Wahlen in Madrid: Ultra-Beben mit Folgen für ganz Spanien

Wahlsiegerin Ayuso. Foto: Populares de Madrid/CC BY 2.0

Rechte-Ultrarechte fährt Sieg bei Regionalwahlen mit Rekordbeteiligung ein. Auch die spanische Linksregierung ist damit schwer angeschlagen

Die vorgezogenen Regionalwahlen in der Hauptstadtregion Madrid werfen wie erwartet lange Schatten auf ganz Spanien. Der klare Wahlsieg der ultrakonservativen Volkspartei (PP), die weiter an den ultrarechten Rand gerückt ist - aus deren eigenen Reihen kommt die Selbstbezeichnung "Faschisten" -, wird Auswirkungen auf die Zukunft des Landes haben.

Der deutliche Sieg der Spitzenkandidatin Isabel Díaz Ayuso, die auch die "Marine Le Pen Spaniens" genannt wird, hat schon in der Wahlnacht mit dem Podemos-Chef Pablo Iglesias ein prominentes Opfer mit nationaler Bedeutung produziert. Iglesias will sich nach seiner Wahlschlappe ganz aus der Politik zurückziehen.

Er hatte sogar seinen Posten als Vize-Ministerpräsident und Sozialminister in der spanischen Regierung geräumt, um in der Hauptstadtregion der "Gefahr für die Demokratie durch eine neue Rechte à la Trump" zu trotzen. Er ist mit seiner Linkskoalition "Unidas Podemos (UP) aber gescheitert.

"Wir haben versagt"

Zwar hat es Iglesias geschafft, die UP über die Hürde von fünf Prozent zu heben, was vor seiner Kandidatur unsicher war, aber gut sieben Prozent und nur fünfstärkste Kraft - das zeigt ein klares Scheitern. Iglesias gestand die Niederlage seiner Partei ein und kündigte seinen kompletten Rückzug aus allen Ämtern an.

"Wir haben versagt", bekannte er vor seinen Vertrauten. Er räumte ein, dass offensichtlich sei, dass er "nichts dazu beitrage", die Menschen zu vereinen. "Ich bin nicht die Person, die dazu beitragen kann, dass sich diese politische Kraft konsolidiert." Man habe ihn zum "Sündenbock" gestempelt, "der das Schlimmste bei denen mobilisiert, die die Demokratie hassen", erklärte er mit Blick auf die "Todesurteile" für ihn und seine Familie.

Seine Kandidatur hat vor allem Ayuso genutzt, die mit Blick auf die Geschichte von Iglesias vor einem "Kommunismus" gewarnt hatte. Sie schwang dagegen die Fahne der "Freiheit".

Obwohl Ayuso die Wahlen auf einen Dienstag gelegt hatte, wurde eine Rekordbeteiligung von mehr als 76 Prozent registriert. Das erhöht üblicherweise die Chancen der Linken, weshalb angesichts der Beteiligungen neue Hoffnungen aufkeimten.

Offenbar wurde aber, dass es vor allem der Rechten gelungen ist, die Wähler und Wählerinnen gegen Iglesias zu mobilisieren. Ayuso hat zwar kein Rekordergebnis erreicht und mit fast 45 Prozent und 65 Sitzen die absolute Mehrheit von 69 Sitzen verfehlt, die sie insgeheim anstrebte, aber ihre PP wurde wieder stärkste Kraft in der Region. Die 2019 abgestürzte Partei hat ihren Stimmenanteil nun wieder verdoppelt.

Ayuso und die Ultrarechte

Die Frau, die auch als "Trump Kastiliens" bezeichnet wird, hat ein weiteres für sie wichtiges Ziel erreicht. Sie hat den bisherigen starken Koalitionspartner Ciudadanos (Cs) komplett geschluckt. Die rechts-neoliberale Partei kommt mit 3,5 Prozent nicht wieder ins Parlament. Die sich ohnehin in Auflösung befindliche Schwesterpartei der FDP, von der immer mehr Kader wieder in die PP zurückkehren, kam noch vor zwei Jahren auf 19,5 Prozent und 26 Sitze.

Mit ihrem Ultra-Diskurs hat Ayuso für die CDU-Schwesterpartei aber auch verhindert, dass die ultrarechte Abspaltung von der PP, die Vox-Partei, in Madrid weiterwachsen konnte. Sie präsentiert sich, ähnlich wie Le Pen, als modernes Gesicht am rechten Rand. Sie stellt sich, ebenfalls wie Le Pen in Frankreich und anders als die im Nationalkatholizismus verankerte Vox, zum Beispiel auch nicht frontal gegen Abtreibungen.

Vox hat deshalb hat nur leicht zugelegt und kam auf knapp über neun Prozent. Die offenen Anhänger der Franco-Diktatur werden dafür mit einem zusätzlichen Sitz belohnt und kommen nun auf 13 Abgeordnetensitze.

Die PP in Madrid ist weiterhin auf die Vox-Unterstützung angewiesen, auf die ihre bisherige Koalition mit den Cs bereits zurückgegriffen hatte. Die rechten Ultras haben schon in der Wahlnacht erklärt, sie sofort zu wählen und dafür keine Teilnahme an der Regierung gefordert. Eine solche hatte Ayuso Vox vor den Wahlen angeboten. Die vom Ergebnis enttäuschte Vox-Partei erklärte, sie habe den "kommunistischen Angriff auf Madrid" abgewehrt. Sie will nun durchsetzen, dass ihre Ideen weiterhin "respektiert" werden.

Ayuso hat auch ihren Führungsanspruch gegenüber dem PP-Chef Pablo Casado gestärkt, der bisher nur Wahlniederlagen einstecken musste. Sie hat mit ihrem Annäherungskurs an die rechten Ultras allein mehr Stimmen in der Hauptstadtregion erhalten als alle drei Linksparteien zusammen und das bei dieser Rekordwahlbeteiligung.

Ihr Modell, sich wieder zurück in die Vergangenheit der PP zu bewegen, die von Mitgliedern der Franco-Diktatur gegründet wurde, war erfolgreich. Das gilt zumindest in der wichtigen Hauptstadtregion, wo sich die ökonomische, finanzkapitalistische und mediale Macht des Landes konzentriert.

Die Sozialdemokraten und der Langweiler

Die sozialdemokratische Zentralregierung unter Pedro Sánchez wurde nicht nur durch den Abgang von Iglesias massiv geschwächt, sondern auch dadurch, dass dessen "Sozialisten" (PSOE) unter Ángel Gabilondo das historisch schlechteste Ergebnis in der Region eingefahren haben. Der Mann, der sich selbst als "langweilig" bezeichnet und noch vor zwei Jahren die Wahlen gewann, war die absolute Fehlbesetzung, da er als Stimme der Opposition seit vielen Monaten im Lockdown war.

Er hat Ayuso über die starken parteinahen Medien wie z.B. El País nicht einmal die zahllosen Korruptionsskandale der PP, die man gerichtsfest als Korruptionspartei bezeichnen darf, unter die Nase gerieben.

Er hat auch das fatal tödliche Coronavirus-Krisenmanagement kaum thematisiert und politisch nicht zum Angriff ausgenutzt, dass die Ayuso-Regierung Tausende alte Menschen in oft privatisierten Altenheimen schlicht sterben ließ und dabei wusste, was sie tat, wie interne Dokumente belegen. Madrid ist die Region mit der höchsten Sterblichkeit im Land und nimmt auch weltweit einen Spitzenplatz ein. Dass die PP illegal sogar versuchte Tausende Sozialwohnungen "an Geierfonds zu verscherbeln", machte der "Langweiler" ebenfalls nicht zu einem Wahlkampfthema.

Das Ergebnis dieser Politik ist, dass die PSOE von gut 27 Prozent bei den Regionalwahlen auf nur noch knapp 17 Prozent abgestürzt ist und damit hinter Más Madrid (Mehr Madrid) nur mehr auf den dritten Rang kommt. Der einstige Partner von Podemos, angeführt unter anderem von dessen ehemaligen Freund Íñigo Errejón, kam auf gut 17 Prozent. Ein deutlich besseres Ergebnis wurde durch die erratische Kampfkandidatur von Iglesias verhindert, der den Erfolg des Duos kaputt machte.

Die Ärztin Mónica García

Für Más Madrid hatte die Ärztin Mónica García kandidiert. Die Anästhesistin war im Regionalparlamentarierin bisher die Stimme der Opposition und wurde dafür belohnt. Sie hatte ihren Job während der Parlamentstätigkeit nicht aufgegeben und rieb Ayuso deren tödliche Politik immer wieder unter die Nase. Allerdings fehlte Más Madrid eine durchschlagende Struktur und Aufmerksamkeit in den Medien, die in Spanien sehr stark an Parteien gebunden sind.

Sie hat aber geschickt versucht, sich nicht zu links zu verorten, um breite Wählerschichten anzusprechen. Und sie hat damit letztlich das Konzept umgesetzt, das einst Podemos Wahlerfolge bescherte. Auch Gárcia hatte klargestellt, dass in ihren Augen die "Rechte seit langem im Konflikt mit der Demokratie liegt" und dass deren Politik darauf aufbaue, die zu stigmatisieren, die anders sind, vor allem die schwächer sind.

Gegen die "Freiheit" von Ayuso, die es der Mehrheit in der Hauptstadtregion trotz hoher Corona-Inzidenz ermöglicht, bis um 23 Uhr in die Kneipe oder ins Restaurant zu gehen, kam sie aber nicht an.