Amtseinführung 2012 setzte er Gerassimow als Chef des Generalstabs ein.
Unterschiedliche Gruppen im Generalstab
Der russische Politologe Michail Komin vom Carnegiecenter Russia-Eurasia stellt dazu in einer Analyse fest, dass es in der russischen Armeeführung durchaus verschiedene Gruppen gäbe, die miteinander konkurrieren. "Nur ein Teil der Armeespitze ist Schoigu und Gerasimov persönlich treu ergeben, stieg mit ihrer Hilfe im Dienst auf und erhielt Verträge unter dem Schutz des Verteidigungsministeriums" hält Komin dazu in seiner Bewertung fest.
Surowikin und neben ihm der weitere Armeegeneral Michail Mizinzew zählten dagegen zu den Förderern Prigoschins. Auch Surowikin und Mizinzew gehören dabei durchaus zu den Hardlinern beim Thema Ukrainekrieg. Surowikin gilt als Förderer der Bombardierung ziviler Infrastruktur, Mizinzew machte sich einen berüchtigten Namen bei der Eroberung der Donbass-Stadt Mariupol.
Surowikins schlechtes Verhältnis zu Schoigu
So hätte Surowikin durchaus ein Motiv, bei Kenntnis von Aufstandsplänen Stillschweigen zu bewahren, sie gingen gegen den Mann, der ihn in die zweite Reihe verfrachtet hatte. Er gehört allgemein nicht zu Schoigus näherem Umfeld, stellt Michail Komin fest, hatte aber dennoch trotz seiner Absetzung vor Ort noch eine einflussreiche Stellung.
Sein Aufstieg fand noch unter Schoigus Vorgänger Serdjukow statt. Während der Revolte forderte Surowikin in einem Video zwar den Stopp des Aufstands, bezeichnete jedoch die Wagner-Kämpfer als "vom gleichen Blut" wie er selbst.
Gerüchte über Verstrickungen und Mitwisserschaft früherer Militärs gibt es auch immer wieder, da Prigoschin Wagner-Söldner sehr mühelos in das südrussische Hauptquartier der Streitkräfte in Rostow am Don eindrangen und die Kontrolle über die Stadt übernahmen.
Erst auf dem Weg nach Moskau stellten sich ihnen fünfhundert Kilometer weiter bei Woronesch erstmals kremltreue Truppen entgegen. In der Region erfolgten einzelne Luftangriffe auf die Söldnerkolonne, die auch nach offiziellen Angaben Todesopfer forderten.
Prigoschin verliert Trollfabrik und Medienimperium
Währenddessen schreitet die Entmachtung von Prigoschin selbst in Russland fort. Die exilrussische Onlinezeitung The Bell verfügt über Kontakte zu Mitarbeitern der berüchtigten Trollfabrik und mit ihr verbundenen Medien von Prigoschin in Sankt Petersburg. Dort werde seit dem Aufstand nicht mehr gearbeitet, gibt die Zeitung an, in den Büros habe es umfangreiche Beschlagnahmungen gegeben.
Die Beschäftigten der Einrichtungen berichteten The Bell, Prigoschins Einrichtungen an der Newa würden voraussichtlich an den Milliardär und Medienmogul Juri Kowaltschuk verkauft. Dieser gehört zum engeren Umfeld von Putin selbst und besitzt bereits mehrere TV-Sender in Russland.