Warum der Windrad-Ausbau in Deutschland verdreifacht werden muss

Windpark in Deutschland. Bild: Windwärts Energie / CC BY-NC-ND 2.0
Energie und Klima – kompakt: Der Ausbau der Windenergie an Land bleibt weit hinter den gesetzlichen Vorgaben zurück. Die Verbände fordern mehr Tempo. Hakt es am politischen Willen?
Der Ausbau der Windenergie an Land kommt wieder schneller voran, aber noch lange nicht schnell genug. Das Erreichen der von der Bundesregierung für 2030 anvisierten Ziele ist beim derzeitigen Tempo äußerst unwahrscheinlich.
Das ist das Fazit einer gemeinsamen Pressekonferenz des Bundesverbands Windenergie (BWE) und des Verbandes der Anlagenhersteller (VDMA Power Systems), auf der am gestrigen Mittwoch das erste Halbjahr 2023 bilanziert wurde.
Demnach wurden von Januar bis Juni 331 neue Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt 1.565 Megawatt (MW) errichtet, wie aus der Auswertung der Deutschen WindGuard hervorgeht. Die WindGuard ist ein großes Beratungsunternehmen, das regelmäßig für BWE und VDMA den deutschen Markt beobachtet und analysiert.
Gleichzeitig wurden 198 alte Anlagen mit einer Leistung von zusammen 239 Megawatt stillgelegt. Netto sind also 1.325 MW hinzugekommen. Insgesamt gibt es damit an Land inzwischen Windkraftanlagen mit einer elektrischen Leistung von knapp 60.000 MW oder 60 Gigawatt.
Meist wurden die abgebauten Anlagen durch neue ersetzt. Repowering nennt man den Vorgang. Insgesamt wurden in diesem Zusammenhang 80 Windräder mit einer Leistung von 396 MW errichtet. Die neuen Anlagen sind leistungsfähiger als die alten, die oft 20 Jahre oder länger gelaufen und daher aus der Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes herausgefallen sind.
Das ist inzwischen bei immerhin rund 7.000 Anlagen mit etwa 7.000 MW Leistung der Fall, so BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek. Derzeit ließen sich am Markt durchaus Preise erzielen, die den Betrieb auch ohne Förderung rentabel machen. Allerdings nutzen die neuen Anlagen die Flächen besser aus, weshalb ihr Verband das Repowering begrüßt und eine Beschleunigung wünscht.
Immerhin könnten in den nächsten Jahren Altanlagen mit einer Leistung von 18.000 MW ersetzt werden, wobei sich mit weniger Anlagen das Dreifache der Leistung erzielen ließe. Angesichts dessen, dass Flächen knapp seien, müsse das stärker gefördert werden.
Allerdings beklagt Heidebroek, dass die entsprechenden Genehmigungsverfahren zu langwierig seien, obwohl sie nach EU-Recht nur ein halbes Jahr dauern sollten. Auch an den diversen anderen Genehmigungsverfahren rund um die Errichtung neuer Windkraftanlagen gab es am Dienstag vor dem Hintergrund eines noch immer zu niedrigen Ausbautempos viel Kritik.
Nicht einmal zwei Windräder pro Tag
Vier bis fünf neue Windräder pro Tag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar versprochen, derzeit sind es allerdings nur 1,8. Der BWE rechnet dieses Jahr insgesamt mit 3.200 Megawatt neuer Windkraftleistung.
Das ist mehr als in den Vorjahren, aber immer noch viel zu wenig, wie BWE und VDMA übereinstimmend feststellen. Bis 2030 soll 80 Prozent des deutschen Strombedarfs mit erneuerbaren Energieträgern gedeckt werden. Daher sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Paragraf 4 vor, dass bis Ende 2024 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 69 Gigawatt stehen sollen.
Im nächsten Jahr müsste sich das Ausbautempo also noch einmal verdreifachen, was allerdings nicht abzusehen ist. So viele Anlagen sind in den letzten Jahren gar nicht durch die Genehmigungs- und Ausschreibungsverfahren gegangen, wie VDMA-Power-Systems-Geschäftsführer Dennis Rendschmidt anmerkt.
Auch in Hinblick auf das 80-Prozent-Ziel für 2030 ist er skeptisch, zumal der Strombedarf durch E-Autos, Wasserstoffproduktion und Wärmepumpen noch wachsen wird. Um diesen zu decken, gibt das EEG daher für 2030 115 GW Windkraftleistung an Land vor. Auch Solaranlagen und die Windkraft auf See sollen massiv ausgebaut werden.
Doch um die Ziele der Windkraft an Land zu erreichen, muss sich noch viel ändern. Sowohl Rendschmidt als auch Heidebroek beklagen, dass der Weg zur Errichtung einer neuen Windkraftanlage viel zu lang sei. Vom ersten Gutachten bis zur ersten ins Netz eingespeisten Kilowattstunde dauere es durchschnittlich sechs Jahre, so die BWE-Chefin. Die Genehmigungsverfahren haben sich in letzter Zeit trotz anderslautender Ankündigungen noch verlängert.
In den Behörden müsse es einen Wechsel in der Einstellung geben. Statt nach Gründen zu suchen, die gegen Anlagen sprechen, müsste mehr getan werden, entsprechende Projekt zu fördern. Nötig seien aber auch Vereinfachung der Prozesse in den Genehmigungsbehörden durch einheitliche Richtlinien und Ähnliches, wofür die Bundes- und Landesregierungen verantwortlich seien.
Rendschmidt macht zudem darauf aufmerksam, dass auch mit dem Baubeginn einer Anlage noch längst nicht alle Hindernisse beseitigt sind. Die großen Anlagen müssten über die Straßen transportiert werden, die nicht immer dafür geeignet sind. Vor allem bedarf es dafür aber Sondergenehmigung, auf die meist viele Wochen gewartet werden muss.
Standardisierung und eine digitale bundesweite Datenbank für Straßen, Brücken und ähnliches könnte den lokalen Behörden erheblich helfen und nicht nur viel Zeit, sondern auch Geld sparen.
Aber vielleicht fehlt es in manchem Bundesland auch einfach immer noch am politischen Willen. In Sachsen und Thüringen ging im vergangenen Jahr kein einziges neues Windrad in Betrieb.
In Sachsen nahm die Gesamtleistung durch den Abbau von Anlagen sogar ab. 38 Prozent des Zubaus entfiel hingegen auf das vergleichbar kleine Schleswig-Holstein, weitere 17 Prozent auf Niedersachsen und 13 Prozent auf Nordrhein-Westfalen. Die Anteile der übrigen Bundesländer bewegten sich im einstelligen Bereich.