Vor Atomwaffen-Übung der Nato: Nobelpreiskomitee setzt Zeichen
Statement aus Oslo: Friedensnobelpreis geht an japanische Organisation gegen Kernwaffen. Wie Atommächte weiter auf Abschreckung setzen.
Wenige Tage vor Beginn des Nato-Manövers "Steadfast Noon", bei dem der Einsatz von Atomwaffen zur Vereidigung des Bündnisgebietes geübt werden soll, hat das Nobelpreiskomitee in Oslo ein klares Statement abgegeben: Der Friedensnobelpreis geht in diesem Jahr an Nihon Hidankyo, eine japanische Organisation, die für nukleare Abrüstung und eine atomwaffenfreie Welt eintritt.
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Die Organisation war infolge der US-Atombomben-Abwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki zum Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet worden.
"Diese Graswurzelbewegung von Atombombenüberlebenden aus Hiroshima und Nagasaki, auch bekannt als Hibakusha, erhält den Friedensnobelspreis für ihre Bemühungen um eine atomwaffenfreie Welt und dafür, dass sie durch Zeitzeugenaussagen gezeigt hat, dass Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden dürfen", teilte das Nobelpreiskomitee an diesem Freitag mit.
Atomwaffen-Tabu unter Druck
Als "ermutigende Tatsache" führt das Komitee an, dass seit fast 80 Jahren im Krieg keine Atomwaffe mehr eingesetzt wurde. Besorgt zeigt es sich über den aktuellen Ausbau der atomaren Drohkulissen auf mehreren Seiten.
Die außerordentlichen Anstrengungen von Nihon Hidankyo und anderen Vertretern der Hibakusha haben wesentlich zur Etablierung des Atomtabus beigetragen. Es ist daher alarmierend, dass dieses Tabu gegen den Einsatz von Atomwaffen heute unter Druck steht.
Die Atommächte modernisieren und verbessern ihre Arsenale; neue Länder scheinen sich auf den Erwerb von Atomwaffen vorzubereiten; und es wird gedroht, Atomwaffen in laufenden Kriegen einzusetzen. In diesem Moment der Menschheitsgeschichte lohnt es sich, uns daran zu erinnern, was Atomwaffen sind: die zerstörerischsten Waffen, die die Welt je gesehen hat.
Aus der Stellungnahme des Nobelpreiskomitees zum diesjährigen Friedensnobelpreis
Nobelpreiskomitee ehrte auch Atomwaffen-Verbotskampagne
Weder Russland noch die USA oder die Nato werden in der Erklärung explizit genannt. Das Nobelpreiskomitee hatte seine Position bereits deutlich gemacht, als es 2017 die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN) mit dem Friedensnobelpreis geehrt hatte.
ICAN hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass der Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen zustande kam, der 2017 mit den Stimmen von mit 122 der 193 Mitgliedsstaaten angenommen wurde, aber seither von den Atommächten ignoriert wird.
Die Vereinbarung trat im Januar 2021 in Kraft, nachdem sie von 50 der Vertragsstaaten ratifiziert worden war. Verboten sind demnach sowohl Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Kernwaffen als auch die Drohung damit.
Nato-Übung mit Atombomben-Attrappen
"Steadfast Noon" findet jährlich europaweit mit Beteiligung der USA und der Nato-Staaten mit "Nuklearer Teilhabe" – also auch Deutschlands und der Bundeswehr, in diesem Fall auf dem Fliegerhorst Nörvenich bei Köln – statt. Geübt wird das Anbringen von Atombomben aus unterirdischen Bunkern an Tornado-Kampfjets (natürlich mit Attrappen) und deren Abwurf.
Nach Angaben von Nato-Generalsekretär Mark Rutte dient das ab Montag geplante Nato-Manöver der Abschreckung. "In einer unsicheren Welt ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir unsere Verteidigung testen und stärken, damit unsere Gegner wissen, dass die Nato bereit und in der Lage ist, auf jede Bedrohung zu reagieren", erklärte er kurz vor Beginn von "Steadfast Noon".
Putin und Nato setzen auf nukleare Abschreckung
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte im September die Doktrin zum Einsatz von Atomwaffen erweitert – vermutlich zur Abschreckung westlicher Atommächte, die der Ukraine Waffen für den Kampf gegen russische Invasionstruppen liefern und dem Land erlauben könnten, damit auch Ziele innerhalb Russlands anzugreifen.
"In der aktualisierten Fassung des Dokuments wird vorgeschlagen, dass eine Aggression gegen Russland durch einen Nicht-Atomwaffenstaat, aber mit Beteiligung oder Unterstützung eines Atomwaffenstaates, als gemeinsamer Angriff auf die Russische Föderation betrachtet werden sollte", hatte Putin in einer im Fernsehen übertragenen Rede gesagt.