Vom Habeck-Hype zur Baerbock-Blase?

Seite 2: Konfliktscheu ohne Ecken und Kanten

Ansonsten? Außenpolitik? Fehlanzeige. Man hat irgendwie etwas gegen Russland, insbesondere ist man gegen "Nord Stream 2"; man ist für die Nato, aber nicht so richtig. Und man ist gegen den Syrien-Krieg, das aber wirklich.

Kulturpolitik? Fehlanzeige. Außer dass die Regierung irgendwas schlecht macht und man mehr Multikultistoffe im Kino und auf Theaterbühnen und mehr Diversität unter den Kulturschaffenden fördern möchte.

Kampf gegen rechts? Eigentlich auch Fehlanzeige. Natürlich hat man etwas gegen rechts und findet Rechte ohnehin doof und schlimm. Auch hier will man dann den starken Staat und mehr Geld für den Verfassungsschutz. Den Kampf gegen Ausländerhass und Rechtsextremismus muss man den Grünen inhaltlich unbedingt abnehmen. Aber es geht auch auf diesem Feld nicht um Glaubensbekenntnisse, sondern es geht darum, wie effektiv die Grünen hier Politik machen.

Wo ist die Innen- und Justizpolitik der Grünen, die sich der Polizei annimmt, sie besser ausstattet, ihr Rückendeckung im Kampf gegen Rechtsaußen gibt, und Konzepte hat, um die Polizeibehörden von rechtsextremen schwarzen Schafen zu säubern?

Wo bleibt der "Rheinische Kapitalismus 2.0"

Damit es mit der Umweltpolitik konkret wird, gibt es auf der einen Seite die Lippenbekenntnisse für ganz viel Umweltschutz und ganz viel Artenschutz. Auf der anderen Seite gibt es eine tatsächliche Konfliktscheue im Kampf für die Demonstrationsfreiheit von Umweltaktivisten, und eine ähnliche Konfliktscheu im Kampf gegen den Ausbau traditioneller Verkehrswege, insbesondere Landstraßen und Autobahnen.

Verkehrspolitik ist überhaupt ein weiteres trauriges Kapitel der Grünen-Politikagenda. Weit entfernt sind die Grünen von ihren alten Ideen einer grundsätzlichen Verkehrswende - denn die hieße Abwendung von der Auto-Klientelpolitik und Abwendung von allen Gefälligkeiten für die Autoindustrie; Abwendung von dem alten Modell des rheinischen Kapitalismus, der die Bundesrepublik zugegebenermaßen sehr weit geführt hat.

Vielleicht könnte man dieses Modell erneuern, indem man einen "Rheinischen Kapitalismus 2.0" skizziert, also Industriepolitik betreibt, aber für andere Industrien – nicht mehr für Autos und Lufthansa. Hier am ehesten stehen die Grünen teilweise schon tatsächlich für Neues. Aber nichts wird konsequent betrieben.

Am Ende des Tages lautet das Fazit: Die Grünen geben sich vor allem in taktischen Fragen extrem lernfähig. Sie schmirgeln sich alle Ecken und Kanten ab. Sie machen bessere CDU-Politik, aber sie machen keine andere Politik mehr.

Grüne Pandemiebekämpfung: Partei der Sicherheit, nicht des Mutes

Alles das kulminiert in der katastrophalen Corona-Politik der Partei. Corona-Politik für die Grünen heißt, bei Talkshows mit besorgtem Göring-Eckardt-Blick in die Runde zu schauen.

Wo eine Oppositionspartei – gerade und ganz besonders eine sich selbst als "bürgerlich" charakterisierende Partei aus der Mitte der Gesellschaft, nicht aus ihren Rändern links und rechts – der Regierung auf die Finger schauen und gelegentlich auch auf diese Finger klopfen müsste, und wo eine Oppositionspartei Alternativen aufzeigen müsste, da sind die Grünen zur Partei der Alternativlosigkeit mutiert. Sie wollen alles genauso machen, wie Mutti Merkel es seit März 2020 macht, nur strenger, schärfer, noch vorsichtiger, noch pedantischer.

Gesundheitspolitik im Grünen Verständnis heißt Meckern über das Grundsätzliche, und ansonsten zusehen, dass die Intensivbettenplätze nicht überlaufen, und trotzdem nicht so viel kosten. Es heißt Verständnis zu haben für das von Jens Spahn verantwortete Testdesaster und Impfversagen; es heißt auch Verständnis zu haben für die EU-Regulierungswut, die im Effekt nicht nur dazu führt, dass EU-Bürger später geimpft werden, als die übrigen Menschen aus der kompletten entwickelten Welt, sondern auch dazu, dass deswegen mehr EU-Bürger sterben, als in allen übrigen Teilen entwickelten Welt.

Ansonsten heißt Corona-Politik für die Grünen seit vergangenem Sommer ab und zu "Grundschule!" zu rufen oder "Kitas!". Das ist zwar nicht falsch, aber das ist viel zu wenig.

Corona ist zum generellen Lackmustest geworden – das hat man schon für alles Mögliche festgestellt. Und auch für die Grünen wird das deutlich.

Corona zeigt: Die Grünen sind keine Partei der Freiheit, auch nicht eines neuen Verständnisses von Freiheit; die Grünen sind eine Verbotspartei und Vorschriftenpartei, sie sind eine Partei der Sicherheit und der Vorsicht, nicht des Mutes, nicht des Risikos.

Dass sie das alles nicht sind, ist nicht schlecht für die Grünen. Aber es ist schlecht für die Bundesrepublik Deutschland.

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