Wagner PMC ohne Prigoschin: Eher Zerschlagung als Aufstand
Die Söldnergruppe wird nach dem Tod ihres "CEO" nur in einer stark reduzierten Form überleben. Wenn überhaupt. Zweifel, warum dessen Privatjet vom Himmel fiel, gibt es kaum.
Als der Privatjet von Jewgeni Prigoschin auf bisher noch nicht abschließend geklärte Art und Weise vom Himmel geholt wurde, verlor die Söldnergruppe Wagner PMC nicht nur ihren Chef, sondern auch mehrere weitere hohe Kommandeure, die mit im Flugzeug saßen.
Die in Russland immer noch zahlreich vorhandenen Anhänger des Söldnerführers und früheren Kreml-Kochs waren trotz eines immer wieder vorhergesagten baldigen Todes geschockt. Im ehemaligen Wagner-Hauptquartier in Sankt Petersburg wurde laut einem Bericht der Moskauer Tageszeitung Kommersant zahlreiche Blumen und Kränze abgelegt.
Wagner vor der Auflösung?
Wer letztendlich hinter Prigoschins Tod steht, darüber gibt es unter Russen keinen Zweifel, auch wenn es niemand wirklich ausspricht: Wer Putin die Stirn bietet, hat nicht mehr lange zu leben. Nur wenig kontroverser sind im In- und Ausland die Diskussionen, was denn nun aus seiner Söldnertruppe Wagner wird, die ja immer noch unter Waffen steht.
Prigoschin noch unterstellte Teile von etwa 5.000 Soldaten sind stationiert in Belarus, andere als Soldaten in Westafrika. Wer nach Prigoschins Absturz beim Verteidigungsministerium unterschrieb, befindet sich oft auch noch in der Ukraine im Krieg oder andere wurden in die Heimat entlassen.
Vor allem westliche Kommentatoren, wie Peter Beaumont im britischen Guardian (nachzulesen auf deutsch im Wochenmagazin Der Freitag) gehen von einer weitgehenden Auflösung der Söldnertruppe aus. "Klar ist, dass es die Gruppe Wagner, wie sie einmal war, nicht mehr gibt" schreibt Beaumont.
Im Flugzeug saßen neben Prigoschin auch weitere zentrale Figuren von Wagner, wie der Kommandeur und frühere Geheimdienstoffizier Dmitri Utkin. Er war einer der Hauptorganisatoren des Moskau-Konvois, der Prigoschins Stellung im Machtgefüge letztendlich zum Verhängnis wurde. Somit sind eine Reihe von potentiellen Prigoschin-Nachfolgern mit ihm gestorben.
Für großen Aufstand schon zu schwach
Aufgrund der starken Dezimierung der Wagner-Führungsriege glaubt auch Alexey Yusupov, Leiter des Russland-Programms der Friedrich-Ebert-Stiftung nicht an von einzelnen Wagner-Anhängern online angekündigte Reaktionen, etwa einen neuen Aufstand. Er glaubt entweder an ein Rebranding der verbliebenen Truppe oder eine Übergabe der aktuellen Einsatzorte wie in Westafrika an andere Militärfirmen.
Wagner ist - Stand jetzt - meines Erachtens als Gesamtorganisation nicht in der Lage zu agieren. Ich würde keinen Putsch, keine Revolte erwarten. Das heißt nicht, dass es nicht vereinzelte Aktionen geben könnte von überzeugten Anhängern. Aber das hat alles nicht mehr die Dimension der Ereignisse vor zwei Monaten
Alexey Yusupov im IPG-Journal
Nicht optimistischer in Bezug auf die zukünftige Existenz von Prigoschins Militärfirma sind viele russische Kommentatoren. Etwa der Wagner-Spezialist Denis Korotkov, der von der Onlinezeitung Meduza interviewt wurde. Er glaubt, ob es nun einen Untergang oder eine Aufteilung von Wagner geben werde - die Unabhängigkeit früherer Zeiten von den offiziellen Machtstrukturen sei vorbei.
Westafrika als verbliebenes Aktionsfeld
Beaumont erzählt auch über Unruhe in den verbliebenen Prigoschin-treuen Wagnerianern in Weißrussland, wo ein Viertel der Kämpfer abgereist sein soll, aus Unzufriedenheit mit dem dort niedrigen Sold. Davon seien einige nach Westafrika gereist, wo sie Wagner noch als einziges im Kampfeinsatz befindet. Korotkov glaubt aber nicht, dass Wagner dort längerfristig eine Zukunft hat.
Ich glaube jedenfalls nicht, dass alles beim Alten bleibt und sich nur die Figur des Organisatoren ändert. Finanzierung, Logistik, die Freiheit Entscheidungen zu treffen und die Unterordnung unter Strukturen: All das wird sich ändern, völlig ändern. Und dann wird es, wie ich denke, geplündert und zerfällt.
Denis Korotkov gegenüber Meduza
Korotkov denkt auch, dass die betont informelle Struktur, die ganz auf der Person Prigoschin aufbaute, Wagner nun zum Verhängnis wird. Die Soldzahlungen erfolgten aus Säcken mit Bargeld, persönlich garantiert nur von Prigoschin selbst.
Wegen Prigoschins Tod würden jedoch andere Militäreinheiten mit Sicherheit keinen Aufstand wagen. Deren Sorgen seien mehr Probleme im direkten Kampfeinsatz, was ihnen wesentlich mehr Sorgen mache, als der getötete Oligarch.
Eine abweichende Meinung vertritt in der regierungsnahen Moskauer Zeitung Nesawisimaja Gaseta der Militärexperte Wladimir Popow. Er glaubt an weitere Wagner-Einsätze in Belarus und Westafrika. "Wagner-Soldaten werden Russland weiterhin dienen" stellt der ehemalige Oberst fest. Ob sie das wirklich bei PMC Wagner oder in einer ähnlichen Nachfolgeorganisation tun werden, bezweifeln viele seiner Kollegen - er selbst bleibt bei diesem Thema unbestimmt.