Warum sind die Taliban frauenfeindlich?

Seite 2: Der Elefant im Wohnzimmer

Die extreme Geschlechtertrennung ist mitverantwortlich für das größte Tabu ihrer Gesellschaft: männliche Homosexualität. Neben einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gleichgestellter Partner auch Missbrauch von Knaben und Jugendlichen durch erwachsene Männer. Nicht nur Einzelfälle, im Gegenteil. Das ist der Elefant, den niemand sehen will.

Der Sachverhalt hat weniger mit der Benachteiligung der Frauen zu tun, lässt aber Rückschlüsse darauf zu, wie die Männer – und die Taliban – ticken. Neben der Sprache Paschtu, der Organisation in Stämme, der rigiden Umsetzung des Purdah und dem Ehrenkodex Paschtunwali ist der Islam der fünfte Pfeiler der Kultur.

Die offizielle Haltung der Scharia zur Homosexualität ist wie in anderen Rechtsfragen nicht eindeutig. Die lokale Rechtsstradition dagegen lässt keinen Zweifel: Es ist haraam (arab: verboten), in jeder Form und kann mit dem Tod bestraft werden.

Nur Doppeldenken lässt die Paschtunen dieses Verbot mit der Realität in Einklang bringen. So können sie auch die Frauen radikal auszugrenzen und trotzdem das Bewusstsein haben, sie wie niemand sonst zu respektieren. Für sie beruht die Kritik auf einem Missverständnis.

Fazit

In allen Kulturen gib es Defizite und Widersprüche, die Paschtunen sollen nicht negativer als andere dargestellt werden. Anders als den Arabern in den reichen Golfstaaten fehlen ihnen jedoch die Ressourcen, um ihren archaischen Lebensstil weiterzuleben, sie stoßen mittlerweile an Grenzen.

Sie sind eines der ärmsten Völkern Asiens und um die Aussichten zu verbessern, muss – nicht nur aus moderner Sicht – die radikale Trennung der Geschlechter zumindest abgemildert werden. Sie bewirkt die soziale, ökonomische und rechtliche Benachteiligung der Frauen. Das rapide, nicht nachhaltige Wachstum der Bevölkerung ist ohne sie nicht einzudämmen und das wichtigste Werkzeug dazu ist Bildung. Letztendlich sind Yousafzais Initiativen wichtiger als Akrams Analyse.

Doch ihre Sicht der Dinge zeigt, wie weit der Weg ist, wenn selbst eine hochgebildete Frau den Grund für die Unterdrückung nicht wahrhaben will. Es muss sich noch viel ändern bei den PaschtunInnen. Genauso muss der Westen sein Verhältnis zu den Taliban überdenken. Ihre Kultur ist seit Jahrhunderten unverändert. Sie dafür verantwortlich zu machen und zu stigmatisieren, führt nirgendwo hin.