Warum Wasserstoff als Erdgas-Ersatz ein Märchen ist
- Warum Wasserstoff als Erdgas-Ersatz ein Märchen ist
- Warum Wasserstoff keine Lösung für die Heizung zuhause ist
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Zu teuer - Die Idee, mit Strom aus Erneuerbaren Energien Wasserstoff zu erzeugen und diesen über umgerüstete Erdgaspipelines als Heizgas zu nutzen, fasziniert nur auf den ersten Blick. Worauf die Politik achten muss.
Die per Nord Stream erfolgten Erdgaslieferungen aus Russland zu ersetzen, erweist sich zunehmend als ein kaum zu bewältigendes Unterfangen. So leiden die Lieferungen als Flüssiggas (LNG) unter den begrenzten Verflüssigungskapazitäten in den Ursprungsländern, der beschränkten Schiffskapaziät und unter physikalischen Problemen bei der Regasifizierung in Deutschland oder der mangelnden Vernetzung in Europa.
Deshalb kann kaum regasifiziertes Gas von der iberischen Halbinsel nach Nordeuropa fließen, wo sich ein Drittel der Regasifizierungskapazität Europas befindet. Das ist auch ein Flaschenhals für möglichen "grünen" Wasserstoff, der irgendwann einmal aus Marokko nach Europa fließen soll.
Schiffslieferungen können keine Lösung sein, da für die Entladung eines LNG-Frachters und die Regasifizierung auf den angemieteten Schiffen jeweils etwa zwei Wochen benötigt werden. Damit kann gerade mal der deutsche Gasbedarf von einem Tag gedeckt werden. Dass es jetzt auch bei der Produktion von Rohrbögen, die für den Anschluss an das bestehende Pipelinenetz benötigt werden, zu Engpässen kommt, verwundert wenig.
Wenig überraschend ist auch, dass man inzwischen eine Idee wieder aufnimmt, die schon vor den Lieferverträgen mit Russland diskutiert worden war, dann aber wieder auf Eis gelegt wurde, weil die Herausforderungen die damalige Investititionsbereitschaft überstiegen. Anders als oft angenommen, lässt sich Wasserstoff nämlich nur zu einem kleinen Anteil in das bestehende Erdgaspipelinenetz einspeisen.
Man kann in Deutschland Wasserstoff nur als maximal 23-prozentige Beimischung einsetzen. Dies kann vorab mit dem Prüfgas G222 nach DIN EN 437 überprüft werden, das 23 Prozent Wasserstoff enthält. Der im Frühjahr 2019 gestartete Testlauf in einem Netzabschnitt der Avacon in Sachsen-Anhalt beteiligte rund 340 Gaskunden der Modellregion Fläming, deren Kundenanlagen ab Herbst 2020 auf ihren ordnungsgemäßen Zustand überprüft wurden.
Ein Jahr darauf startete die stufenweise Beimischung von bis zu 20 Prozent Wasserstoff für die Heizperiode 2021/22. Im Herbst 2022 startet für die Heizperiode 2022/23 eine zweite Beimischphase über einen Zeitraum von acht Wochen. Nach einer Auswertung der Ergebnisse ist das Projekt abgeschlossen. Der Gesamtzeitraum beträgt somit vier Jahre, der tatsächliche Testzeitraum der Beimischung beträgt zwei Jahre.
Da es sich um ein zeitlich befristetes Projekt handelt und der Fokus des Projektes auf den Netzkomponenten lag, wurde kein Wasserstoff eingesetzt, der mithilfe Erneuerbarer Energien erzeugt wurde. Stattdessen wurde sondern sogenannter grauer Wasserstoff eingesetzt, der per Flaschenwagen geliefert wurde. "Grauer Wasserstoff" entsteht durch Dampfreformierung fossiler Brennstoffe wie Erdgas oder Kohle.
Pro gewonnener Tonne Wasserstoff entstehen gleichzeitig zehn Tonnen CO2, sodass sich grauer Wasserstoff klimaschädlich auswirkt.
Ein meist nicht beachtetes Problem in der Wasserstoff-Diskussion ist, dass sich die bestehenden Gasnetze nicht dazu eignen, größere Menge Wasserstoff einzuspeisen. So hatte sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags schon in der Vergangenheit mit der Frage befasst. Er kommt dabei zum Ergebnis, dass in die Gasnetze zwar "Methan in unbegrenzter Menge" eingeleitet werden könne. Aber:
"Bei Wasserstoff, der mittels Elektrolyse erzeugt wurde, liegen die Grenzen derzeit bei 1-10 Volumenprozent", so die Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags.
Ein in der Materialforschung allgemein bekanntes Problem ist nämlich, dass Wasserstoff zur Versprödung der Metalle führt. Viele der derzeit verbauten Rohrleitungsstähle reagieren auf den Kontakt mit Wasserstoff, indem sich die Bruchdehnung deutlich verringert und sich eine Wasserstoffsprödigkeit einstellt.
Die Versprödung entsteht "durch das Eindringen und die Einlagerung von Wasserstoff in ihr Metallgitter" und diese "Korrosion ähnelt einer Materialermüdung - in der Folge kommt es zu wasserstoffinduzierter Rissbildung, womit insbesondere der Einsatz anfälliger Materialien zur Wasserstoffspeicherung begrenzt wird."
So ist beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags zu lesen:
Beispielsweise ist im Verkehrssektor zu beachten, dass Erdgas als Kraftstoff keinen höheren Wasserstoffanteil als zwei Vol.-% enthalten darf, da es bei höheren Konzentrationen zu einer Versprödung der Stahltanks von CNG-Fahrzeugen kommen kann.
Verwiesen wird auch auf das Umweltbundesamt (UBA). Das UBA wird folgendermaßen zitiert:
Welche Rolle Wasserstoff künftig im Gesamtsystem spielen soll, ist noch weitgehend unklar. Weder ist geklärt, inwieweit eine erhöhte Beimischung von Wasserstoff in die bestehenden Gasnetze angestrebt werden soll, noch, ob und in welchem Umfang Wasserstoffnetze durch Neuaufbau oder Umwidmung bestehender Netze benötigt werden.
Umweltbundesamt
Klar ist, dass für eine "erhöhte Beimischung als auch Neuaufbau und Umwidmung von Netzen in substantiellem Umfang enorme Transformationsbedarfe" entstehen und diese "ziehen sie sich potenziell über Jahrzehnte hin."
Wasserstoff-Pipelines in Deutschland
Die bestehende Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland dient nicht zur Versorgung mit Heizgas. Die längste Wasserstoff-Pipeline hierzulande wird vom Industriegas-Konzern Air Liquide im Ruhrgebiet betrieben.
Das Netz erstreckt sich vom Ausgangspunkt im Chemiepark Marl nach Castrop-Rauxel und Leverkusen auf einer Länge von insgesamt 240 Kilometern. Auch im sogenannten Mitteldeutschen Chemiedreieck um die Standorte Bitterfeld, Schkopau und Leuna gibt es mit 3,6 Milliarden m³/a einen besonders hohen Bedarf an Wasserstoff und daher ein spezielles Wasserstoffnetz.
Die ebenfalls von Linde betriebenen Wasserstoff-Pipelines in der Region haben eine Gesamtlänge von 150 Kilometern. Eine dritte mit 30 Kilometern deutlich kürzere Wasserstoffleitung gibt es in Schleswig-Holstein von der Raffinerie in Heide zum Chemcoast Park in Brunsbüttel.
Neben dem Transport per Pipeline ist inzwischen auch der Wasserstofftransport mit Kesselwagen der Bahn von Antwerpen-Bruges nach Duisburg im Gespräch.
Das ließe sich schneller realisieren als der Bau neuer Pipelines oder die Umrüstung bestehender Rohrleitungen. Wie lange die Umrüstung eines Erdgasnetzes dauert, sieht man an der laufenden Umstellung von L- auf H-Gas, die deutlich weniger herausfordernd ist als die Umrüstung von Erdgas auf Wasserstoff.
Da es bis auf Weiteres einen Bahnfuhrpark für den Wasserstoffgastransport in der benötigten Zahl nicht gibt, will man hier über den Umweg über eine Trägersubstanz gehen, die einen Wasserstofftransport ohne Kompression ermöglicht.
Auch DB Cargo will entsprechende Dienste von deutschen Seehäfen ins Hinterland anbieten und hofft auf eine ähnliche Priorisierung gegenüber dem Personentransport, wie sie für die Kraftwerkskohle vorgesehen ist.
Mit einem Wasserstofftransport per Kesselwagen kann man jedoch höchstens Industriebetriebe wie Glasschmelzen retten, die dringend auf Gas angewiesen sind, weil sie sonst ihre Produktion einstellen müssen und ihre Produktionsanlagen zerstört sind.