Warum Biokraftstoffe kein Irrweg sind
Seite 4: Integrierte Konzepte statt eindimensionalem Schwarz-Weiß-Denken
- Warum Biokraftstoffe kein Irrweg sind
- Keine Energieunabhängigkeit von Russland ohne Biokraftstoffe
- Kein "Teller-Tank-Konflikt"
- Integrierte Konzepte statt eindimensionalem Schwarz-Weiß-Denken
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Zur Bewältigung komplexer Krisen wie der Ukraine- oder der Klimakrise sind ebenso komplexe und vernetzte Denk- und Lösungsansätze notwendig. Dies verlangt integrierte Konzepte, die Energie, Nahrung, Biodiversität und Klima gemeinsam denken – und zwar Sektor gekoppelt über Strom, Mobilität und Wärme hinweg.
Die Regierungspartei Bündnis90/Die Grünen hat mit Landwirtschaft, Umwelt und Wirtschaft alle hierzu nötigen Ministerien in einer Hand. Die Chance für eine ganzheitliche Lösung wird jedoch bisher vertan, da statt einer innovativen Verknüpfung differenzierter Ansätze alle grünen Ministerien einschließlich der Entwicklungshilfe die komplexe Anforderung auf das eindimensionale populistische Teller-Tank-Argument herunterbrechen.
Dies wiegt besonders schwer, wenn weitaus effektivere, nachhaltige Maßnahmen zur Hungerbekämpfung nicht ergriffen werden. Die schnellste Maßnahme zur Eindämmung von Hunger wäre beispielsweise ein Regierungsprogramm, das in Deutschland die jährliche Entsorgung von ca. 12 Millionen Tonnen Lebensmitteln entlang der Wertschöpfungskette verhindert. Dies entspricht einer potenziellen Einsparung einer Anbaufläche von 2,5 Millionen Hektar und somit dem 7-Fachen des deutschen Rapsanbaus für Biokraftstoff.
Mit heimischer Landwirtschaft zu Energie- und Lebensmittelautarkie
Deutschland und die EU befinden sich bezüglich der Sicherheit von Energie und Nahrung in einer fatalen doppelten Ausnahmesituation. Letztendlich hat die Bundesregierung derzeit zwei selbst geschaffene Ölkrisen zu bewältigen – eine fossile Krise und eine Palmöl- und Proteinkrise.
Es passt daher nicht in die Zeit, dass regional erzeugte Biokraftstoffe und Proteine als tragende Säule zur Reduktion von CO2 sowie zur Sicherung der Energie- und Nahrungsmittelunabhängigkeit abgeschafft werden sollen.
Die abhanden gekommene Souveränität Deutschlands im Bereich der Energie wie auch der Nahrung ist nachhaltig nur wieder herstellbar, wenn fossile Energie aus Russland und Palmöl und Soja aus dem Regenwald durch heimische Produkte ersetzt werden. Wie man Krankenhäuser mit Notstrom versorgt, sollte sich eine Gesellschaft auch die Sicherheit einer energieautarken Landwirtschaft leisten.
Eine sich mit Energie und Protein selbst versorgende, kohlenstoffsenkende Landwirtschaft, die durch Geschlossenheit von Stoff- und Energiekreisläufen nicht im Gegensatz sondern im Einklang mit dem Naturschutz steht, ist dabei ein in der Fruchtfolge zwar begrenzter, aber wichtiger Baustein, um Klimawandel, zerbrochene Lieferketten und nationale Abhängigkeiten zu überwinden.
Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.