Veto-Heuchelei: Warum die UN unfähig sind, Gaza- und Ukraine-Krieg zu deeskalieren

UN-Generalsekretär António Guterres geht am Wandteppich "Guernica" vor dem Eingang zum Sicherheitsrat vorbei. Der Teppich ist dem Bild Pablo Picassos zum Spanischen Bürgerkrieg nachgebildet. Bild: Mark Garten, UN

USA blockieren für Israel Feuerpause-Resolution im Sicherheitsrat. Der Westen schweigt, auch Selenskyj ist nicht empört wie bei russischem Ukraine-Veto. Was ist da los?

Letzte Woche brachte Brasilien eine Resolution in den UN-Sicherheitsrat ein. Darin wurde eine "humanitäre Pause" in Bezug auf Israels Bombardierung des Gazastreifens gefordert.

Bisher sind über 5.800 Palästinenser, meist Zivilisten (mehr als 3.200 Kinder und Frauen darunter) getötet worden. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza sind in 24 Stunden 704 Gaza-Bewohner in israelischen Luftangriffen umgekommen.

Die Totalblockade hat nach Beobachtern eine humanitäre Katastrophe in dem abgeriegelten, extrem dicht besiedelten Landstrich (nicht einmal halb so groß wie die Fläche Berlins) hervorgebracht. Über eine Million Gaza-Bewohner mussten zudem im Zuge der Evakuierungsforderung Israels in den Südteil flüchten. Die medizinischen Einrichtungen arbeiten am Rand des Kollapses.

Die wenigen Trucks, die seit dem Wochenende über den Grenzübergang Rafah zu Ägypten nach Gaza gelassen wurden, werden von Hilfsorganisationen als völlig unzureichend kritisiert. Sie stellten lediglich einen "Tropfen in einem Ozean" dar, heißt es.

Seit den Angriffen Israels auf die Enklave wird von Menschenrechtsorganisationen, diversen Staaten, internationalen Behörden und Politikern weltweit immer eindringlicher ein Waffenstillstand gefordert, nicht zuletzt von UN-Generalsekretär António Guterres. Doch diese Aufrufe stoßen weiter auf taube Ohren bei denen, die einen Bombenstopp veranlassen bzw. erzwingen könnten.

Sicherlich, für die UN-Resolution am letzten Mittwoch stimmten zwölf Länder, sogar Frankreich und die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Stimme enthielten sich zudem Russland und Großbritannien.

Aber das ist irrelevant. Denn die USA stimmten dagegen. Ein Nein der Vereinigten Staaten bedeutet nach den Regeln des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, dass der Antrag abgelehnt wird. Aus historischer Perspektive heißt das auch, dass es einen solchen Aufruf an Israel von den UN nicht gegeben hat. Damit wird er sowie die Reaktion Israels darauf zugleich aus der Geschichtsschreibung gelöscht.

Das Veto der USA wurde von Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch heftig kritisiert. Auffällig ist, dass die westlichen Staaten sich nicht zu dem Veto und seinen Folgen äußerten. Im Übrigen auch nicht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der zu Recht nach der russischen Invasion in die Ukraine das Vetorecht anprangerte.

An den Sicherheitsrat gerichtet sagte er einige Wochen nach dem russischen Einmarsch:

Wir haben es mit einem Staat zu tun, der sein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat in das Recht zu sterben umwandelt. Das untergräbt die gesamte Architektur der globalen Sicherheit. Es erlaubt ihnen, ungestraft zu bleiben, so dass sie alles zerstören, was sie können. Wenn das so weitergeht, werden sich die Länder nur noch auf die Macht ihrer eigenen Waffen verlassen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, und nicht mehr auf das internationale Recht, nicht mehr auf die internationalen Institutionen. Die Vereinten Nationen können einfach geschlossen werden. ... Das System der Vereinten Nationen muss sofort reformiert werden, damit das Veto nicht das Recht ist, zu sterben, damit es eine gerechte Vertretung aller Regionen der Welt im Sicherheitsrat gibt.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 1. April 2022 in ähnlicher Weise:

Und in Wahrheit missbrauchen Sie Ihre Macht als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats. Herr Lawrow [russischer Außenminister], Sie können sich selbst täuschen. Aber uns täuschen Sie nicht. Unsere Völker werden Sie nicht täuschen – und auch Ihr eigenes Volk werden Sie nicht täuschen.

Aber wie zuvor erwähnt: Von Baerbock und von Selenskyj ist auch nach über zwei Wochen israelischen Bombenangriffen, Totalblockade, geplanter Invasion und humanitärer Krise (Amnesty International spricht in einer Untersuchung von "vernichtenden Beweisen für Kriegsverbrechen") nichts zum Gaza-Veto der USA im Sicherheitsrat zu hören, um die Situation zu deeskalieren. Sie scheinen augenscheinlich kein Problem mit der Vetomacht an sich zu haben.