Warum die Atomkriegsgefahr im neuen Kalten Krieg weiter eskaliert

Die Weltuntergangsuhr ("Doomsday Clock") wurde am 23. Januar 2024 auf 90 Sekunden vor Mitternacht gestellt. Bild: The Bulletin of the Atomic Scientists

Wir befinden uns 90 Sekunden vor Mitternacht, so die Weltuntergangsuhr. Der Ukraine-Krieg ist der zentrale nukleare Hotspot. Und was ist mit dem Nahen Osten?

"Bedrohliche Entwicklungen steuern die Welt weiterhin auf eine globale Katastrophe zu", warnen die Wissenschaftler des Bulletin of the Atomic Scientists am Dienstag. Wie schon im letzten Jahr stellten sie daher die sogenannte Doomsday Clock, die Weltuntergangsuhr, auf 90 Sekunden vor Mitternacht.

Die Forscher erklärten, dass sie zutiefst besorgt seien über den sich verschlimmernden Zustand der Welt.

Doomsday Clock: 90 Sekunden bis zum Ende

Seit ihrer Einführung im Jahr 1947 zeigt diese Uhr an, wie nahe sich die Menschheit vor der Zerstörung der Welt befindet. Sie wird seitdem von einer Forschergemeinschaft, die von Albert Einstein und Wissenschaftlern der University of Chicago gegründet wurde und in dessen Vorstand heute zehn Nobelpreisträger sitzen, jedes Jahr neu gestellt.

Ursprünglich wurde sie als Reaktion auf die Gefahr von Atomwaffen geschaffen, doch im Jahr 2024 spielen auch der Klimanotstand, biologische Bedrohungen und bahnbrechende Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) eine Rolle, wie nah der Zeiger der Uhr vor Mitternacht steht. Gestern hieß es in einer Erklärung:

Letztes Jahr haben wir unsere verstärkte Besorgnis zum Ausdruck gebracht, indem wir die Uhr auf 90 Sekunden vor Mitternacht gestellt haben – so nah wie nie zuvor an einer globalen Katastrophe –, und zwar zum großen Teil wegen der russischen Drohungen, im Krieg in der Ukraine, Atomwaffen einzusetzen.

Alarmierende Eskalation: Russlands Drohungen

Und diese Gefährdung sehen die Wissenschaftler weiter als gegeben an. Sie verweisen auf die Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Februar 2023, den neuen Vertrag zur Reduzierung strategischer Waffen (New Start) "auszusetzen".

Zugleich sei angekündigt worden, taktische Atomwaffen in Belarus zu stationieren. Im Juni habe Sergej Karaganow, ein Berater Putins, Moskau aufgefordert, begrenzte Atomschläge gegen Westeuropa in Betracht zu ziehen, um den Krieg in der Ukraine zu einem Ende zu bringen.

Ende Juli drohte der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew, derzeit stellvertretender Vorsitzender des nationalen Sicherheitsrates, mit einem Atomkrieg, falls die Gegenoffensive der Ukraine zur Abwehr russischer Invasoren und zur Rückgewinnung der von ihnen besetzten Gebiete erfolgreich sein sollte.

Nehmen wir einmal an, die von der Nato unterstützte Offensive wäre erfolgreich und sie würden einen Teil unseres Landes von uns abtrennen. Dann wären wir gezwungen, eine Atomwaffe gemäß der Verordnung des russischen Präsidenten einzusetzen.

Zunehmende Gefahr des nuklearen Weltenbrands

Weiter heißt es im Doomsday-Clock-Statement: "Im Oktober stimmte die russische Duma dafür, die Ratifizierung des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen durch Moskau zurückzuziehen, da sich der US-Senat weiterhin weigerte, die Ratifizierung auch nur zu erörtern."

Während in den 1990er-Jahren durch intensive multilaterale Gespräche 80 Prozent der strategischen Atomwaffen der Welt abgebaut wurden, droht nun wieder ein nukleares Wettrüsten. Der New-Start-Vertrag läuft 2026 aus, während bestehende Nuklearabkommen auf Eis gelegt oder ignoriert werden.

Auf die zunehmende Gefahr eines Atomkriegs verweisen auch Kritiker des US- und Nato-Kurses. Sie verlangen ein schnelles Ende des Krieges in Form von diplomatischen Anstrengungen und Verhandlungen. Dafür müsste der Westen unter Führung der Vereinigten Staaten jedoch Russland entgegenkommen in der Frage der Neutralität der Ukraine und einem Beitritt des Landes zum Nato-Militärbündnis eine Absage erteilen.