Was Sie zur Taurus-Debatte noch wissen sollten
… aber in der Debatte kaum eine Rolle spielt. Ein Kommentar zum skurrilen Streit um einen Marschflugkörper. Und über dessen potenzielle Verwendung.
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter kritisierte kürzlich im ZDF das Nein von Bundeskanzler Scholz zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine als "unverantwortlich". Seine Begründung: "Das ist eine Einladung an Putin, andere Länder anzugreifen …".
Mit Warnungen vor einem Eroberungskrieg Russlands – bis in die 1980er-Jahre die Sowjetunion – schürt die Militärlobby seit langem Ängste, um die Bevölkerung für sich zu gewinnen. Dieses Narrativ hat alle Weltkriege begleitet.
Anton Hofreiter und Boris Pistorius werben für die Kriegsfähigkeit Deutschlands: Das ZDF berichtete im Januar, B. Pistorius "hält einen Angriff Putins auf Nato-Gebiet für möglich. Man müsse die nächsten drei bis fünf Jahre nutzen, um sich zu wappnen".
Die Planspiele der Militärlobby betreffen einen Kontinent, der wie kein anderer in einem hohen Maße und dicht industrialisiert ist, u. a. mit Chemie- und Atomanlagen, die allein eine diplomatisch orientierte Politik im Sinne der Lebensinteressen der Menschen erzwingen müssen.
Atomkriegsgefahr
Der Bundeskanzler hat deutlich gemacht, dass mit der Lieferung von Taurus-Lenkwaffen die Gefahr wächst, dass der Konflikt zwischen der Nato und Russland um die Taurus-Raketen schnell zu einem größeren Krieg eskalieren kann. Dabei geht es auch um die Möglichkeit eines Atomkrieges "Auch Oberst a.D. Wolfgang Richter ist überzeugt, dass die Sorge vor einer Eskalation des Krieges der entscheidende Grund für Scholz Nein zur Taurus-Lieferung war."
Die weitreichenden Marschflugkörper könnten gegen Ziele von strategischer Bedeutung eingesetzt werden, etwa um russische Flugplätze im Hinterland anzugreifen, auf denen auch atomar bestückbare Bomber stationiert sind.
Taurus-Raketen sind zudem nicht nur Offensivwaffen, die mit konventionellen Sprengköpfen bestückt werden können, sie können auch nuklear bestückt werden.
Taurus und Kriegseinsatz
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk forderte der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev kürzlich, dass der Krieg gegen Russland gewonnen werden müsse. Er äußerte auch seine Ablehnung der Position von Bundeskanzler Olaf Scholz gegen die Taurus-Lieferung. Der Botschafter intervenierte auch an andere Stelle auf recht ungewöhnliche Weise, wie Telepolis heute berichtet.
Makeiev betonte, dass die Ukraine in der Lage sei, komplexe Waffensysteme ohne die Hilfe von Soldaten aus Nato-Staaten zu bedienen. Er widersprach damit Bundeskanzler Scholz, der die Unterstützung der Ukraine beim Taurus-Einsatz als notwendig dargestellt hatte.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte in einer solchen Unterstützung der ukrainischen Armee den Übergang zu einer Kriegsbeteiligung des Nato-Staates Deutschland gesehen:
... wenn neben der Lieferung von Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei oder die Ausbildung an solchen Waffen in Betracht käme, würde der gesicherte Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.
Die Taurus-Systeme sind mit ihrer Reichweite für Angriffe tief auf russischem Territorium geeignet. Und die Ukraine hat schon mehrfach bewiesen, dass sie vor der damit verbundenen Eskalationsgefahr nicht zurückschreckt. Auch deutsche Luftwaffengeneräle diskutierten in dem abgehörten Gespräch die Möglichkeit, mit Taurus russische Infrastruktur anzugreifen.
Streit um Taurus-Marschflugkörper
Im DLF-Interview widersprach Botschafter Makeiev nun auch dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich und dessen Verwendung des Begriffs "Einfrieren". Dies, so Makeiev, würde eine passive Duldung des Völkermordes bedeuten.
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Der Diplomat erhebt hier den Vorwurf des Völkermordes und fordert statt diplomatischer Initiativen die Lieferung von Waffen, wie Taurus, die eine unkontrollierbare Wirkung auf den Verlauf des militärischen Konflikts haben können. Rolf Mützenich sagt zu dem Begriff "Einfrieren", in der Friedenswissenschaft spreche man von zeitlich befristeten Waffenstillständen, um Verhandlungen zu beginnen.
Nukleare Eskalation und Sicherheitsrisiken
Er reagiert damit auch auf die potenzielle Eskalation des Konflikts, der allein schon durch die Atomreaktoren in der Ukraine seine Brisanz erhält. Nato, EU und USA sind sich dieses Risikos bewusst, wie ihr damaliger Generalsekretär Rasmussen 2014 auf einer Pressekonferenz einräumte.
Fragen an die Bundesregierung
Zur nuklearen Bestückbarkeit der Taurus-Marschflugkörper hat die Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen Fragen an die Bundesregierung gestellt:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass Taurus-Marschflugkörper mit verschiedenen Bestückungen (Mehrfachsprengköpfe, modulare Nutzlast) und damit auch nuklear bestückt werden können, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Aufbau eines ukrainischen Nuklearwaffenarsenals beispielsweise vom ehemaligen ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, und Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) als Option diskutiert wird?
Die Antwort der Bundesregierung, die auf eine Einstufung als Verschlusssache hinweist, wirft weitere Fragen zur Transparenz und dem demokratischen Prozess auf:
Die Beantwortung der Frage kann in offener Form nicht erfolgen.
Die Einstufung als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad "VS – nur für den Dienstgebrauch" ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich. …
Eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde Rückschlüsse auf die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr ermöglichen. Auf die als "VS – nur für den Dienstgebrauch" eingestufte Anlage wird verwiesen.
Die Offenlegung von Informationen und die Einbindung der Öffentlichkeit sind entscheidend für eine fundierte Diskussion über sicherheitspolitische Fragen.
Taurus-Marschflugkörper: Potenzielle Gefahren
Die potenziellen Gefahren der Taurus-Marschflugkörper sind vielschichtig und reichen von ihrer Zielgenauigkeit gegen Hochwertziele bis zu ihrer nuklearen Bewaffnungsfähigkeit. Die Lieferung solcher Waffen an die Ukraine könnte das Machtgleichgewicht in der Region verändern und die Spannungen weiter verschärfen.
Es ist daher wichtig, die langfristigen Auswirkungen einer solchen Entscheidung sorgfältig genau zu überdenken: Ihre Schlagkraft, ihre Fähigkeit, den gegnerischen Radar zu unterfliegen und ihre Zielgenauigkeit in Kombination mit der Strategie, Hochwertziele auszuschalten, bedeutet, sie sind auch mit nicht nuklearer Bewaffnung Enthauptungsschlagwaffen, die die politische und militärische Führung des Nato-Gegners Russland sowie Luftleitzentralen und Raketen-Bunker treffen können.
Das erhöht auch die Gefahr eines ungewollten Abrutschens in einen Atomkrieg aus Versehen, da die Eigenschaften von Taurus im Fall eines Alarms mangels zur Verfügung stehender Zeit zu Fehlentscheidungen der gegnerischen Abwehr führen kann.
Diplomatie statt Eskalation
In der aktuellen Situation sind diplomatische Initiativen zur De-Eskalation des Konflikts von entscheidender Bedeutung sind. Die Verweigerung solcher Initiativen könnte, wie wir gesehen haben, die Situation weiter destabilisieren und fatale Folgen für die Zivilisation Europas haben.
Dem zufolge gibt es keine vernünftige Alternative zu Gesprächen über friedliche Lösungen Des Krieges und seiner Wurzeln im Rahmen der von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die dafür steht, eine Friedensordnung aufzubauen, in der die Interessen "eines jeden" Staates respektiert werden, also auch die Russlands.
So sieht es unter anderem der Zwei-plus-Vier-Vertrag über die Vereinigung der beiden deutschen Staaten vor, auf dessen Grundlage Deutschland in seiner aktuellen Form existiert.