Warum pachtet Putin nicht einfach die Krim?

Seite 2: Endloser Krieg oder pragmatische Vernunft?

Beide Aneignungen von Territorien, ob nun Krim oder Guantanamo, sind widerrechtliche, letztlich kriminelle Akte. Der Anschluss der Krim an Russland verstößt gegen die UN-Charta und diverse Verträge, daran ändert auch ein Referendum nichts. Die Vereinnahmung Guantanamos wird andererseits nicht durch einen Pachtvertrag legitimiert, der unter militärischer Okkupation aufgezwungen wurde.

Doch während der Anschluss der Krim-Halbinsel an Russland eine Empörungswelle in den USA, Europa und den westlichen Medien auslöste, ist die Aneignung Guantanamos durch die USA der Presse bis heute so gut wie keine Zeile wert.

Die Linke-Fraktion im Bundestag hatte die Bundesregierung 2007 aufgefordert, ihren Einfluss geltend zu machen, um die USA zum Verlassen von Guantanamo zu bewegen. Diese Forderung fand keinerlei Echo, weder bei der Regierung noch in der Presse.

Lediglich als im Zuge einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in den USA 2004 der Rechtsstatus der Guantanamo-Gefangenen diskutiert wurde, verwiesen ein paar Artikel auf den Pachtvertrag. In der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) nannte man Guantanamo den "kuriose(n) Außenposten der USA auf Kuba", vergaß wie andere Medien aber zu erwähnen, dass dieser "Außenposten" widerrechtlich unter militärischem Zwang angeeignet wurde.

Bei einer Pressedatenabfrage von rund 160 überregionalen und regionalen Print- und Onlinemedien in Deutschland findet sich nur ein Artikel im Wirtschaftsmagazin Focus Money, der im Zuge der Krim-Anschluss an Russland auf den moralischen Doppelstandard des Westens und die völkerrechtlich "nicht ganz saubere" Guantanamo-Nutzung hinweist. Der damalige Chefredakteur Frank Pöpsel fragte ironisch in der Schlagzeile: "Warum pachtet Putin nicht die Krim?"

Der Vergleich Guantanamo mit der Krim ist zudem eher schmeichelhaft für die US-Besatzung. Denn anders als bei der Krim haben die USA keinerlei Anspruch auf Guantanamo. Die Krim ist hingegen historisch russisch geprägt. Sie bietet Russland darüber hinaus den einzigen Zugang zu einem nicht gefrierenden Warmwasser-Hafen.

Und wie schon erwähnt: Sewastopol hat eine wichtige militärstrategische Bedeutung für Russland, während der Angliederung der Krim eine Volksbefragung vorausging. Keine dieser Ansprüche können die USA im Fall Guantanamos geltend machen.

Natürlich hat die Ukraine alles recht, die Rückgabe der Krim zu verlangen. Aber sie militärisch zurückzuerobern, ist ein Rezept für einen endlosen Krieg mit atomarer Bedrohung. Diese Logik wird auch allgemein akzeptiert. Was wäre zum Beispiel, wenn Kuba, mit Rückdeckung von Russland und China, daran gehen würde, Guantanamo militärisch zurückzuerobern? Abgesehen davon, dass es unvorstellbar ist, ein suizidales Unterfangen.

Wie uns Medienberichte mitteilen (siehe oben), war sich die ukrainische Führung bei den Waffenstillstandsverhandlungen vor einem Jahr offensichtlich bewusst darüber, dass der Status der Krim erst mal auf Eis gelegt werden müsse, um die Lage zu beruhigen oder gar den Krieg zu beenden. Aus unterschiedlichen Quellen wissen wir zudem, dass der Westen über eine sich anbahnende Einigung mit Russland damals, um es moderat zu formulieren, nicht gerade erfreut gewesen ist und, wie Bennett zu Protokoll gibt, die Verhandlungen am Ende sabotierte.

Sicher, man kann nicht wissen, ob Russland es ernst meint mit Verhandlungen. Das wird man aber nur erfahren, wenn man es probiert. Die Krim-Rückgabe zur absoluten Bedingung für Verhandlungen zu machen, impliziert demgegenüber, dass die Ukraine mit Unterstützung des Westens einen absoluten militärischen Sieg über Russland erringen muss und Moskau nicht zu weiteren, auch atomaren Eskalationsschritten greift.

Wäre es da nicht besser, wie Pöpsel es in Hinsicht auf Guantanamo sagte, Putin würde gestattet, die Krim zu pachten? Wie es scheint, macht uns das im Westen weniger Probleme.