Vogelgrippe: Weihnachtsgans bleibt sicher, Freilandhaltung nicht

Christoph Jehle
Kraniche, Vogelgrippe-Viren und Mensch mit Schutzhülle

Die Vogelgrippe breitet sich in Deutschland rasant aus. Bereits 400.000 Nutztiere mussten gekeult werden. Worauf Verbraucher achten sollten.

Die Vogelgrippe, auch unter dem Namen Geflügelpest bekannt, wird aktuell von der hochansteckenden Virusvariante HPAIV, die derzeit als H5N1 grassiert, ausgelöst. Das ist ein hochpathogenes Influenza-A-Virus, das hauptsächlich Wildvögel und Geflügel in Geflügelfarmen infiziert. Es gehört zu den gefährlichsten Stämmen der Vogelgrippe und ist seit 2004 weltweit aktiv.

Virus wütet unter den Kranichen

Die aktuelle Situation ist durch eine aggressive Variante geprägt, die unter dem Namen Klade 2.3.4.4b auftritt, 2020 zuerst in Asien gefunden wurde und seitdem zu massenhaftem Vogelsterben auf allen Kontinenten geführt hat. In Deutschland wütet der Virus derzeit unter den Kranichen.

Man schätzt, dass bislang über 2.000 Kraniche auf ihrem jährlichen Herbstzug in ihren deutschen Rastgebieten an dem Virus gestorben sind. Diese Situation mit so vielen Todesfällen bei Kranichen ist bisher nicht in diesem Ausmaß bekannt. Allein am Stausee Kelbra sind mindestens 500 Tiere gestorben.

Zu den besonderen Risiken des Vogelgrippevirus zählt die Tatsache, dass das Virus bei niedrigen Temperaturen wochenlang außerhalb des Wirts aktiv bleiben und durch Zugvögel weiterverbreitet werden kann.

Immer häufiger wird inzwischen über Infektionen bei Säugetieren berichtet, vorwiegend wildlebende Fleisch- und Aasfresser wie Füchse, Otter, Robben, Bären und Katzen, die sich vermutlich über die Aufnahme infizierter Wasservögel angesteckt haben.

Auch Nutztierbestände sind gefährdet

Schon mehr als 400.000 Hühner, Gänse, Enten und Puten wurden bereits gekeult und dennoch schreitet die Ausbreitung der Vogelgrippe voran. Den finanziellen Schaden können Halter bei der zuständigen Tierseuchenkasse geltend machen.

Geflügelhalter fordern nun Konsequenzen wie eine bundesweite Stallpflicht, ein sogenanntes Aufstallungsgebot, weil sie wachsende Sorgen vor wirtschaftlichen Schäden umtreibt.

Wenn Geflügel aus Freilandhaltung allerdings in geschlossenen Ställen gehalten werden müssen, sinkt ihr Verkaufswert beträchtlich, weil Stallhaltung schlechter bewertet wird als Freilandhaltung.

Das Problem der Impfungen

Impfungen gegen die Vogelgrippe waren bislang innerhalb der EU nicht zugelassen. Es gibt inzwischen allerdings Impfstoffe für Geflügel, die insbesondere in Frankreich mit einer Sondergenehmigung bei Enten und Gänsen schon zum Einsatz kommen.

Das Problem der Impfungen besteht nicht zuletzt darin, dass geimpftes Geflügel vielmals nicht mehr exportiert werden kann und die Impfung von Geflügel mit umfangreichen Überwachungsmaßnahmen verbunden wäre. Sie eignet sich daher nur für Enten und Gänse in Freilandhaltung, aber keinesfalls für die Masthähnchenproduktion.

Während nicht auszuschließen ist, dass Geflügelprodukte der höchsten Qualitätsstufen in nächster Zeit knapp werden könnten, scheint für die geliebte Weihnachtsgans wohl kaum Gefahr zu bestehen, weil die Gänse zumeist tiefgefroren aus Ungarn und Polen importiert werden, wo die Geflügelpest in diesem Jahr noch nicht zugeschlagen hat.

Aus Deutschland kommen nur noch etwa 15 bis 20 Prozent der hierzulande verkauften Ware.

Kann das Virus auch über tierische Lebensmittel übertragen werden?

Grundsätzlich soll es nicht auszuschließen sein, dass ein Mensch sich nicht nur über den Kontakt mit lebenden oder toten infizierten Tieren, sondern auch durch deren Verzehr infizieren kann.

Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung ist es nicht grundsätzlich auszuschließen, dass Fleisch und Eier Vogelgrippe-Viren enthalten. Doch bislang sollen keine Erkenntnisse vorliegen, die belegen würden, dass sich Menschen über Lebensmittel mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert haben.

Das Institut empfiehlt, Fleisch gut durchzubraten, da das Virus empfindlich gegenüber hohen Temperaturen ist. Auch im Kern sollte eine Temperatur von mindestens 70 Grad erreicht werden. Bei gekochten Eiern sollte darauf geachtet werden, dass sowohl Eiweiß als auch Eigelb fest sind.

Allerdings sei es erwiesen, "dass Eier infizierter Tiere das Virus sowohl auf der Schale als auch in Eiweiß und Eidotter enthalten können. Wer sich vor Vogelgrippe-Viren und anderen Krankheitserregern, die möglicherweise in Eiern und Eiprodukten enthalten sind, schützen will, sollte vorsorglich auf den Verzehr roher Eiprodukte (Eischnee, Tiramisu etc.) verzichten".

Bei pasteurisierter Milch werden etwaige Viren bereits durch den Herstellungsprozess vernichtet. Wie die Situation bei Rohmilchkäse aussieht, der vorwiegend in Frankreich bei handwerklich arbeitenden Käsereien beliebt ist, scheint derzeit noch nicht abschließend untersucht zu sein. Da sich die industrielle Käseproduktion in Deutschland mehrheitlich auf pasteurisierte Milch stützt, bei welcher alle Mikroorganismen durch Erhitzen effizient inaktiviert sind.

Das betrifft allerdings auch die natürlichen Bestandteile, die beim Rohmilchkäse für die handwerkliche Käseproduktion genutzt werden, was viel Know-how beim Käser voraussetzt, das beim industriellen Prozess nicht mehr benötigt wird, wo die standardisierten Verfahren eine konstante Produktion ermöglichen, die immer zum gleichen Ergebnis führen.

Eine Infektion mit dem Vogelgrippe-Virus über den Verzehr von Muscheln oder Fischen ist unwahrscheinlich und wurde bislang auch nicht nachgewiesen. Eine zusätzliche Sicherheit vor Infektionen bietet das Erhitzen von Muscheln und Fischen und der Verzicht auf Süßwasserfische und -muscheln.

Für Menschen wird im Zusammenhang mit der Geflügelpestwelle, die jährliche Grippeimpfung empfohlen, weil die Folgen einer Doppelinfektion mit beiden Viren bislang noch völlig unbekannt sind.