Von der Krim bis Bergkarabach: Die ungelösten Konflikte der Sowjetzeit
Seite 2: Die historischen Hintergründe der Krim-Annexion
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Von Bergkarabach aus in nordwestlicher Richtung liegt das Schwarze Meer und darin die Halbinsel Krim. Die Inselvegetation ist hier besonders vielfältig und reicht von trockener Steppe im Norden bis zu fruchtbarem Land mit mediterranem Klima im Süden.
Die Halbinsel ist außerdem reich an antiken Ruinen, die noch das byzantinische Reich überdauerten. Zudem liegt auf der Krim ein für Russland strategisch wichtiger Zugang zu einem Hafen, der aufgrund seiner südlichen Lage im warmen Schwarzen Meer nie zufriert.
Russland nahm die Krim schon 1783 erstmals für sich in Anspruch, als sie unter der Herrschaft Katharina der Großen erstmals an das russische Reich angegliedert wurde. Im Jahr 1853 begann dann der erste Krimkrieg, der drei Jahre andauern sollte. Russland kämpfte um die Halbinsel gegen das Osmanische Reich, Großbritannien und Frankreich und unterlag letztlich.
Unter Einfluss der Russischen Revolution
In den Folgejahren wurde die komplexe Gemengelage auf der Krim von verschiedenen Faktoren beeinflusst, die zur politischen Instabilität nicht nur dort, sondern in der ganzen osteuropäischen Welt beitrugen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, im späten russischen Zarenreich, litten große Bevölkerungsteile im damaligen Agrarstaat Russland Hunger. Die Bevölkerung wuchs stark an, aufgrund der schlechten Lebensverhältnisse wurden die Menschen jedoch kaum älter als 40 Jahre.
Aus Verzweiflung wanderten sie vom Land, das sie kaum ernähren konnte, in die Städte aus, woraufhin sich die Situation noch mehr zuspitzte. Die Städtebevölkerung in der Industrialisierung wuchs von sieben auf 28 Millionen Menschen an.
Auf engstem Raum und unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen wuchs der Unmut, bis 1904 politische Proteste in Sankt Petersburg gegen die Ausbeutung der Arbeiter und für Meinungs- und Versammlungsfreiheit laut wurden.
Die Lage eskalierte am "Blutsonntag", an dem russische Wachmannschaften vor dem Petersburger Zarenpalast etwa einhundert Demonstranten erschossen. Dieses Ereignis war Ausgangspunkt für landesweite, anhaltende Proteste. Vermittlungen zwischen Bauern und Großgrundbesitzern scheiterten über Jahre hinweg.
Mangels sozialer Reformen verschlechterte sich die Lage der Bauern weiter und der Zustrom zu den progressiven bolschewistischen, radikal-sozialistischen Parteien wurde stärker. Im Februar 1917 erlangten schließlich Gegner des Zarismus die Kontrolle über die damalige Hauptstadt Sankt Petersburg. Die Ereignisse überschlugen sich. Zar Nikolai musste im März 1917 auf Druck der Armeeführung abdanken, was nach 300 Jahren das Ende der Romanow-Dynastie einläutete.
Russlands langer Arm
Diese politische Umbruchstimmung hatte Auswirkungen auch auf das Gebiet der Ukraine und der Halbinsel Krim. 1921 wurde das Gebiet zur autonomen sozialistischen Sowjetrepublik erhoben. Der Einfluss Russlands über die Ukraine wuchs. Noch bis zum Zweiten Weltkrieg exportierte Russland große Mengen Getreide aus dem Land, das noch heute als "Kornspeicher Europas" bezeichnet wird.
Später wurde die Ukraine das Zentrum des russischen Waffenhandels. Während sie so systematisch ausgebeutet wurde, blieb das Land selbst arm.
Ähnlich sah es auf der Krim aus. Auch während der Besetzung durch die faschistische Wehrmacht im Jahr 1941 kam das Land nicht zur Ruhe. Einen grausamen Höhepunkt markierten die 1944 von Stalin angeordneten "Säuberungswellen" auf der Halbinsel. Systematisch ließ er Minderheiten (insbesondere die Krim-Tataren, die seit Jahrhunderten auf der Halbinsel gesiedelt und gehandelt hatten) deportieren.
Den Grundstein für die Krim-Annexion legte 1954 (unabsichtlich) Nikita Chruschtschow, der anlässlich des 300. Jahrestages des Vertrags von Perejaslaw die Krim an die ukrainische Sowjetrepublik verschenkte.
Was damals ein Zeichen der russisch-ukrainischen Einheit sein sollte, das auf den 1654 erfolgten Zusammenschluss des Kosakenvolkes mit dem russischen Zaren zurückging, bedauert Putin bis heute.
Die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986 warf die Ukraine erneut weit zurück. Zwar wurde das Land 1991 unabhängig, konnte aber dennoch nur mit Schwierigkeiten seine Herrschaft auf der Krim durchsetzen. Die Halbinsel wurde weitgehend autonom.
Was den russischen Einfluss auf die Krim betraft, war die Bevölkerung auf der Halbinsel gespalten. Einige Minderheiten, vornehmlich die Tataren, stellten sich gegen eine russische Führung (aufgrund der Deportationserfahrung), einige westlich orientierte Ukrainer ebenfalls. Russischsprachige Bewohner der Krim hingegen lehnten eine Herrschaft Kiews ab.
Der Einfluss der Oligarchen auf die Ukraine wuchs weiter unter dem ukrainischen Regierungsoberhaupt Victor Janukowitsch. Nach der "Orangen Revolution" 2004 kam es 2013 erneut zu Unruhen. Es folgten Proteste auf dem Maidan, weil Janukowitsch eine Annäherung an die EU ablehnte, während die ukrainische Bevölkerung sie einforderte.
Im Februar 2014 schließlich musste Janukowitsch aufgrund der Unruhen fliehen. Die Ereignisse überschlugen sich, bewaffnete Streitkräfte begannen, die Krim zu besetzen. Für die Krim-Bevölkerung zunächst unkenntliche, von Putin entsandte Soldaten, sollten als vermeintliche "einheimische Freiheitskämpfer" die Herrschaft über die Krim erobern.
Schnell wurde von den Besetzern ein militärisch kontrolliertes Parlament eingesetzt, das ohne Volksbeteiligung einen neuen Präsidenten wählte und anschließend auch gleich die Annexion der Krim an Russland beschloss. Ein Schein-Referendum sollte nach außen eine demokratische Volksabstimmung vortäuschen und so den Annexionsbeschluss legitimieren. Am 18. März 2014 wurde der Beitrittsvertrag geschlossen.
Ausblick
Die russische De-facto-Herrschaft über die Krim dauert bis heute an, wenngleich immer wieder versucht wurde, die Annexion 2014 für völkerrechtswidrig erklären zu lassen und rückgängig zu machen.
Hoffnungen, dass die Ukraine das Gebiet zeitnah wieder für sich beanspruchen kann, schwinden. Die Situation in der Region Bergkarabach ist ähnlich aussichtslos. Aktuell fliehen aufgrund der jüngsten Ereignisse alle aus dem Gebiet, die die Möglichkeit dazu haben. Armenien ist mit dem plötzlichen Zustrom an fliehenden Menschen überfordert.
Aber möglicherweise gibt es Anhaltspunkte im Völkerrecht, die tauglich sind, um sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen. Ob die Geschehnisse in Bergkarabach und auf der Krim vielleicht sogar völkerrechtswidrig sind, lesen Sie im zweiten Teil dieses Artikels.