Warum der Ukraine-Krieg in Russland immer weniger Leute interessiert
- Warum der Ukraine-Krieg in Russland immer weniger Leute interessiert
- Desinteresse ist keine Kriegsgegnerschaft
- Auf einer Seite lesen
Forscher sprechen von einem "militärischen Burnout". Der Ukrainekrieg verursacht in Russland kaum noch Emotionen. Was ist mit offener Gegnerschaft oder Friedenswunsch?
Die Messung der Stimmung der Bevölkerung Russlands ist aktuell keine einfache Sache, wie in jedem zunehmend totalitären System. Ruft zu Hause ein Fremder an, vor allem von einem staatlichen oder staatsnahen Umfrageinstitut, ist man nicht unbedingt geneigt, kritische Antworten zu geben.
Vor allem, wenn z.B. Antikriegsäußerungen unter Strafe stehen. Diesen Effekt bestätigt auch der bekannte Moskauer Soziologe Boris Kagarlizky, der für andere unbequemen Äußerungen jedoch ebenfalls inhaftiert wurde.
Doch die Soziologie ist mit den Änderungen der Verhältnisse in Russland nicht sinnlos geworden. Fragen etwa nach Emotionen oder Interessen, die für die Teilnehmenden weniger brisant klingen, werden durchaus ehrlich beantwortet.
Mit Lewada ist auch immer noch ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut in Russland bemüht, trotz der Atmosphäre im Land dort Stimmungen zutreffend zu messen. Das gelingt nicht immer.
"Die Menschen in Russland glauben, dass Umfragen vom Staat durchgeführt werden. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wer sie dort tatsächlich durchführt", glaubt der Moskauer Soziologe Grigori Judin in einem Interview mit dem Podcast "Revolver".
Im August erstmals mehrheitlich wenig bis gar nicht interessiert
Lewada erfasste bei seinen beiden letzten Monatsumfragen zum Ukrainekrieg neben einer mehrheitlichen Unterstützung des russischen Feldzugs vor allem eins: Desinteresse am Krieg. 51 Prozent der Befragten gaben im August 2023 an, dem Kriegsgeschehen nur noch wenig oder gar nicht zu folgen. Das war erstmals die Mehrheit der Bevölkerung seit Kriegsausbruch bei dieser monatlichen Befragung. Im September kletterte dieser Wert noch auf 52 Prozent.
Lesen Sie auch:
Globale Konflikte 2024: Wenn die Welt in Flammen steht
Neue US-Sanktionen gegen Gazprombank alarmieren Ungarn und Slowakei
SPD beendet Kanzlerstreit: Warum Scholz' Schwäche seine Stärke sein könnte
Atomwaffen und Klimawandel: Das doppelte Damoklesschwert
Nach Waffendeals mit Russland und Ukraine: Rheinmetall als Werbepartner in der Kritik
Das ist ein komplett anderes Bild im Vergleich zum ersten Kriegsjahr. So machte die Gruppe der wenig bis gar nicht an Konflikt gegen die Ukraine interessierten im März 2022 noch 35 Prozent der Menschen in Russland aus und hielt sich bis Jahresende etwa auf diesem Niveau (Dezember: 39 Prozent). Erst im Sommer 2023 ging es mit der Aufmerksamkeit der Russen merklich bergab.