Warum CO2-Verpressung eine Scheinlösung ist
Energie und Klima – kompakt: Unter die Erde und Meere Kohlendioxid einlagern: Eine perfekte Lösung für die Hochemittenten. Der Haken: Sie ist technisch kaum erprobt, extrem teuer und risikohaft. Zudem gibt es Alternativen. Ein Kommentar.
Die Menschheit soll der Atmosphäre CO2 entziehen, um das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu beschränken und idealerweise auf 1,5 Grad, zu erreichen, so der Vorschlag einiger Wissenschaftler:innen.
Dafür, dass die 1,5 Grad unbedingt eingehalten und auch nicht kurzfristig überschritten werden sollen, spricht viel, ein Überschreiten der Kipppunkte im Klimasystem ist tunlichst zu vermeiden. Wahrscheinlich wird es auch notwendig sein, der Atmosphäre wieder CO2 zu entziehen, immerhin gleicht die heutige CO2-Konzentration der im Erdzeitalter des Pliozäns, also vor drei bis fünf Millionen Jahren, in dem der Meeresspiegel um 15 bis 20 Metern über dem heutigen lag.
Dass die Studie "The State of Carbon Dioxide Removal" (CDR) dabei insbesondere auf neuartige Technologien der CO2-Entnahme abzielt, die bislang wenig effizient und dafür risikobehaftet sind, leuchtet nicht ein. Aufforstung ist zwar nicht unbegrenzt möglich, aber es gibt noch viel Potenzial. Erhebliche Potenziale stecken auch in der Wiedervernässung von Mooren.
Um das im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarte 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, müssen bis 2050 die globalen Netto-Emissionen auf null gesenkt werden. Dafür werden insbesondere auch intakte Moore als Senken benötigt. In Zahlen und Fläche bedeutet das: Die Europäische Union muss 500.000 Hektar pro Jahr wiedervernässen, weltweit müssen zwei Millionen Hektar pro Jahr wiedervernässt werden,
… erklärte Imme Scholz, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung bei der Vorstellung des aktuellen Mooratlas.
Auch die Vernässung von Mooren kostet Geld, Geld, das aber am Ende effektiver angelegt sein könnte als für den Aufbau einer CO2-Entnahmeindustrie. Hier wurde in der oben genannten Studie von den Wissenschaftlern mehr öffentliche Unterstützung gefordert.
In einer Zeit, in der sich fossile Konzerne als Sponsoren der Weltklimakonferenzen grün waschen, sollte aber ein Blick darauf geworfen werden, wer ein Interesse daran haben könnte, das Thema der technischen CO2-Entnahme auf die Agenda zu setzen. Mindestens ein Geldgeber der Studie ist bemerkenswert, nämlich die Bank of America, die laut Einträgen bei BankTrack noch immer die Expansion fossiler Energien finanziert, etwa Projekte des Energieriesen ExxonMobil.
ExxonMobil wiederum hatte bereits Ende der 1970er Jahre recht genaue Erkenntnisse über das bevorstehende Ausmaß der globalen Erwärmung durch die Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre, wie in einer kürzlich im Fachjournal "Science" veröffentlichten Studie belegt wird. Trotzdem hat ExxonMobil die Öffentlichkeit nicht informiert und sein fossiles Geschäft immer weiter ausgebaut.
CDR: 725.000 Euro Kosten für Jahresemissionen einer Superjacht
Nun, die Studie zu CO2-Entnahmetechniken wurde immerhin nicht von ExxonMobil mitfinanziert. Aber auch der Bank of America, die gleichzeitig mit ihrer Finanzpolitik die Einhaltung der Klimaziele sabotiert, dürften nicht die besten Absichten unterstellt werden.
Wie hier beschrieben, kann die größte existierende Anlage für Direct Air Capture (DAC) auf Island der Atmosphäre 4.000 Tonnen CO2 im Jahr entziehen. Eine von 1.500 in der EU zugelassenen Superjachten stößt laut einem Bericht der Tagesschau pro Jahr durchschnittlich 725 Tonnen CO2 aus. Auf Island wird also so viel CO2 aus der Luft eingefangen, wie 5,5 Superjachten emittieren.
Die Besitzer:innen der Superjachten zahlen auf ihre Emissionen in der Regel übrigens keine Abgaben. Eine Tonne CO2 per DAC einzufangen, kostet momentan zwischen 800 und 1000 Euro. Die durchschnittlichen Jahresemissionen einer Superjacht könnten also für bis zu 725.000 Euro wieder eingefangen werden, nach heutigem Stand würden die Jachtbesitzer:innen aber keinen Cent dazu bezahlen.
Solange Superreiche ungehindert und nicht einmal mit CO2-Steuern belegt gigantische Mengen an Treibhausgasen mit privaten Jachten und Flugzeugen ausstoßen dürfen, ist es nicht zu rechtfertigen, dass öffentliche Gelder in Projekte gesteckt werden, die im Kampf gegen den Klimawandel nicht einmal einen Tropfen auf den heißen Stein darstellen.
Nebenbei bemerkt dürften einige der europäischen Jachtbesitzer:innen ihr Vermögen auch mit dem Verkauf fossiler Brennstoffe gemacht haben. Jedenfalls wären hohe Vermögenssteuern sowie hohe Steuern auf einen exzessiven Ausstoß von Treibhausgasen eher geeignet, die Klimaerwärmung einzudämmen als ein paar Pilotprojekte neuer Technologien, die noch in den Kinderschuhen stecken.
Vor dem Hintergrund erscheint der Vorschlag des Klimaforschers Hans-Joachim Schellnhuber in der Sendung Panorama, jedem Menschen auf der Erde ein persönliches Budget von drei Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr zuzugestehen verlockend, ein geradezu radikaler Ansatz für Klimaschutz und Gerechtigkeit. Wenn da nicht Schellnhubers Nebensatz wäre: "Aber wer mehr braucht, muss es sich eben einkaufen."
Das allerdings ist bei der derzeitigen Vermögensverteilung auf dem Planeten alles andere als gerecht, vor allem, wenn man bedenkt, dass viele der angehäuften Milliarden aus der vergangenen Ausbeutung fossiler Ressourcen stammen dürften.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.