Verluste durch Steuermissbrauch steigen ungebremst

Symbolbild Umverteilung

Weltweit werden sowohl von Konzernen wie von Privatiers unglaubliche Summen an Steuern hinterzogen. Aber welche Maßnahmen helfen dagegen und welche nicht?

Der unlängst veröffentlichte State of Tax Justice Bericht 2024 zeigt: Noch immer entgehen Staaten weltweit jedes Jahr Steuereinnahmen in Höhe von 492 Milliarden US-Dollar durch Steuermissbrauch. Das sind 65 Milliarden US-Dollar mehr als im ersten Bericht aus dem Jahr 2020 ermittelt.

Zum Vergleich: Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) würden zusätzliche 128 Milliarden US-Dollar reichen, um Hunger und extreme Armut weltweit zu beenden.

Die Europäische Union ist mit einem Verlust von fast 176 Milliarden US-Dollar jährlich der größte Verlierer. Deutschland verliert diesen Schätzungen zufolge umgerechnet etwa 41,8 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist immerhin fast ein Prozent des Bruttonationaleinkommens von 4.332 Milliarden Euro in 2023.

Deutschland verliert ein Prozent seines BNE

Das muss der hiesigen Mafia schwer zu denken geben. In deren Kassen sind in Deutschland 2022 nur lausige 2,3 Mio. Euro gelandet. Die stammen allerdings zu einem guten Teil wiederum auch aus Steuerbetrügereien.

Von den 492 Mrd. US-Dollar, die jährlich durch weltweiten Steuermissbrauch verloren gehen, entfallen zwei Drittel (347,6 Mrd. US-Dollar) auf multinationale Unternehmen, die ihre Gewinne ins Ausland verlagern, um zu wenig Steuern zu zahlen. Das verbleibende Drittel (144,8 Mrd. US-Dollar) geht durch wohlhabende Einzelpersonen verloren, die ihr Vermögen im Ausland verbergen.

Multinationale Konzerne verlagern zunehmend Gewinne in Steueroasen und zahlen so immer weniger Steuern. Wichtig: Steuersenkungen helfen nicht gegen diese Praxis. Multinationale Konzerne haben nach Steuersenkungen noch mehr betrogen, was das bei Lobbyisten und vielen Politikern beliebte "Steuerbeschwichtigungs"-Argument widerlegt.

Acht Länder stemmen sich gegen ein UN-Steuerabkommen

43 Prozent der Verluste werden von den acht Ländern verursacht, die sich nach wie vor gegen eine UN-Steuerkonvention aussprechen: Australien, Großbritannien, Israel, Japan, Kanada, Neuseeland, Südkorea, und die USA. 44 Länder, darunter auch Deutschland und praktisch alle EU-Staaten haben sich diesbezüglich in der UN-Generalversammlung enthalten.

Die größten Beschützer der Steuersünder sind auch die größten Verlierer: Die oben aufgezählten Länder, die gegen die UN-Steuerkonvention gestimmt haben, verlieren zusammengenommen 177 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Die Zahlen des Berichts machen deutlich: Die seit Jahren laufenden Reformversuche der OECD reichen nicht, um Steuermissbrauch wirksam zu bekämpfen. Das zweite Reformpaket der OECD steht kurz vor dem Aus.

Reformbemühungen der OECD gescheitert

"Die OECD ist mit ihrem Versuch gescheitert, große Konzerne gerecht zu besteuern. Deutschland darf jetzt nicht länger auf die USA warten, sondern muss so wie Frankreich und eine Reihe weiterer Staaten eigene Maßnahmen vorantreiben", fordert denn auch Christoph Trautvetter, Koordinator des Netzwerks Steuergerechtigkeit.

Wichtig sei das Vorhaben der Vereinten Nationen, bis 2027 eine globale Steuerkonvention zu vereinbaren, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Wenn es kommt, wird ein solches Abkommen auch völkerrechtlich verbindliche Verträge einschließen.

Anders als bei der Steuervermeidung durch große Konzerne ist die Steuerhinterziehung über anonyme Offshore-Konten leicht zurückgegangen. Grund dafür ist der 2017 begonnene automatische Informationsaustausch zu Finanzkonten.

UN-Steuerkonvention

Obwohl Deutschland einer von 119 Staaten ist, die daran teilnehmen, besitzen Deutsche den Schätzungen des Berichts zufolge immer noch 262 Milliarden Euro an Offshore-Vermögen. Allein dadurch gehen jährlich knapp sechs Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren.

Zudem ist die Offshore-Steuerhinterziehung durch wohlhabende Einzelpersonen weit weniger zurückgegangen, wie behauptet. Der Großteil des Offshore-Vermögens bleibt weiterhin vor den Steuerbehörden verborgen.

Da die Länder im November 2024 bei den Vereinten Nationen darüber abstimmen werden, ob endlich formelle Verhandlungen über eine UN-Steuerkonvention aufgenommen werden sollen, fordert das Tax Justice Network alle Länder auf, für die Verhandlungen zu stimmen.

Es ist ja schon so, dass längst nicht alle Steuern nützlichen Zwecken dienen. Doch wenn Steuern erst gar nicht eingenommen werden, bleibt es grundsätzlich unmöglich, sie sinnvoll zu verwenden.