Von der Ukraine-Hilfe profitiert die Rüstungsindustrie, nicht die Wirtschaft
In den USA werden Gelder für Kiew als Jobmotor verkauft. Doch das stimmt nicht. Warum es eher den Reichen als den ärmeren Schichten dient. Gastbeitrag.
Werden die Vereinigten Staaten ihre Finanzierung für den Verteidigungskrieg der Ukraine gegen Russland verlängern? Der US-Kongress tut sich schwer mit der Antwort auf diese Frage.
Die Republikaner wollen ihre Zustimmung so lange verweigern, bis US-Präsident Joe Biden sich bereit erklärt, die Sicherheit an der Grenze zwischen den USA und Mexiko zu verstärken. Da die politische Unterstützung für die Ukraine zu wackeln scheint, ist das Weiße Haus nervös – und das zu Recht.
Die Erzählung vom allgemeinen Vorteil
Um die Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer Bewaffnung der Ukraine zu überzeugen, betonte US-Präsident Biden im vergangenen Jahr die wirtschaftlichen Vorteile in den Vereinigten Staaten. Die Idee hinter dieser Strategie war, dass viele Wähler fälschlicherweise annehmen könnten, dass "Hilfe für die Ukraine" bedeutet, riesige Geldsummen auf Bankkonten in Kiew zu überweisen.
Tatsächlich erfolgt ein Großteil der amerikanischen Militärhilfe in Form von Sachleistungen wie Waffen und Munition aus den vorhandenen US-Lagerbeständen. Wenn der Kongress für eine weitere Unterstützung der Ukraine stimmt, wird der Löwenanteil dieser Mittel an einheimische Firmen gehen, die die Aufgabe haben, die Waffenlager des Pentagons aufzufüllen.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Hilfe für die Ukraine für diejenigen, die eine enge Definition des nationalen Interesses zugrunde legen, wesentlich attraktiver. Wer könnte dagegen sein, dass Milliarden von Dollar für US-Unternehmen und ihre Beschäftigten bereitgestellt werden?
Geld wird Bürgern aus der Tasche gezogen, nicht geschenkt
Doch während es viele gute Gründe gibt, die Kriegsanstrengungen der Ukraine mit US-Ressourcen zu unterstützen, gehört die Förderung des wirtschaftlichen Glücks der einfachen Amerikaner zu den schwächsten.
Vor allem ist es irreführend, die für die Bewaffnung der Ukraine aufgewendeten Mittel – bisher mindestens 68 Milliarden Dollar – als Geldsegen zu bezeichnen. Wenn man Präsident Biden zuhört, könnte man glauben, dass die Militärausgaben aus frei verfügbarem Geld gespeist werden, das den US-Herstellern zur Verfügung steht, wenn der Kongress nur aus dem Weg gehen würde.
In Wirklichkeit handelt es sich natürlich um die Steuergelder der US-Amerikaner, d. h. um Geld, das den Bürgern aus der Tasche gezogen wird, und nicht um Geld, das ihnen geschenkt wird. Sicherlich kann der US-Kongress Mittel für die Umverteilung von Reichtum initiieren. Die Unterstützungssummen für die Ukraine sind in dieser Hinsicht keine Ausnahme.
Die ungleiche Verteilung der Pentagon-Gelder
Eine Besonderheit bei den Militärausgaben ist jedoch die ungleiche Verteilung der Verteidigungsgelder. Das liegt daran, dass die zum Militärsektor gehörenden Unternehmen nicht gleichmäßig über die Vereinigten Staaten verteilt sind. Sie konzentrieren sich auf bestimmte Gebiete – Tarrant County in Texas, Fairfax County in Virginia und El Paso County in Colorado zum Beispiel.
Die Militärausgaben fließen immer nur in die Teile der USA, in denen Waffenhersteller, Luft- und Raumfahrtunternehmen und dergleichen angesiedelt sind – eine Region in den Vereinigten Staaten, die von einigen Wissenschaftlern wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Militarismus als "Waffengürtel" bezeichnet wird.
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Im Gegensatz dazu hat die Großzügigkeit des Pentagons nur selten direkte Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft, die sich auf andere Branchen konzentriert. Auf den Punkt gebracht: Wann immer die Militärausgaben erhöht werden, bedeutet es lediglich, dass Gemeinden, die bereits daran gewöhnt sind, große Mengen an Verteidigungsgeldern zu erhalten, noch mehr als sonst erhalten.
Mehr als ein Dutzend Bundesstaaten gehen leer aus
Wie aus den Karten des Verteidigungsministeriums hervorgeht, haben mehr als ein Dutzend Bundesstaaten durch die Hilfe für die Ukraine keine größeren Geldzuflüsse erhalten.
Es stimmt also, dass die Hilfe für die Ukraine die wirtschaftliche Lage in bestimmten Teilen des Landes verbessern könnte. Aber warum sollten sich die Steuerzahler in ganz Amerika darüber freuen, dass Bundesgelder nur in einige Städte fließen? Diese Frage wird nicht oft genug gestellt.
Um es klar zu sagen: Die Staaten, die zum US-Waffengürtel gehören, erhalten bereits jedes Jahr Dutzende von Milliarden Dollar an Bundesgeldern. Das ist nichts Schlimmes, sondern eine ganz normale wirtschaftliche Folge des großen Verteidigungshaushalts der Vereinigten Staaten. Irgendwo muss dieses Geld ja ausgegeben werden.
Militärausgaben sind kein Sozialprogramm
Aber es ist nichts Fortschrittliches oder das Gemeinwohl Förderndes daran, diesen Kommunen weitere Milliarden zu geben. In der Tat ist es geradezu widerwärtig, von der Bevölkerung Dankbarkeit als Gegenleistung für eine grob ungerechte Umverteilung des Reichtums zu erwarten.
Eine mögliche Erwiderung auf dieses Argument ist, dass Militärausgaben nicht gerecht sein müssen, daher sollte sich niemand darüber ärgern, wenn Geld, das für die Ukraine ausgegeben wird, einigen Amerikanern mehr zugutekommt als anderen. Schließlich verteilt das Pentagon Gelder, um eine starke Landesverteidigung zu finanzieren, und nicht, um den Reichtum bestimmter geografischer Gebiete oder demografischer Gruppen zu fördern.
Aber genau das ist der Punkt: Militärausgaben sind kein Sozialprogramm und sollten nicht als solches gerechtfertigt werden. Wenn es US-Bürger gibt, die wirtschaftlich von der Außen- und Verteidigungspolitik der USA profitieren, z. B. durch die Unterstützung der Ukraine – und natürlich gibt es das –, dann sollte es als zufälliges Ergebnis anerkannt werden und nicht als Ziel, das aufgrund einer geschickten und bewussten öffentlichen Politik maximiert wird.
Andere Wege sind sinnvoller
Wer daran interessiert ist, das Wohlergehen der einfachen US-Amerikaner zu verbessern, sollte die Militärausgaben nicht als Mittel der Wahl dafür einsetzen. Verteidigungsausgaben sind eine Form der Umverteilung von Wohlstand, aber nur in einem regressiven Sinne – kaum etwas, das man feiern sollte.
US-Präsident Biden hat keinen Hehl aus seiner Überzeugung gemacht, dass der Krieg in der Ukraine zentrale nationale Interessen der USA berührt. Er sollte dieses Argument weiterhin überzeugend vortragen. Argumente, die die Aufmerksamkeit auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Hilfe für die Ukraine auf lokaler Ebene lenken, sind nicht seine Stärke.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Sie finden das englische Original hier. Übersetzung: David Goeßmann.
Peter Harris ist außerordentlicher Professor für Politikwissenschaft an der Colorado State University. Zusammen mit Kollegen arbeitet er an einem von der Carnegie Corporation of New York finanzierten Projekt, dem "The Peace Dividend Project". Er ist zudem Fellow bei Defense Priorities.