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Was geschieht mit unserem Kunststoffmüll?

Plastikmüll an einer Flussmündung im indischen Goa. Foto: Hajj0 ms. Lizenz: CC BY-SA 3.0

(Wie) gelangen unsere Plastik-Tüten ins Meer? - Eine Spurensuche und ein Kommentar

Gemäß der "Abfallhierarchie" in der Abfallrahmenrichtlinie der EU aus dem Jahr 2008 [1] sollte Müll bevorzugt in folgender Reihenfolge behandelt werden:

Vermeiden - wieder verwenden - recyceln - verwerten (z.B. thermisch) - geschützt deponieren.

Es gibt aber noch eine sechste Variante in der täglichen Anwendung, das ist das achtlose freisetzen von Abfällen an mehr oder weniger beliebigen Orten, im Englischen als "littering" bezeichnet.

Auch hier könnte man noch unterscheiden, ob der Ort so gewählt wird, dass die Schädigung der Umwelt an diesem Ort weniger gravierend wäre, ob zufällig an diesem Ort der Abfall anfällt, ob durch den Ort wirksam die störende Gegenwart der Abfälle vermieden wird oder ob das gesetzwidrige ablegen an diesem Ort von anderen nicht bemerkt werden kann.

Spätestens seit der Aufführung von Plastic Planet 2009 [2] ist die Öffentlichkeit aufgeschreckt durch die Information, dass auf den Weltmeeren gigantische und weiterhin kontinuierlich wachsende Teppiche aus Plastik-Müll treiben. In dem hervorragenden Film lernen wir ferner, dass die sichtbaren Teppiche gewissermaßen nur die Spitze des Eisbergs sind, weil zusätzlich noch eine Unzahl von kleinsten Kunststoff-Schwebeteilchen für den Menschen unsichtbar unterhalb der Wasseroberfläche treiben. Diese Teilchen werden von Fischen für Plankton gehalten und gefressen. Diese Teilchen waren zum Erscheinungszeitpunkt des Films 60 Mal so häufig im Wasser anzutreffen, wie der echte Plankton, der für viele Fische die Hauptnahrung ausmacht.

Der Müll wird also nicht nur achtlos "irgendwo" weg geworfen, sondern es erscheint so, als ob der Müll nur an wenigen Orten größeren Schaden hervorrufen könnte und also ob es kaum an einem anderen Ort geringere Chancen gäbe, den Ort vom Müll wieder zu befreien oder zu reinigen.

Das World Economic Forum (WEF) gibt an, dass ganze 32% des gesamten weltweiten Verpackungsmülls das System unkontrolliert verließen [3]. Also fast ein Drittel der gesamten Plastik-Verpackungen würden weltweit unkontrolliert in die Umwelt geworfen. Das sind schier unglaubliche Zahlen.

Wenn wir uns ausmalen, was dieses Drittel aller Verpackungs-Kunststoff-Abfälle an Schäden auf dieser Erde hervorruft, dann erscheinen die Diskussionen über Recycling, Müllverbrennung und Deponie fast zu einem Randthema zu verkommen. Man ist versucht zu sagen: Egal, was ihr mit dem Müll macht - solange der Kunststoff nicht unkontrolliert frei gesetzt wird, ist es besser.

Anstatt jedoch zeitnah zu recherchieren, wer die Sünder sein könnten, und anstatt Maßnahmen zu ergreifen, die weitere Einbringung der Kunststoffabfälle in die Meere zu unterbinden, wurde zunächst der Kunststoff als Ganzes verteufelt und Kampagnen gestartet, die uns nahelegen wollten, die Plastiktüten, die wir beim Aldi erwerben würden, seien die Ursache für den Plastik-Müll im Meer und wir einfache Menschen oder "Konsumenten" seien irgendwie jetzt schuld daran, dass die Meere sterben.

Wenn eine Diskussion über den grundsätzliche Sinn oder Unsinn von Plastik das realistische Ergebnis haben könnte, dass Plastik weltweit nicht mehr produziert und verwendet würde, dann könnte man diese Diskussion gerne führen. Da aber mit diesem Ergebnis nicht zu rechnen ist, steht die Frage im Raum, ob es sich um ein Ablenkungsmanöver handelt.

Angesichts der erschreckenden Informationen wäre es doch geboten, den Fokus auf die Verursacher, auf die Verursachungsmechanismen und auf die möglichen Gegenmaßnahmen zu richten. Zu einem gewissen Teil geschieht dies in den "westlichen" Ländern auch und, wollen wir den verfügbaren Zahlen trauen, auch mit Erfolg. In West-Europa und insbesondere in Deutschland wurde eine große Recycling-Industrie aufgebaut und die Sammelsysteme scheinen prächtig zu funktionieren. Aber wer spricht gegenwärtig beispielsweise davon, China, Indien und andere asiatische Länder mal beherzt zu bitten, ihr Augenmerk auf die Verhinderung des Eintrags von Plastik-Müll in die Meere zu richten? Wo sind die Petitionen, die sich an die asiatischen Länder richten? Wo sind die Appelle führender Politiker an unsere asiatischen Freunde?

Grafik [4]: Ulrich Sommer

Sehr wahrscheinlich (sofern wir den Zahlen von IUCN trauen) kommen die mit Abstand größten Einträge ins Meer aus Asien. Danach folgen mit großem Abstand Afrika und dann noch einmal mit Abstand Südamerika. Und dann kommen erst Europa und Nordamerika. Europa und Nordamerika liefern gemäß dieser Darstellung den mit Abstand geringsten Anteil an Kunststoff-Teilen. Bei den Mikro-Plastik-Einträgen liegen wohl Europa und Nordamerika deutlich vor Südamerika und Afrika und gesamt Ostasien liegt im Eintrag von Mikro-Plastik ins Meer ungefähr um die Hälfte höher, als Europa und USA zusammen [5].1 [6] Dieser Quelle zufolge würden in West- und Zentraleuropa jährlich insgesamt 0,52 Mio. Tonnen Plastik ins Meer verbracht. die weltweite Menge läge bei jährlichen 9,5 Mio. Tonnen.

Als "Mikroplastik" werden nicht nur Nanopartikel definiert, welche beispielsweise in Kosmetika vielfach unsinniger Weise verwendet werden, sondern auch alle Partikel mit einer Größe unter 5 mm gelten als Mikroplastik. Das heißt, dass auch sich zersetzendes Plastik mit der Zeit zu "Mikroplastik" verwandelt wird.

Obwohl ich glaube (nicht weiß), dass Europa erheblich weniger Plastik ins Meer einbringt, als einige andere Kontinente, sollten doch weitere Zahlen genannt werden, die immerhin vom Bundesumweltamt veröffentlicht wurden und die eher eine andere Sprache sprechen [7]: Dieser Veröffentlichung zufolge würden weltweit 30 Mio. Tonnen Plastik ins Meer eingeleitet. Europa würde laut UBA 2015 zwischen 3,4 und 5,7 Mio. Tonnen Plastik ins Meer einleiten. Damit hätte Europa einen überproportionalen Anteil an der Plastik-Meeres-Verschmutzung.

Da die Zahlen zu allen anderen Veröffentlichungen im Widerspruch stehen, will ich einen Fehler nicht ausschließen. Waren beispielsweise die gesamten Freisetzungen von Kunststoff gemeint, also auch außerhalb der Meere? Dann wären die Zahlen beispielsweise mit den von ECF genannten Zahlen wenigstens in der Größenordnung konsistent. Allerdings wäre dann auch der von Europa ausgehende Anteil alarmierend und er stünde vermutlich auch bei Berücksichtigung von Reifenabrieb und ähnlichen nicht zurück zu haltenden Kunststoffen im Widerspruch zu der Aussage, dass bei uns eigentlich fast alles gesammelt und wenigstens verwertet wird.

Weitere Quellen, die Zweifel an der schönen sauberen Recycling-Welt aufkommen ließen, waren unter anderem drei Videos aus dem Netz, welche sich mit dem Verbleib des Kunststoff-Mülls aus den USA beziehen, welche also nicht direkt auf Deutschland oder Europa bezogen werden können. Gleichwohl sprechen sie wichtige Fragen an bezüglich des Verbleibs von Kunststoff-Müll, welcher aus Industrienationen verschifft wird. Vermutlich werden die Abnahmewege für Plastik-Müll weltweit sehr ähnlich sein, sofern nicht durch spezielle Auflagen Anforderungen an die weitere Verwendung des Mülls gestellt und kontrolliert werden:

Ein Video von BuzzFeed regt recht deutlich an, das Recycling an sich in Frage zu stellen [8]. BuzzFeed war ursprünglich mit Katzenvideos berühmt geworden. Aber auch CBC aus den USA stellen ähnliche [9] Fragen [10], wobei auch die Methoden des Recyclings in China oder anderen Schwellenländern durch anschauliche Bilder beleuchtet werden. Diese Videos haben mich veranlasst, weiter zu recherchieren und diesen Artikel zu schreiben.

Was tun?

Mich interessierte nun vor allem die Frage, auf welche Weise wir Deutsche oder Europäer die Situation beeinflussen können. Inwiefern gelangt unser eigener Müll in die Meere? Sollten wir nun nach Kräften Plastik einsparen, in dem wir alternative Materialien wie Baumwolle, Papier, Glas oder Metalle bevorzugt als Ersatz für Plastik verwenden? Würden die Verwendung dieser alternativen Materialien gesamtheitlich die Umwelt entlasten? Oder könnten wir durch Aufklärung Einfluss auf unsere Politik nehmen oder gar auf die Politik anderer Länder? Welche Verantwortung haben wir überhaupt, direkt oder indirekt, für diese Misere?

Ohne dies im Folgenden weiter zu untersuchen, gehe ich davon aus, dass der Energieaufwand oder der Ressourcenaufwand zur Erzeugung von Papier-Verpackungen, Glasverpackungen oder Blechverpackungen grundsätzlich nicht niedriger ist, als der von Kunststoffverpackungen. Dies zu untersuchen wäre ein eigenes Thema.

Dass Deutschland Trenn-Weltmeister im Bezug auf das Verhalten der Menschen und "Konsumenten" mit Abfällen ist, wurde oft genug berichtet. Ebenfalls nehme ich an, dass vergleichsweise wenig Kunststoffabfall von Menschen aus Deutschland direkt in das Meer eingebracht wird, sei es durch Wegwerfen von Verpackungen in Flüsse oder an der Küste oder sei es auf Schiffsreisen. Ebenso würde ich in meiner kindlichen Naivität annehmen, dass Plastik, der von deutschen Betrieben zum Recycling angenommen wird, ebenfalls nicht über deutsche Flüsse ins Meer gelangen dürfte oder in relevanten Mengen frei gesetzt würde.

Der bedeutendste Stoffstrom, über den deutscher Verpackungsmüll überhaupt ins Meer gelangen könnte, wäre wahrscheinlich der Export von Kunststoff-Müll in andere Teile der Erde außerhalb Westeuropas. Und zu diesem Punkt waren ja jüngst Meldungen durch die Presse gegangen, die auf ein Problem durch den Wegfall Chinas als weltweiter Hauptabnehmer für Plastik-Müll hingewiesen hatten [11].

Weder im Falle Chinas, noch im Falle aller anderen möglichen Abnehmerländer liegen uns brauchbare Informationen darüber vor, unter welchen Umständen Recycling stattfindet, ob unsere Abfälle überhaupt recycelt werden oder inwieweit dies kontrolliert wird. Da bis heute unser Müll einen positiven Wert auf dem Weltmarkt hat, da wir also bis heute Geld für unseren Müll erhalten, wäre anzunehmen, dass dieser Müll dann nicht auf den Meeren einfach von Bord geht oder dass er in den Empfänger-Ländern in die Flüsse geworfen wird. Aber wissen tun wir das nicht und wir werden darüber auch nicht eingehender informiert.

Für Deutsche und Europäer sehe ich daher zwei Fragen von besonderem Interesse:

- Wie viel Müll verlässt Deutschland oder Europa nach Übersee?

- Wie wird sichergestellt, dass unsere exportierter Müll sachgemäß behandelt wird und unter keinen Umständen in die Umwelt "verloren geht"?

Wir sprechen von 1,5 Mio. Tonnen Kunststoffabfällen, die laut Umweltbundesamt 2016 ins europäische und nicht-europäische Ausland exportiert wurden. 560.000 Tonnen seien nach China gegangen, 200.000 Tonnen nach Hongkong. Der größte Teil dieser Exporte bestünde nach Schätzung einer Mitarbeiterin des Umweltbundesamtes aus Industrieabfällen, die teilweise in direkten industriellen Handelsbeziehungen ausgetauscht worden seien, also nur in begrenztem Umfang durch den Staat zu kontrollieren seien. In einem Telefonat erfuhr ich von dieser Mitarbeiterin, dass man davon ausginge, dass nur ein kleiner Teil der Abfälle aus dem gelben Sack Deutschland und Europa verlassen würde. Über diesen kleinen Teil gibt es jedoch keine verfügbaren Zahlen, ebenso wenig wie über die Zielländer oder die Kontrollen über den weiteren Umgang mit diesen Abfällen.

Eine Präsentation [12] von Conversio bzw. plasticseurope.org nennt auf Folie 112 [13] des Dokuments 710.000 Tonnen Plastik jährlich, die aus Verbraucher-Abfällen in den Export gingen. Freilich erhalten wir auch hier keine weiteren Angaben über den Verbleib.

Zum Vergleich: Der gesamte Anfall von Kunststoffabfällen in Deutschland liegt gemäß der gleichen Quelle jährlich bei etwas über 6 Mio. Tonnen, wovon knapp über 3 Mio. Tonnen Verpackungsabfälle darstellen. Bemerkenswert ist, dass in Deutschland über 14 Mio. Tonnen jährlich verarbeitet werden, so dass über die Hälfte des produzierten Kunststoffes entweder in Produkten verbleibt (insbesondere in der Baubranche mit langlebigen Produkten) oder beispielsweise über Gebraucht-Autos das Land verlässt, bevor es zum Abfall wird. Hier liegt es an den Zielländern, was mit dem in den Produkten bzw. Autos enthaltenen Plastik geschieht.

Mit anderen Worten: Wir können aufgrund verfügbarer Daten nur sehr grob die Größenordnung des exportierten Plastik-Mülls eingrenzen. Über die weitere Behandlung des aus Deutschland oder Europa exportierten Plastik-Mülls sind insbesondere nach dem Wegfall Chinas als Importeur so gut wie keine brauchbaren Informationen verfügbar.

Da es sich doch um erhebliche Mengen an Plastik-Müll handelt, ist diese mangelnde Sorgfalt im Umgang mit Plastik-Müll nicht akzeptabel. Von uns "Verbrauchern" wird verlangt, minutiös alles zu trennen. Mittelständische Betriebe werden zunehmend an die kurze Leine genommen, was ja in Bezug auf relevante Umweltgefahren an sich nicht verkehrt sein muss. Aber der Staat zeigt an dieser Stelle, dass er die Menschen im Land stärker zu gängeln bereit ist, als er selbst seiner Verantwortung für unseren Müll nachzukommen bereit ist.

Wenn ein Bewohner Deutschlands sicher gehen wollte, dass sein Müll nicht an fernen Küsten ins Meer gelänge, müsste er seinen Plastik-Müll in den Hausmüll entsorgen, denn das wäre die einzige Möglichkeit, sicher zu gehen, dass er auch wirklich wenigstens verbrannt würde. Und ich gehe davon aus, dass das Verbrennen von der Gesamtmenge an Plastik-Müll immer noch besser wäre, als dass ein auch nur kleiner Teil unseres Plastik-Mülls ins Meer gelänge.

Ich persönlich erachte die Verbrennung von Plastik-Müll als weniger problematisch, als es vielfach angenommen wird. Plastik hat im allgemeinen ungefähr denselben Brennwert wie Erdöl. Polyethylen hingegen benötigt zur Herstellung rund ein Drittel mehr Erdöl, als es selbst wiegt. Bei Polystyrol liegt der Mehraufwand bei knapp über 50%. Das heißt, dass die Menge der verlorenen Ressourcen insbesondere bei einfachen Kunststoffen nur geringfügig über dem Gewicht der Kunststoffabfälle liegt [14].3 [15] Bei PET beträgt der Energieverbrauch zur Herstellung bereits etwa die dreifache Menge an Erdöl des Eigengewichts [16] des Kunststoffes und bei hochwertigen Industriekunststoffen kann der Energiebedarf auch um ein vielfaches höher liegen. Aber wenn wir von einfachen Verpackungen sprechen, wäre ein Recycling sicher wünschenswert, aber es wäre es nicht wert, wenn dadurch an anderer Stelle weiterer Ressourcenaufwand entstünde oder wenn insbesondere durch das Umgehen unrealistischer Regelungen schwere Umweltschäden die Folge wären.

Natürlich wäre es mehr als wünschenswert, wenn gleichwohl eine möglichst große Menge unseres Plastik-Mülls recycelt würde und nicht verbrannt.

Sollte also unser schönes neues Verpackungsgesetz seinen Zweck erfüllen und eine Schonung der Ressourcen und der Umwelt bewirken, so wären vermutlich erheblich höhere Maßstäbe an Dokumentation und Kontrolle bezüglich des Plastik-Müll-Exportes zu stellen!

Warum wird das Mehrweg-System nicht stärker gepflegt und ausgebaut?

Bereits "das bessere Müllkonzept", eine Volksbefragungsinitiative in Bayern aus dem Jahre 1990 [17] hatte den Schwerpunkt auf Müllvermeidung gelegt und wurde unter anderem mit Unterstützung der Medien knapp verhindert. Stattdessen kamen damals die Vorläufer der heutigen Abfallgesetze zur Anwendung. Kritiker der dann eingesetzten Regelungen monierten, kein Interesse an echter Vermeidung von Abfällen erkennen zu können.

Allerorts verdrängen heute PET-Einweg-Flaschen, Getränkekartons, Aludosen und selbst Einweg-Glasflaschen die bewährte Mehrwegflasche. Während anfangs in Bio-Läden Brotaufstriche in kleinen Mehrweggläsern angeboten worden waren, ist dieses Angebot vollständig verschwunden. Das Argument des Energieverbrauchs für den Transport der Mehrwegbehältnisse könnte entkräftet werden, in dem regionale Lieferketten gefördert würden Diese regionalen Lieferketten werben ja ohnehin bereits in vielen Supermärkten mit eigenen Regalen für sich, was schon für sich betrachtet eine erfreuliche Entwicklung ist.

Ich würde mir wünschen, es gäbe ähnlich zu den etablierten Mehrwegflaschen für Obstsäfte, Milch, Bier und Joghurt auch genormte Gläser für Konserven in verschiedenen Größen. Gäbe es Gläser beispielsweise für 120 ml, 250 ml, 500 ml und 750 ml, könnten in diesen Gläsern eine Vielzahl von haltbaren Produkten eingelagert werden, wie es mit dem alten Einweckglas ja schon einmal Geschichte geworden war.

Saure Gurken, eingemachte Paprika, Gemüsemais, Fertig-Suppen oder Fertig-Ravioli, Marmelade, Kompott und unzählige Produkte, die im Supermarkt eine Reihe von Gängen füllen, könnten vollständig mit Mehrweg-Gläsern verpackt werden und deren Glas-Müll oder viele Blechkonserven könnten vollständig vermieden werden. Einweg-PET-Flaschen halte ich für alles andere als zeitgemäß und sie gehören durch Mehrweg-Flaschen ersetzt.

Mehrweg-Gläser zur Nutzung als Konserve hätten großes Potential zur Vermeidung von Abfall. Foto [18]: Lyza. Lizenz: CC BY-SA 2.0 [19]

Sind aufwändigere Verpackungen wirklich so viel attraktiver für Kunden?

Käsescheiben wurden bis vor kurzem noch in dünne PE-Folien mit Vakuum eingeschweißt. Mir wäre von Polyethylen nicht bekannt, dass darin Weichmacher oder andere austretende Giftstoffe enthalten wären. Allein das Gewicht einer dünnen Plastik-Folie ist extrem niedrig und somit allen anderen Verpackungsarten haushoch überlegen. Zunehmend werden jedoch Käse- und Fleisch-Produkte in formstabile Halbschalen gelegt, welche durch eine aufgeklebte Folie verschlossen werden. Das Gewicht dieser Verpackungen steigt gegenüber der leichten Folie leicht um 50% bis 100%.

Trotz allgemeiner Abneigung gegen Plastik halte ich dünne Plastik-Folien weiterhin für ein vergleichsweise nachhaltiges Verpackungsmittel, weil sie um Welten leichter und damit ressourcensparsamer sind als alle anderen Verpackungsformen. Damit diese Plastik-Verpackungsform jedoch ihren ökologischen Vorteil ausspielen kann, ist eine sichere Entsorgung zwingend, was einerseits Nutzerverhalten bedingt, andererseits jedoch auch zuverlässige Entsorgungsketten erfordert, welche in der Verantwortung von Staat und Industrie liegen.

Allgemein wären Verpackungen ohne Umverpackungen und ohne Blister wünschenswert. Einfache Kunststoff-Folien wirken freilich weniger "wertig". Diese Optik müsste durch Kampagnen aufgefangen werden, beispielsweise in dem der Produzent stolz das geringe Gewicht der Verpackung anpreist.

Von Seiten des Gesetzgebers müssten es ja nicht immer Einschränkungen und Verbote sein, um etwas zu bewegen. Wie wäre es, wenn auf Verpackungen die Option bestünde, in genormter Form den Energieaufwand zur Herstellung der Verpackung so wie das Gewicht der Verpackung aufzudrucken. Ich bin mir sicher, dieses "Feature" würde bei vielen Kunden Beachtung und Wertschätzung finden.

Vielfach hat der Kunde bei seiner Kaufwahl keine Chance, ultra-komplexe Verpackungen abzustrafen, ohne auf ein Produkt verzichten zu müssen oder ohne eine schlechtere Alternative zu akzeptieren. Meist setzen sich aufwändigere Verpackungen rasch durch und werden zum Quasi-Standard für ähnliche Produkte. Wie wäre es, komplexe Verpackungen durch genormte, beispielsweise rote Punkte verbindlich zu kennzeichnen, so dass der Hersteller eine Motivation hätte, leichtere Verpackungen anzubieten, um den roten Punkt zu vermeiden?

Wie steht es mit der Verantwortung?

Ich persönlich habe das Verlangen, "mit mir im Reinen" zu sein, in dem ich mich entsprechend verhalte. Ich liebe diese Erde und halte es für die logische Konsequenz, dass ich mein Verhalten im Rahmen meiner komfortablen Möglichkeiten daraufhin optimiere, diese Erde nicht unnötig zu belasten. Und ich kenne diese Haltung von sehr vielen meiner Mitmenschen.

Gleichwohl leben wir ja nicht ohne Grund mit dem Bewusstsein, dass "unser Verhalten" letztendlich große Schäden hervorruft, leid in der Tierwelt und auch in der Pflanzenwelt verursacht, sofern wir annähmen, auch Pflanzen hätten Gefühle. Wie aber gehen wir mit diesem "schlechten Gewissen" um, wenn wir doch in die Welt hinein geboren wurden, wie wir sie vorfinden und wenn "diese Welt" uns kaum eine Chance lässt, so zu leben, dass wir mit ihr nachhaltig umgehen?

Ich lernte vor Jahren von den Systemikern, einer psychologischen Richtung, der ich sonst nicht besonders anhänge, dass angemaßte Schuld für unser Befinden und selbst für das Befinden unserer Nachkommen ähnlich zerstörerische Auswirkungen hätte, wie tatsächliche Schuld.

Und ich lernte vor kurzem, dass selbst Psychopathen, die bekanntlich so etwas wie Mitgefühl oder Scham nicht kennen, dennoch Respekt vor etwas hätten, was in ihren Macht-Kreisen als "Karma" bezeichnet würde. Ich stelle mir somit die Frage, ob die Mächtigen annähmen, dass dieses "Karma" auf andere übertragen werden könnte, sobald diese bereitwillig ihre "Schuld" eingestehen würden, unabhängig von der tatsächlichen Verantwortung? Quellen kann ich nicht nennen, jedenfalls keine belastbaren.

Was ich jedoch beobachten kann, ist, dass die Politiker und die Medien permanent uns einfachen Menschen subtil die Verantwortung für alle Übel auf dieser Erde zuschieben und sie durch übertriebene Regelungen in die Enge treiben, während die Mächtigen und die Konzernlenker ziemlich freie Hand haben, in jeder Beziehung. Dieses unfaire Verhalten könnte durch dieses Bemühen erklärt werden, die "Schuld" auf die einfachen Menschen abzuwälzen.

Beispielsweise wird das Problem der Staatsverschuldung dem Bürger über überhöhte Steuern in die Schuhe geschoben, während die Mächtigen kaum Steuern zahlen. So ist ferner zu befürchten, dass Autofahrer mit Verbrennungsmotor bald nicht mehr in Innenstädte fahren dürften, selbst wenn sie neue Autos besitzen. Maßnahmen zur Einsparung von Energie und Ressourcen oder CO2 werden trotz aller CO2-Faselei niemals unternommen, von Elektrizitätskonzernen beispielsweise schon gar nicht. Und so weiter.

Somit will ich mit diesem Artikel alle Leser durchaus anregen, sich Gedanken über den nachhaltigen Umgang mit Produkten, Verpackungen und Müll zu machen. Es ist mir gleichwohl wichtig zu sagen:

Nein, wir "Verbraucher" haben uns zwar möglicherweise über Jahrzehnte, wenn nicht länger, dazu verleiten lassen, Annehmlichkeiten anzunehmen, die wir besser abgelehnt hätten. Aber die ursächliche Verantwortung für die Misere liegt bei mächtigeren Menschen, die uns systematisch in ein System geführt haben, welches alles andere als nachhaltig ist und aus welchem wir als einfache Menschen nur schwer ausbrechen können.

Das betrifft beispielsweise auch die weltweiten Handelsströme. Uns wird erzählt, diese Handelsströme seien eine Folge des "freien Wettbewerbs". Das stimmt aber nicht, denn in Europa gelten andere Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer, als beispielsweise in Asien. Ein Handel zwischen Ausbeuter-Nationen und Europa kann nicht als "Freier Markt" bezeichnet werden, sondern als Methode zur Verbreitung der Sklaverei. Aber besagter vorgeblicher "Freier Markt" ist eine der Ursachen für Verpackungsmüll, denn die Verpackung ist Voraussetzung, insbesondere für längere Transporte (von den ökologischen Folgen der Transporte sprechen wir hier erst einmal nicht).

Aber bereits im Land selbst haben sich Handelsstrukturen gebildet, die weit entfernt von einem Zustand sind, der eigentlich in unserem Interesse sein könnte: Kein Mensch kennt noch den "Produzenten" der Lebensmittel. Nicht einmal die industriellen Erzeuger der Nahrungsmittel sind uns vielfach noch bekannt. Mehr Entfremdung zu dem, was uns nährt, ist kaum denkbar. Dabei könnten tatsächlich der größte Teil unserer Lebensmittel auch im gleichen Dorf "erzeugt" werden, in dem wir leben. Oder leben wir nicht mehr in Dörfern? Warum eigentlich? Was wird in Städten "produziert", was uns das Leben leichter macht? Und so weiter...

Aber solche Fragen werden kaum gestellt. Die Verpackung ist eines von vielen Phänomenen, welche unsere zunehmende Entfremdung von den wichtigen Dingen des Lebens begleitet. Nein, wir einfachen Menschen haben das nicht gewollt. Dieser Zustand entstand auch nicht ursächlich durch unsere Bequemlichkeit. Unsere Bequemlichkeit wurde genutzt, um uns zu überlisten und diesen Zustand einer Abhängigkeit von großen Konzernen und Strukturen zu schaffen.

Und wie steht es mit der Verantwortung der Bevölkerung von Schwellenländern, wenn möglicherweise einfache Menschen Müll in Flüsse entsorgen? Zugegebenermaßen spreche ich jetzt von meinen vagen Vorstellungen, da uns keinerlei Dokumentationen oder Bilder dieser Zustände vorliegen, die speziell das Verhalten der Menschen in Bezug auf Müll präzise erklären. Aber ich gehe davon aus, dass die einfachen Menschen in Schwellenländern, die ja in der Regel sehr arm sind, dass diese Menschen also wenig Wahlmöglichkeiten haben und ihre Güter in der Verpackung in Empfang nehmen, wie sie angeboten wird.

Ich unterstelle, dass in diesen Gegenden oder beispielsweise Slums keinerlei Infrastruktur zur Sammlung von Müll existiert. Ich denke, da müssen wir uns wenig Gedanken über die ursächliche Schuld dieser Menschen an der Müll-Misere machen. Diejenigen, die das Geld haben, hätten die Freiheit, die Strukturen zu schaffen, dass die Armen entweder Güter ohne oder mit verrottbaren Verpackungen erhielten, oder dass eine Infrastruktur zur Sammlung von Abfällen geschaffen würde. Es ist wieder die gleiche Geschichte. Die einfachen Menschen sind nicht frei von Verantwortung, sie müssen auch ausbaden, was sie mit verursachen. Aber die ursprüngliche Verantwortung für die Probleme liegt bei Menschen, die sich angemaßt haben, die Macht auszuüben und die somit die übergeordnete Verantwortung übernommen haben und tragen müssen.

Und daher fordere ich an dieser Stelle, dass die entscheidenden Maßnahmen auch von den Verantwortlichen getroffen und vor allem auch von ihnen selbst umgesetzt werden. Und die sitzen in der Politik, in der Industrie und in so manchem Think-Tank! In diesem Artikel sind einige Anregungen geboten. Aber ich weiß, dass die Mächtigen Think-Tanks über viel Wissen und auch Kreativität verfügen, um nachhaltige Lösungen zu entwerfen und umzusetzen. Sie bräuchten nicht einmal unsere Vorschläge. Sie sind in der Verantwortung und ich wünsche, dass dies so offensichtlich wird, so dass sie sich, und sei es nur aus Angst um ihren Ruf und ihren Einfluss, endlich genötigt sehen, ihrer Verantwortung zum Nutzen des Lebens gerecht zu werden.

Und ich erkläre hiermit meine freudige Bereitschaft, nachhaltigere Verpackungs-Angebote aufzugreifen und zu bevorzugen! Und wenn ich Vertrauen habe, dass mein Müll dann sorgsam behandelt wird, bringe ich gerne die erforderliche Zeit zur Trennung auf. Aber ich erkläre hiermit, dass ich mich für die gegenwärtige Misere nicht verantwortlich sehe. Ich leiste meinen Beitrag, mache mir meine Gedanken und ich habe diesen Artikel geschrieben und Telepolis hat ihn dankenswerter Weise veröffentlicht - und damit ist es gut!


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[1] https://www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/vermeiden-verwerten-beseitigen-der-umgang-mit-abfall/
[2] http://youtube.com/watch?v=SfWa4Z5NkIE
[3] http://www3.weforum.org/docs/WEF_The_New_Plastics_Economy.pdf
[4] https://portals.iucn.org/library/sites/library/files/documents/2017-002.pdf
[5] https://portals.iucn.org/library/sites/library/files/documents/2017-002.pdf
[6] https://www.heise.de/tp/features/Was-geschieht-mit-unserem-Kunststoffmuell-4259595.html?view=fussnoten#f_1
[7] https://www.umweltbundesamt.de/presse/presseinformationen/mikroplastik-im-meer-wie-viel-woher
[8] https://www.youtube.com/watch?v=-Yp1KKWpPpU
[9] https://www.youtube.com/watch?v=XCYTN2BVK1Q
[10] https://www.youtube.com/watch?v=Z0m7xhxu4d
[11] https://heise.de/-4089451
[12] https://www.plasticseurope.org/download_file/force/2235/319
[13] https://www.heise.de/tp/features/Was-geschieht-mit-unserem-Kunststoffmuell-4259595.html?view=fussnoten#f_2
[14] http://ecobine.de/glossar/de/baustoffe/Polyethylen.pdf
[15] https://www.heise.de/tp/features/Was-geschieht-mit-unserem-Kunststoffmuell-4259595.html?view=fussnoten#f_3
[16] http://nachhaltige-energiegewinnung.spoererau.de/pdf/auflage2/ne15_dinge.pdf
[17] https://das-bessere-muellkonzept.de
[18] https://www.flickr.com/photos/lyza/49545547
[19] https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/