zurück zum Artikel

Viel Geld für LNG, wenig für Erneuerbare

Am Seehafen Stade auf der Elbinsel soll 2023 ein schwimmendes und stationäres LNG-Terminal entstehen. Bild: Walter Rademacher / CC BY-SA 3.0

Energie und Klima – kompakt: Während die Bundesregierung Milliarden in neue LNG-Terminals für Erdgas steckt, ist vom beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien bisher nichts zu sehen. Anatomie einer verfehlten Energiepolitik.

Auf Telepolis wurde über verdoppelte Kosten [1] für die neuen, schwimmenden LNG-Terminals berichtet. Diese sollen statt ursprünglich geplanten 2,94 Milliarden Euro nun 6,56 Milliarden Euro kosten, also rund 3,6 Milliarden Euro mehr.

Wären nur die ursprünglich veranschlagten knapp 3 Milliarden Euro frühzeitig in den Ausbau der Erneuerbaren investiert worden, dann wären die LNG-Terminals vielleicht gar nicht nötig gewesen. Aber hinterher ist man immer schlauer, oder auch nicht. Sascha Müller-Kraenner, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) befürchtet [2]:

Die Mehrkosten gehen nun voll zu Lasten der Steuerzahler und werden beim Ausbau Erneuerbarer Energien und der Gebäudesanierung fehlen.

Sollte sich diese Befürchtung bewahrheiten, dann tragen die Terminals, die ja nur eine Übergangslösung sein sollen, wieder zum fossilen Lock-In bei.

Tatsächlich sendet die Bundesregierung widersprüchliche Signale: So traf sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zu einem virtuellen "Produktionsgipfel" mit Vertreter:innen von Wind- und Solarindustrie und Netzbetreibern. Damit soll die Industrie gestärkt und ausreichende Produktionskapazitäten für die Energiewende (erneut) geschaffen werden. In einem anschließenden Pressestatement erklärte Habeck [3]:

Wiederaufzubauen ist genau die richtige Formulierung, denn wir haben sie sehr weitgehend verloren, über alle Branchen hinweg (…) Solarindustrie, Windindustrie aber auch die Kabelindustrie sind in den Kapazitäten nicht da, wo wir sie gerne sehen wollen.

Der Minister sprach von einem verunsicherten Markt, die Hersteller seien erst bereit zu investieren, wenn die Aufträge auch da seien. Politisches Ziel müsse es sein, funktionierende Märkte zu schaffen, dazu gehörten ein verlässliches Investitionsumfeld wie schnelle Genehmigungen, Investitionskapital und direkte Förderungen für bestimmte Technologien.

Um die Auftragsvergabe in den noch langwierigen Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, könnte der Staat mit Garantien einspringen. Die genannten Instrumente müssten noch geprüft werden. "Am Wiederaufbau der europäischen Solarindustrie gibt es großes unternehmerisches Interesse", sagte Jörg Ebel, Präsident des Bundesverbands Solarwirtschaft. Dafür seien Milliardeninvestitionen nötig.

Nur 281 Windräder wurden dieses Jahr in Deutschland netto gebaut

Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie, sprach von Signalen eines stark wachsenden Marktes. Investitionen für Wind- und Solarenergie würden sich bis 2030 auf über 400 Milliarden Euro belaufen. Um einen stabilen Markt zu schaffen, wünscht sich Albers Flächenbereitstellungen von den Ländern möglichst in den nächsten drei bis vier Jahren.

Und auch in der Erneuerbare-Energien-Industrie seien Kostensteigerungen zu erwarten, weshalb die Kriterien der Ausschreibungen angepasst werden müssten. Auch schon genehmigte Projekte könnten wegen der Kostensteigerungen unwirtschaftlich werden und nicht mehr gebaut werden.

Nach Berechnungen des Fachinformationsdiensts IWR [4] sind in den ersten zehn Monaten des Jahres 2022 443 Windenergieanlagen mit einer Bruttoleistung von 2.031 MW neu in Betrieb gegangen. Im gleichen Zeitraum seien 162 Altanlagen stillgelegt worden, sodass sich ein gesante Zubau von 281 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 1.833 MW ergibt.

Das ist etwas mehr als im Vorjahreszeitraum, in dem 156 Turbinen mit 1.294 MW zugebaut worden waren. Spitzenreiter beim Zubau waren Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Brandenburg, die hinteren Ränge belegten Bayern, Baden-Württemberg und das Saarland.

Nordrhein-Westfalen steht beim Windenergieausbau immerhin noch an vierter Stelle. Doch gemessen an den Zielen der schwarz-grünen Landesregierung geht es laut Landesverband erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) zu langsam voran. "Von den vielen angekündigten Initiativen für einen forcierten Windenergieausbau, die wir nachdrücklich begrüßt haben, ist bis heute keine einzige umgesetzt worden", so Christian Mildenberger [5], Geschäftsführer des LEE NRW.

Bis Mitte November seien netto 59 Anlagen mit gut 315 MW zugebaut worden. Die Landesregierung möchte in ihrer Legislaturperiode 1.000 Windenergieanlagen zubauen, was bei einer gängigen Leistung von 5 MW pro Anlage also 5.000 MW entspräche. Es müssten schnell neue Flächen ausgewiesen werden, und die noch geltende Abstandsregel von 1.000 Metern bei Repowering-Projekten müsse abgeschafft werden.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7350098

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Energiekrise-Kosten-fuer-schwimmende-LNG-Terminals-verdoppeln-sich-7346729.html
[2] https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/deutsche-umwelthilfe-kritisiert-kostenexplosion-bei-lng-terminals-schwimmende-terminalschiffe-versc/
[3] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Livestream/2022/11/20221121-pk/videostream.html
[4] https://www.iwr.de/news/wind-ausbau-in-deutschland-von-januar-bis-oktober-2022-ueberschreitet-marke-von-2-000-mw-news38136
[5] https://www.lee-nrw.de/presse/mitteilungen/windkraftausbau-nrw-landesregierung-muss-endlich-liefern/