Von Trump zur AfD: Die Macht der Unzufriedenen – und die Schwäche ihrer Gegner

Harald Neuber
Proteste gegen die AfD Anfang 2024 in Berlin

Feel- Good-Protest mit vielen Lichtern, hier im Januar 2024 in Berlin. Bild: Leonhard Lenz/ gemeinfei

Trump triumphiert in den USA, die AfD erreicht Rekordwerte. Wut treibt ihnen Wähler in die Arme. Ein kommentierter Blick auf die Zahlen.

Die US-Präsidentschaftswahl 2024 und die anstehenden Wahlen in Deutschland im Jahr 2024 lenken den Blick auf die rechtspopulistischen Kräfte: Donald Trump konnte die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden und auch die AfD steht in Umfragen derzeit auf Rekordniveau.

Doch was treibt die Wähler dieser rechten Politiker und Parteien an? Aktuelle Umfragen geben Einblicke in die Motivationen der Trump- und AfD-Unterstützer.

Trump-Anhänger sehen ihn als Kandidaten des Wandels

Laut einer Umfrage des Pew Research Centers vom Oktober 2024 sahen 86 Prozent der Trump-Wähler ihn als jemanden, der Washington zum Besseren verändern würde. Nur zwölf glaubten, er würde nicht viel ändern. Die wichtigsten Themen für seine Anhänger waren die Wirtschaft (93 Prozent "sehr wichtig") und Einwanderung (82 Prozent), deutlich vor Themen wie Klimawandel (elf Prozent) oder Abtreibung (35 Prozent).

Trumps Unterstützer zeigten sich in Umfragen über das Jahr hinweg sehr einig bei kontroversen gesellschaftlichen Fragen: 92 Prozent glauben, dass das biologische Geschlecht unveränderlich ist und 89 Prozent sehen privaten Waffenbesitz als sicherheitsfördernd.

Sie wollten mehrheitlich einen schlanken Staat, lehnten aber Einschnitte bei der Rente ab. Trumps Anhänger waren mit der Lage des Landes höchst unzufrieden: Nur fünf Prozent von ihnen zeigten sich einen Monat vor der Wahl damit einverstanden, wie die Dinge liefen.

Die Wähler der AfD speisen sich laut Wanderungsanalysen zu den Bundestagswahlen 2013 bis 2021 von Infratest dimap zum einen aus Kreisen der Nichtwähler und Wähler von Kleinstparteien (2,1 Millionen Stimmen).

Noch stärker profitierte die AfD aber von Abwanderung von den etablierten Parteien, allen voran von CDU/CSU und der Linken, etwas weniger von der SPD (zusammen 2,7 Millionen Stimmen).

Infratest-Nachwahlbefragungen zeichnen das Bild einer mehrheitlich männlichen, eher älteren AfD-Wählerschaft mit niedrigem bis mittlerem Bildungsniveau, die ihre eigene wirtschaftliche Lage oft kritisch sieht.

Die AfD-Anhänger sind dem politischen System stark entfremdet und stufen Zuwanderung mit Abstand als größtes Problem ein – trotz der deutlich unterschiedlichen Parteienlandschaft und Politikkultur ist das eine Parallele zum Trump-Aufstieg in den USA. In beiden Fällen prägen zudem kulturelle Bedrohungsgefühle die Einstellungen der rechten Wählerschaft.

Das rechtsextreme Einstellungspotenzial in der AfD-Wählerschaft ist gewachsen, macht aber weiterhin nur rund ein Viertel aus.

Protestwahl gegen "Establishment" eint Trump- und AfD-Wähler

Während sich die konkreten Top-Themen unterscheiden, eint die Wähler Trumps und der AfD vorwiegend die Unzufriedenheit mit dem politischen "Establishment". Sie sehnen sich nach einer Richtungsänderung in der Politik und wählen die Rechtspopulisten aus Enttäuschung über die anderen Parteien. Sowohl Trump als auch der AfD gelingt es, Nichtwähler und Wähler anderer Parteien für sich zu mobilisieren.

Die AfD profitiert dabei noch stärker von Wählerwanderungen der politischen Konkurrenz als Trump. Kulturelle Themen und Überfremdungsängste spielen für die AfD-Wähler eine größere Rolle als für Trumps Anhänger, für die die Wirtschaft das alles überragende Thema ist.

Trumps Wähler zeigen sich bei gesellschaftlichen Wertefragen allerdings mindestens so konservativ wie AfD-Wähler. Das es wohl auch ein Grund für die Wahlkampfhilfe des Milliardärs und Trump-Unterstützer Elon Musk für die AfD.

Meanwhile, in Germany ...

Was also bedeutet das für Deutschland, wo die AfD ihr Ergebnis im Vergleich zu den vergangenen Bundestagswahlen voraussichtlich mehr als verdoppeln wird? Die CDU und Friedrich Merz beharren öffentlich auf der sogenannten Brandmauer und übernimmt gleichzeitig die Asylprogrammatik der AfD – allen rechtsstaatlichen und europapolitischen Bestimmungen zum Trotz. Und ohne viel Aussicht auf Erfolg an den Wahlurnen, wie die erwähnte Studie zeigt.

Und aus dem linksgrünen Lager strömten unlängst zehntausende Menschen zum Brandenburger Tor in Berlin, um mit Lampen und Lichterketten gegen den aktuellen Rechtsruck im Land und für die Demokratie zu demonstrieren. Dieses "Lichtermeer" richtet sich gegen das Erstarken der AfD und anderer rechter Parteien in Europa, gegen die Politik von US-Präsident Donald Trump und den Einfluss des Tech-Milliardärs Elon Musk.

"Hejo, so gewinnt die AfD"

Nur: Denen das reichlich egal sein, wenn im Zentrum der deutschen Hauptstadt "Hejo, leistet Widerstand" auf die Melodie von "Hejo, spann den Wagen an" gesungen wird; eine Szene, die beängstigend wirkt, weil sie sowohl das infantile Niveau vieler AfD-Gegner und deren Hilflosigkeit zugleich belegt.

Und Merz sollte einsehen: Wer die AfD wählt, wählt die AfD. Nicht ihn.

Nur an eines denkt offenbar niemand, das Naheliegendste: Politik für die Menschen im Land zu machen, für Wohlstand und Freiheit Sorge zu tragen, sodass Protestwählen unnötig wird.

Konkret: Eine Politik, die Eltern nicht zwingt, Klassenfahrten abzusagen, weil das Geld nach Inflation und Preissteigerungen nicht mehr da ist. Eine Politik, die auf eine europäische Friedensordnung setzt, statt auf sicherheitspolitische Eskalation. Und eine Politik, nach der man bei Besuchen auf Weihnachtsmärkten oder öffentlichen Großveranstaltungen kein mulmiges Gefühl mehr in der Magengegend haben muss.