Warum grüne Marktwirtschaft keine Alternative zum Kapitalismus ist
Eine Replik zu Klaus Moeglings Beitrag "Fridays for Future: Perspektiven in Zeiten der Pandemie"
Im Warenkorb, und das ist tatsächlich wörtlich und nicht nur sarkastisch gemeint, gibt es eine Vielzahl von Angeboten und Ideen, um die Menschheit in eine lichte Zukunft führen zu können. Es ist für jeden etwas da, man kann sich das passende Programm aussuchen.
Klaus Moegling hat in seinem Artikel "Fridays for Future: Perspektiven in Zeiten der Pandemie" vom 29. Januar eine akzeptable Vorlage geboten, um Wege zu einer friedlichen und in Übereinstimmung mit der Natur lebenden menschlichen Gesellschaft zu diskutieren. Die da wären:
- Erstens der Weg, den der Marxismus bietet, der aber angeblich in Gewalt enden müsse und aus Prinzip abzulehnen sei.
- Zweitens die Hoffnung auf die Selbstheilung des Kapitalismus infolge der technologischen Entwicklung.
- Drittens eine schrittweise sozialökologische Transformation bestehender gesellschaftlicher Strukturen zu einer Form, die kein Kapitalismus mehr sei.
Die Variante der Selbstheilung schließt auch Moegling aus, da es "zahlreiche Systemfehler" gebe - etwa die Ausbeutung der Natur, soziale Ungerechtigkeit und das Profitstreben des militärisch-industriellen Komplexes.
Es braucht keine weiteren Überlegungen angesichts der aktuellen Entwicklung der Produktivkräfte unter der Ägide des Kapitals, um zu erkennen, dass die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu mehr ungehemmten Wachstum und Profit zwingen und damit die zerstörerische Entwicklung befeuern.
Widerlegte Vorurteile aufgefrischt
So kann Moegling der Jugendbewegung Fridays for Future nur die dritte Variante zur Rettung der Welt empfehlen. Allerdings steht dahinter ein sehr einfaches Vorurteil, welches die bürgerliche Theorie schon seit fast 100 Jahren verbreitet: Man redet von Marxismus, meint aber den Stalinismus als absolutistischen und autoritären Versuch einer Umsetzung sozialistischer Theorien. Dass sich heutzutage kein ernst zu nehmender Marxist mehr auf den Stalinismus bezieht, wird schnell übersehen: Es ist ja auch viel einfacher, alles in Bausch und Bogen in einen Topf zu werfen, dann muss man sich nicht mehr mit dem Original beschäftigen.
Es gibt offensichtlich gravierende Unterschiede zwischen den verschiedenen Varianten von Marxismus und den Erkenntnissen von Marx, weshalb diese propagandistische Gleichsetzung unzulässig ist.
Marx hat in seinem Lebenswerk, dem "Kapital", eine umfassende Analyse der kapitalistischen Produktionsweise geliefert, die in ihren Grundlagen noch heute gilt, da wir weiterhin mit dieser Produktionsweise leben, was auch die Entwicklung der Widersprüche am besten zeigt.
Er kam aus der Analyse des Kapitalismus zu dem Schluss, dass eine "freie Assoziation freier Produzenten" als Prinzip einer neuen, von kapitalistischen Widersprüchen freien Produktionsweise der realistische und "menschlichere" Weg sei.
Von Gesellschaftswissenschaftlern, die den Marxismus gegen Marx ins Feld führen, kann man erwarten, dass sie sich mit den Arbeiten, die die Marxsche Werttheorie nachvollziehen überhaupt erst einmal auseinandersetzen. Das ist bisher nicht geschehen.
Die Marxsche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise
Es ist das Verdienst von Marx, die Grundlagen der inneren Verhältnisse der kapitalistischen Produktionsweise aufgedeckt zu haben. Das von Marx entdeckte Wesen jeglicher Warenproduktion, der Wert als bestimmendes Produktionsverhältnis, wirkt solange, wie die Bedürfnisse der Menschen über Warenverhältnisse und Marktwirtschaft realisiert werden.
Als realistische Alternative kann eine bedürfnisorientierte Produktionsweise nur dann entstehen, wenn sie nicht über den Wert und die Warengesetze reguliert wird. Es ist eine große Illusion der Marktwirtschaftler, dass man die Warenproduktion und das Wertgesetz über "Nachhaltigkeit" regulieren könnte. Produktionsweisen, die über das Wertgesetz reguliert werden, können ihren Maßstab, den Wert beziehungsweise den Preis, immer erst im Nachhinein am Markt feststellen.
Eine wirklich nachhaltige, weil bedürfnisorientierte Produktionsweise bedeutet im 21. Jahrhundert, schon vor der Produktion über entsprechende digitale Systeme festzustellen, welche Produkte gesellschaftlich notwendig sind und gebraucht werden - und in welchen Mengen. Dann ist die Arbeit von vornherein gesellschaftlich notwendig und daher nachhaltig.
Die Basisbeziehungen der Gesellschaft, die Produktionsverhältnisse stehen zur Veränderung an. Der Weg, den Marx anvisiert, liegt darin, dass Arbeitsprodukte als gesellschaftlich notwendige Güter produziert und verteilt werden und nicht als werthaltige Waren über den Austausch und den Markt veräußert werden.
Alternativen der dritten Variante
Veränderungen durch den gesellschaftlichen Überbau verspricht Moegling mit der dritten Variante. Demnach sollen eine "sozialökologisch orientierte Zivilbevölkerung und ihre institutionellen Kooperationspartner*innen" es richten, "sich örtlich, regional und global vernetzen und gemeinsam entsprechenden politischen Druck auf die Entscheidungsträger auf allen Ebenen ausüben" - um "die Kosten der Klimazerstörung aufgrund des systemimmanenten ungebremsten Wachstumsdenkens" senken "zu lassen". Was ist denn hier utopisch unrealistisch und was nicht?
Die Zivilbevölkerung als potentiellen Träger neuer Verhältnisse zu sehen, ist ja richtig. Aber "die Kosten", angeführt als Wertkategorie, belegen, dass die Grundlage dieser Kosten, der Wert, unangerührt bleiben soll. Was also soll die Zivilbevölkerung tun? - Den Staat zwingen, eine "sozialökologische Transformation" der Gesellschaft durchzuführen? - Wohin?
Letztendlich steckt dahinter eine naive Vorstellung vom Staat. Als Hauptinstrument der herrschenden Klasse, mit den Worten von Friedrich Engels als "ideeller Gesamtkapitalist" soll der Staat also den Kapitalismus abschaffen?
Er ist da, um dem Kapitalismus weiteren zeitlichen Kredit zu verschaffen und das macht er. Er kann so tun, als ob er Wachstum abschaffen will; auch das wird zur Zeit überlegt. Darin liegt der Sinn des "New Green Deals", dem diese Variante folgt. Aber er kann Wachstum als wesentliche Daseinsform des Kapitalismus nicht abschaffen und die Protagonisten wollen es auch nicht.
Selbst wenn er wollte, was jenseits der Realität liegt: Es fehlten ihm die Möglichkeiten. Kapitalgesetze sind nicht per Dekret aufzuheben und scheren sich den Teufel um irgendwelche juristischen Gesetze. Kapitalgesetze sind objektiv und können nur durch eine andere Produktionsweise außerhalb der Warenproduktion aufgehoben werden.
Versuche, demokratische Selbstverwaltung zu verhindern
Das wäre eine Aufgabe der "sozialökologisch orientierten Zivilbevölkerung": Projekte der Nichtwarenproduktion zu organisieren und den Staat zu zwingen, diese zu tolerieren. Das wird notwendig sein, denn einige kapitalistische Staaten gehen schon vorsorglich gegen rare und nur im Anfangsstadium vorhandene Projekte vor, die Elemente einer Nichtwarenproduktion bergen.
Die brutalen Angriffe auf die Projekte im syrisch-kurdischen Selbstverwaltungsgebiet Rojava sowohl von Seiten der Türkei als auch deren Gewährenlassen durch die syrische Zentralregierung und Russland, als auch die als "Kurden-Hilfe" getarnte Aufrüstung der Peschmerga, die offen gegen diese Projekte agieren, sind nicht zuletzt auf Verhinderung unkontrollierter Demokratie gerichtet. Und auch der US-Beistand für Rojava ist vergiftet.
Die Repressionen aller bisherigen spanischen Regierungen gegen die katalanischen Bewegungen seit 1939 waren immer auch auf die Verhinderung demokratischer Selbstverwaltung ausgerichtet. Ebenso sprechen die Maßnahmen des griechischen Staates gegen nichtwarenproduzierende Selbsthilfeorganisationen durch Steuererhebung trotz nicht vorhandener Warenproduktion für sich.
Verkennung der Kräfteverhältnisse
Auf dem von Moegling favorisierten dritten Weg sollen "Strukturen verändert" werden. Welche, das bleibt nebulös: "Eine Gesellschaft besteht aus funktional bestimmten Strukturen, in denen Herrschaft von Menschen über Menschen ausgeübt wird, welche durch Regeln bzw. Gesetze in ein bestimmtes Verhalten und Handeln im Interesse der gesellschaftlichen Funktionsbestimmung und der diese Strukturen Beherrschenden gezwungen werden sollen."
Eigentlich sind die Strukturen der Gesellschaft einfach zu fassen: Die wichtigste ist im Verhältnis von der Basis - also den Produktivkräften und Produktionsverhältnissen - zum Überbau, also Staat, Parteien, Organisationen, Theorien, Kultur und Religion zu verorten.
Dieses war hier aber nicht gemeint, denn dazu müssten Vertreter dieser dritten Variante die Abhängigkeit des Überbaus von der Basis anerkennen. Stattdessen verbreiten sie die Illusion, durch Druck auf ein Element des Überbaus eine Gesellschaft bekommen zu können, die "man dann auch nicht mehr als eine kapitalistische Gesellschaft bezeichnen" kann. Dies ist eine Verkennung der realen Kräfteverhältnisse, mit der sie Fridays for Future in die Sackgasse schicken würden.
Das Illusionäre offenbart eine einfache Frage: Wer erstellt zu diesen koordinierungsabhängigen Aktionen die gemeinsamen Programme und passt sie über Jahre der Lageentwicklung an, schickt sie zu wem, verbreitet sie nebst Forderungen in der Öffentlichkeit? - All das verweist auf hierarchische Strukturen. Wie lange soll das anhalten, ohne Widersprüche, die die Bewegung schwächen würden, aufkommen zu lassen? - Kämen die Akteure überhaupt an entscheidende Stellen, von denen sie die konventionellen Lobbyisten verdrängen müssten?
Inhaltlich geht es bei dieser Variante um "eine an nachhaltiger Entwicklung orientierte Analyse kompatibel mit einer systemischen Kritik am ungebremsten Kapitalismus". Was der zweiten Variante angekreidet wird - innerhalb des und aus dem Kapitalismus heraus dessen Umgestaltung zum Besseren sinnloser Weise betreiben zu wollen - ist in der dritten Variante Programm. Es soll nur der Kapitalismus gebremst werden. Auch Moegling vertritt die grüne Theorie, dass eine gemeinwohlorientierte Ökonomie, die widerspruchsfrei über Nachhaltigkeit funktioniert, innerhalb marktwirtschaftlicher Konzeptionen umsetzbar sei. Das ist die Quadratur des Kreises.
Skeptisch bleiben!
In einer Ökonomie, in der der Wert - und damit die gesellschaftliche Arbeit - sich erst nach dem Produktionsprozess auf dem Markt realisiert - oder auch nicht - und wo sich da erst der wirkliche Wert bestätigt - kann es keine echte Nachhaltigkeit geben. All diese Blütenträume sind letztendlich nur geeignet, Regierungsfähigkeit für die grüne Partei und ihre Politiker zu erreichen.
Um das absehen zu können, braucht man sich nur die Klimagipfel zur Brust nehmen. Die vielgepriesene Rückkehr der USA in das Pariser Abkommen erweist sich bei näherer Betrachtung als Rückkehr in das internationale Verrechnungssystem über den Emissionshandel, der keinerlei Wirkung aufs Klima haben kann und vor allem eine Stärkung für Großkonzerne und Finanzmächte abgibt, Beistand bei der Konzentration und Zentralisation des Kapitals. Fridays for Future wäre jedenfalls gut beraten, bei solchen Vorträgen skeptisch zu bleiben.
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