Wahl in NRW: Zukunftsträchtig ist das nicht!

Wüst und Kutschaty beim WDR: Sie waren sich recht gleich. Bild: WDR

Die CDU hat sich durchgesetzt, sucht aber nach Profil; den Grünen droht der Ikarus-Effekt und SPD-Kühnert gab den Schröder. Ein Kommentar

Ein Hauch von Gerhard Schröder wehte am Sonntagabend durch den Blätterwald, nachdem die ersten Ergebnisse der Wahl in Nordrhein-Westfalen bekannt wurden. "Ich bleibe dabei", wurde SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert in Agenturen zitiert: "Das wird uns heute Abend, davon bin ich fest überzeugt, die Gelegenheit bieten, einen Regierungswechsel für Nordrhein-Westfalen herbeizuführen, den sich viele Menschen gewünscht haben."

Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass die nordrhein-westfälische Sozialdemokratie das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte in diesem bevölkerungsreichsten Bundesland eingefahren hat, das einst unter Johannes Rau und Friedel Neuber landes- wie finanzpolitisch fest in der Hand der "Roten" war.

Kühnerts Realitätsverweigerung erinnerte unwillkürlich an den Auftritt von Ex-Kanzler Gerhard Schröder in der Elefantenrunde nach der Bundestagswahl 2005, als er sich angesichts seiner Niederlage "stolz" zeigte "auf meine Partei, auf die Menschen, die mich unterstützt haben, die uns gewählt haben und die uns ein Ergebnis beschert haben, das eindeutig ist. Jedenfalls eindeutig, dass niemand außer mir in der Lage ist, eine stabile Regierung zu stellen. Niemand außer mir."

Viele Medien gingen gestern gnädig über Kühnerts Kommentar hinweg und stellten Wahlgewinner Hendrik Wüst von der CDU ins Zentrum ihrer Berichterstattung. Der 47-Jährige hat die Christdemokraten mit einem leichten Zugewinn von knapp drei Prozent in eine gute Position gebracht.

Eine bundespolitische Stärkung bedeutet dieser Sieg der NRW-CDU aber nur bedingt. Zwar übte Wüst den politischen Schulterschluss mit dem CDU-Bundesvorsitzenden Fridrich Merz. Im Grunde genommen aber ist der alte und wohl auch neue Ministerpräsident in Düsseldorf mit seinem merkelesk-flexiblen Kurs ein Gegenpart zu Merz, der auf Abgrenzung zum Mitte-links-Lager und konservative Profilierung setzt.

Das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westphalen dürfte eine bundesweit kohärente Neuausrichtung der Union daher erschweren. Zumal schon in Schleswig-Holstein mit Daniel Günther ein ausgemachter Anti-Merz für die CDU gewonnen hat.

Ein Nebeneffekt der Weichwaschung der CDU in den Ländern ist zunehmende Angleichung zur Programmatik der SPD, die seit Schröders Zeiten ihrerseits die "Mitte" in Visier genommen hat. Dieser Trend hatte schon früher zum Niedergang der Volksparteien beigetragen.

Es war daher nicht "besonders fies", sondern journalistische goldrichtig, dass die WDR-Moderatorinnen des TV-Duells zwischen Wüst und Kutschaty, Ellen Ehni und Gabi Ludwig, die beiden Politiker Forderungen im SPD- oder CDU-Wahlprogramm einordnen ließen.

Die Formulierungen und Ziele waren einander so ähnlich, dass beide mehr jeweils als einmal falsch lagen. Beim Zuschauer blieb die naheliegende Frage: Warum soll ich dann den einen oder den anderen wählen?

Größere Umbrüche deutet auch der ungebrochene Durchmarsch der Grünen an. Seit Einritt in die Bundesregierung und verstärkt seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine haben sie eine Reihe zentraler Positionen fallengelassen. Freiheit für Julian Assange= Geschenkt! Abkehr von Kohle und Gas? Morgen! Zurückhaltung bei Rüstungsexporten? Nicht jetzt!

Den Grünen scheint – anders als den in den in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Linken – das Rebranding zu gelingen. Allerdings nur unter den bisher einigermaßen guten Bedingungen. Sollten sich die wirtschaftlichen Probleme angesichts von Außenhandels-, Lieferketten-, Energie-, Sicherheits- und Arbeitsplatzkrise verschärfen, werden sich nicht nur die Raffineriearbeiter im brandenburgischen Schwedt "vergackeiert" vorkommen.

Mit dem Höhenflug der Grünen dürfte es dann vorbei sein.