"Was er euch sagt, das tut!"
Die alten Männer im Vatikan wollen der Frau - und auch der Kirche - nach einer ewig gültigen "biblischen Anthropologie" wieder liebenden Gehorsam lehren
Liest man das von Kardinal Joseph Ratzinger im Auftrag von Papst Johannes Paul II verfasste, auch auf der Website des Vatikan veröffentlichte "Schreiben an die Bischöfe der Katholischen Kirche über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt", so gewinnt man den Eindruck, in eine völlig von Sexualität bestimmte Welt einzutauchen. Mann und Frau findet man bekanntlich nicht nur bei den Menschen, sondern auch im Verhältnis von Gott oder Christus, dem Bräutigam, zur Kirche, der Braut. Aber anstatt dass nun die männlichen Kirchenoberen, die Bräute Christi, einmal über die Auswirkungen des Zölibats auf ihre Sexualität als Männer zu sprechen kommen, wird nun im Rückgriff auf eine praktisch nicht durch Selbstreflexion berührte "biblische Anthropologie" den Frauen ihre Position in der Welt, d.h. vor allem in der Ehe, und in der Kirche zugewiesen.
Eigentlich suchen ja nicht gerade die von Frauen begangenen Skandale die katholische Kirche heim, die gerade auch unter Papst Johannes Paul II eisern am Zölibat festhält. Nicht erst jetzt verstößt schließlich der Zölibat gegen die Geschlechtlichkeit der Priester und verleitet diese zur Pornographie, aber auch zum meist homosexuellen Umgang mit anvertrauten Kindern und Jugendlichen. Skandale wie gerade der in St. Pölten sind keine Ausrutscher, sondern Folge eines Systemsfehlers, einer "Verwirrung in der Anthropologie" (Das traurige Orgien- und Mysterientheater von St. Pölten). Diese möchte allerdings der Vatikan gerne den Frauen zuschreiben, die sich gegen ihre Unterordnung zur Wehr setzen und dadurch auch "zum Gegner des Mannes" werden, was natürlich auch heißt, aber von Ratzinger nicht thematisiert wird: zum Gegner der von Männern dominierten Kirche, die die irdische Beziehung von Mann und Frau nach der aus der Bibel herausgelesenen Anthropologie auch dadurch bestimmt, dass Gott männlich ist und "der Sohn Gottes die menschliche Natur als Mann angenommen hat". Ein einziges Mal kommt im Rahmen der irdischen Geschlechtlichkeit auch der Zölibat als "zukünftige Verwirklichung des Mann- und Frauseins" zur Sprache, bei der zugunsten des "Himmelreiches" die Ehelosigkeit praktiziert wird. Der Satz aber ließe sich durchaus doppeldeutig verstehen:
Jene, die zölibatär leben, nehmen eine Wirklichkeit des Daseins vorweg, die jene eines Mannes bzw. einer Frau bleibt, aber nicht mehr den gegenwärtigen Begrenzungen der ehelichen Beziehung unterworfen sein wird
Wundern mag man oder eher frau sich sowieso, wie sich ältere Herren, die seit ihrem Eintritt in die Kirche eigentlich ohne jeden sexuellen Kontakt zu Frau (und Mann) gewesen sein sollten, vom Katheder herab mit einer Bibelinterpretation und unter dem Anspruch der "Wahrheit" sich anmaßen, über die Sexualität der Geschlechter und die Rolle der Frau Autoritatives verkünden zu wollen (darin dürften sich katholische Kirche und konservative Islamisten gleichen, beides Angehörige einer Männerreligion, die mit der Kirche auch ihre Rolle in der Gesellschaft verteidigen). Auffällig auch hier, dass mit der unhinterfragt aufrechterhaltenen Dominanz der Männer in der Kirche auch nicht einmal ein Hauch einer Begründung gegeben wird, warum diese Interpretation der Geschlechterrollen maßgeblich für die Menschen sein sollte. Man verlässt sich auf das Amt und dem Spruch: Wer's glaubt, wird selig.
Von der Sendung des Mannes, des Stellvertreters Gottes auf Erden und des paradiesisch Erstgeborenen, dem Gott in der Frau eine Ergänzung zum "bräutlichen" Leben, da nur die Frau dem Mann eine Zukunft als "Wesen in Beziehung" gibt, ist nicht die Rede. Zwar trifft der Brief an sich eine wichtige Frage, wenn er problematisiert, inwieweit der auch biologische Geschlechtsunterschied vernachlässigt werden kann, Ratzinger und Co. interessiert aber nur die Zementierung der Unterschiede, vor allem der Unterschiede, die angeblich aus den biologischen Differenzen unverrückbar in ein postuliertes Wesen hinüberreichen. Schnell wird daher ein Satz wie dieser: "Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt. Es gibt nicht mehr... Mann und Frau" (Paulus an die Galater: 3,27-28) entschärft, dass hier doch nur vom Ende der Rivalität die Rede sei.
Zur Gott gegebenen Unterschiedlichkeit, zu deren geschichtlicher Veränderung in einer "biblischen Anthropologie" auch kein Erklärungsbedarf zu bestehen scheint, wird ein krause Erlösungslehre mitgeliefert, die, einfach ausgedrückt, sagt, dass alles gut ist, wenn die Menschen gemäß der von Gott gewollten Einheit (in der Zweiheit) leben. Die Sünde, wozu offenbar auch der Aufstand der Frauen mitsamt der Forderung nach der in der katholischen (Männer-)Kirche unmöglichen Gleichberechtigung zählt, muss aus dem Weg geräumt werden, um wieder zur ursprünglichen Vereinigung zu kommen.
Diese darf man sich denn auch sexuell wie auch als Metapher denken. Sie kreist aus der Sicht Gottes oder des Mannes um die Hingabe, also um die geforderte Überwindung der Rivalität. Zitiert wird in diesem Kontext, wie in der Offenbarung so "die Unterscheidung von Mann und Frau mehr als je zuvor bekräftigt wird", weswegen sie dann irgendwie noch richtiger werden muss:
In der letzten Stunde der gegenwärtigen Geschichte erscheinen in der Offenbarung des Johannes "ein neuer Himmel" und "eine neue Erde" (Offb 21,1), und es taucht in der Vision die weibliche Gestalt der Stadt Jerusalem auf, "bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat" (Offb 21,2). Die Offenbarung schließt mit dem Wort des Geistes und der Braut, die um das Kommen des Bräutigams beten: "Komm, Herr Jesus!" (Offb 22,20). Mannsein und Frausein sind so als ontologisch zur Schöpfung gehörend offenbart und deshalb dazu bestimmt, über die gegenwärtige Zeit hinaus Bestand zu haben, natürlich in einer verwandelten Form.
So stellen sich also die kirchlichen Männer, die Ebenbilder des männlichen Gottes, die Beziehung zur Frau in der Vollendung vor: als sehnsüchtig auf die Vereinigung wartende Braut (entsprechend gehorsam wird die Kirche als Braut verstanden). So ist das "ontologisch" von der Schöpfung vorgeschrieben. Dass dies die Essenz der Frau sein soll wird noch aus anderen Stellen deutlich. Der Frau wird die "Fähigkeit für den anderen" attestiert. Interessiert würde man hier sein, das Wesen des Mannes zu erfahren, aber darüber wird geschwiegen und lieber von der Uneigennützigkeit der Frau gesprochen:
Trotz der Tatsache, dass eine gewisse Strömung des Feminismus Ansprüche "für sie selber" einfordert, bewahrt die Frau doch die tiefgründige Intuition, dass das Beste ihres Lebens darin besteht, sich für das Wohl des anderen einzusetzen, für sein Wachstum, für seinen Schutz.
Dem Feminismus setzt man im Vatikan die "christliche Berufung zur Jungfräulichkeit" hingegen. Diese "echte Herausforderung", widerlege nämlich jeden Anspruch, "die Frauen in ein bloß biologisches Schicksal einzuschließen". Sollte man dann umgekehrt sagen, dass dort, wo die Frau nicht jungfräulich ist, ihr die "geistliche Dimension" abgeht?
Neben dem Zölibat oder der Jungfräulichkeit gibt es nur die Ehe zwischen Mann und Frau. Daher wird natürlich en passant auch wieder die Unnatürlichkeit homosexueller Beziehungen betont. Der Feminismus, der die Verschiedenheit der Geschlechter verschleiern will, ist nämlich gleichzeitig die Türe für den Einfall weiterer Verwirrungen der Anthropologie, er inspiriert nämlich auch die "Infragestellung der Familie, zu der naturgemäß Eltern, also Vater und Mutter , gehören. die Gleichstellung der Homosexualität mit der Heterosexualität sowie ein neues Modell polymorpher Sexualität". Immerhin soll die Gesellschaft aber den auf die Familie und Mutterschaft verpflichteten Frauen die Möglichkeit bieten, "die Organisation der Arbeit mit den Anforderungen der Sendung der Frau innerhalb der Familie zu harmonisieren", was etwas banaler heißt, dass Frauen Kinder und Berufsleben vereinen können sollten.
Das Schreiben gipfelt schließlich in dem Kapitel: "Die Aktualität der fraulichen Werte im Leben der Kirche". In deren Zentrum stehe nämlich Maria. Und hier zeigt sich erneut, wie die männlichen Repräsentanten der Kirche sich die Frau und die Mitglieder der Kirche wünschen: als demütig und liebend Gehorsame:
Marias Dasein ist für die Kirche eine Einladung, ihr Sein im Hören und Aufnehmen des Wortes Gottes zu verankern. Der Glaube ist nämlich nicht so sehr die Suche des Menschen nach Gott, sondern vielmehr die Anerkennung des Menschen, dass Gott zu ihm kommt, ihn heimsucht und zu ihm spricht. Dieser Glaube, gemäß dem "für Gott nichts unmöglich ist" (vgl. Gen 18,14; Lk 1,37), lebt und wächst im demütigen, liebenden Gehorsam, mit dem die Kirche zum Vater sagen kann: "Mir geschehe, wie du es gesagt hast" (Lk 1,38). Der Glaube weist immerfort auf Jesus hin: "Was er euch sagt, das tut!" (Joh 2,5).
Die alten Männer, so scheint es, wollen noch einmal versuchen, das Steuer herumzudrehen und in die Zeiten vor der Aufklärung zurück zu gehen. Ihre "biblische Anthropologie" verurteilt nicht nur Frauen, sondern alle Menschen zu gehorsamen Lakaien, die Autoritäten freudig folgen sollen. Darin gleichen die katholischen Fundamentalisten ihrem islamischen Kollegen, die ebenfalls in einer patriarchalischen Welt gefangen sind und verzweifelt suchen, diese traditionell eben auch durch die Kirche sanktionierte hierarchische Rollenverteilung zu verteidigen. Allerdings dürfte hoffentlich auch den Männern dieser Schachzug allmählich sauer aufstoßen. An der Lebenswirklichkeit geht die Moral der "biblischen Anthropologie" sowieso vorbei. Sinnvoller als die Welt nach ihrem Ebenbild auf dem Weg zurück in die Vergangenheit zu reformieren, wäre allemal ein Schritt der Kirche nach vorne, um endlich einige angestaubte Bestände zu entsorgen, wozu nicht nur der Zölibat, sondern auch der Ausschluss der Frauen und die Hierarchie der Kirche gehören.