Was geschieht mit unserem Kunststoffmüll?
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(Wie) gelangen unsere Plastik-Tüten ins Meer? - Eine Spurensuche und ein Kommentar
Gemäß der "Abfallhierarchie" in der Abfallrahmenrichtlinie der EU aus dem Jahr 2008 sollte Müll bevorzugt in folgender Reihenfolge behandelt werden:
Vermeiden - wieder verwenden - recyceln - verwerten (z.B. thermisch) - geschützt deponieren.
Es gibt aber noch eine sechste Variante in der täglichen Anwendung, das ist das achtlose freisetzen von Abfällen an mehr oder weniger beliebigen Orten, im Englischen als "littering" bezeichnet.
Auch hier könnte man noch unterscheiden, ob der Ort so gewählt wird, dass die Schädigung der Umwelt an diesem Ort weniger gravierend wäre, ob zufällig an diesem Ort der Abfall anfällt, ob durch den Ort wirksam die störende Gegenwart der Abfälle vermieden wird oder ob das gesetzwidrige ablegen an diesem Ort von anderen nicht bemerkt werden kann.
Spätestens seit der Aufführung von Plastic Planet 2009 ist die Öffentlichkeit aufgeschreckt durch die Information, dass auf den Weltmeeren gigantische und weiterhin kontinuierlich wachsende Teppiche aus Plastik-Müll treiben. In dem hervorragenden Film lernen wir ferner, dass die sichtbaren Teppiche gewissermaßen nur die Spitze des Eisbergs sind, weil zusätzlich noch eine Unzahl von kleinsten Kunststoff-Schwebeteilchen für den Menschen unsichtbar unterhalb der Wasseroberfläche treiben. Diese Teilchen werden von Fischen für Plankton gehalten und gefressen. Diese Teilchen waren zum Erscheinungszeitpunkt des Films 60 Mal so häufig im Wasser anzutreffen, wie der echte Plankton, der für viele Fische die Hauptnahrung ausmacht.
Der Müll wird also nicht nur achtlos "irgendwo" weg geworfen, sondern es erscheint so, als ob der Müll nur an wenigen Orten größeren Schaden hervorrufen könnte und also ob es kaum an einem anderen Ort geringere Chancen gäbe, den Ort vom Müll wieder zu befreien oder zu reinigen.
Das World Economic Forum (WEF) gibt an, dass ganze 32% des gesamten weltweiten Verpackungsmülls das System unkontrolliert verließen. Also fast ein Drittel der gesamten Plastik-Verpackungen würden weltweit unkontrolliert in die Umwelt geworfen. Das sind schier unglaubliche Zahlen.
Wenn wir uns ausmalen, was dieses Drittel aller Verpackungs-Kunststoff-Abfälle an Schäden auf dieser Erde hervorruft, dann erscheinen die Diskussionen über Recycling, Müllverbrennung und Deponie fast zu einem Randthema zu verkommen. Man ist versucht zu sagen: Egal, was ihr mit dem Müll macht - solange der Kunststoff nicht unkontrolliert frei gesetzt wird, ist es besser.
Anstatt jedoch zeitnah zu recherchieren, wer die Sünder sein könnten, und anstatt Maßnahmen zu ergreifen, die weitere Einbringung der Kunststoffabfälle in die Meere zu unterbinden, wurde zunächst der Kunststoff als Ganzes verteufelt und Kampagnen gestartet, die uns nahelegen wollten, die Plastiktüten, die wir beim Aldi erwerben würden, seien die Ursache für den Plastik-Müll im Meer und wir einfache Menschen oder "Konsumenten" seien irgendwie jetzt schuld daran, dass die Meere sterben.
Wenn eine Diskussion über den grundsätzliche Sinn oder Unsinn von Plastik das realistische Ergebnis haben könnte, dass Plastik weltweit nicht mehr produziert und verwendet würde, dann könnte man diese Diskussion gerne führen. Da aber mit diesem Ergebnis nicht zu rechnen ist, steht die Frage im Raum, ob es sich um ein Ablenkungsmanöver handelt.
Angesichts der erschreckenden Informationen wäre es doch geboten, den Fokus auf die Verursacher, auf die Verursachungsmechanismen und auf die möglichen Gegenmaßnahmen zu richten. Zu einem gewissen Teil geschieht dies in den "westlichen" Ländern auch und, wollen wir den verfügbaren Zahlen trauen, auch mit Erfolg. In West-Europa und insbesondere in Deutschland wurde eine große Recycling-Industrie aufgebaut und die Sammelsysteme scheinen prächtig zu funktionieren. Aber wer spricht gegenwärtig beispielsweise davon, China, Indien und andere asiatische Länder mal beherzt zu bitten, ihr Augenmerk auf die Verhinderung des Eintrags von Plastik-Müll in die Meere zu richten? Wo sind die Petitionen, die sich an die asiatischen Länder richten? Wo sind die Appelle führender Politiker an unsere asiatischen Freunde?
Sehr wahrscheinlich (sofern wir den Zahlen von IUCN trauen) kommen die mit Abstand größten Einträge ins Meer aus Asien. Danach folgen mit großem Abstand Afrika und dann noch einmal mit Abstand Südamerika. Und dann kommen erst Europa und Nordamerika. Europa und Nordamerika liefern gemäß dieser Darstellung den mit Abstand geringsten Anteil an Kunststoff-Teilen. Bei den Mikro-Plastik-Einträgen liegen wohl Europa und Nordamerika deutlich vor Südamerika und Afrika und gesamt Ostasien liegt im Eintrag von Mikro-Plastik ins Meer ungefähr um die Hälfte höher, als Europa und USA zusammen.1 Dieser Quelle zufolge würden in West- und Zentraleuropa jährlich insgesamt 0,52 Mio. Tonnen Plastik ins Meer verbracht. die weltweite Menge läge bei jährlichen 9,5 Mio. Tonnen.
Als "Mikroplastik" werden nicht nur Nanopartikel definiert, welche beispielsweise in Kosmetika vielfach unsinniger Weise verwendet werden, sondern auch alle Partikel mit einer Größe unter 5 mm gelten als Mikroplastik. Das heißt, dass auch sich zersetzendes Plastik mit der Zeit zu "Mikroplastik" verwandelt wird.
Obwohl ich glaube (nicht weiß), dass Europa erheblich weniger Plastik ins Meer einbringt, als einige andere Kontinente, sollten doch weitere Zahlen genannt werden, die immerhin vom Bundesumweltamt veröffentlicht wurden und die eher eine andere Sprache sprechen: Dieser Veröffentlichung zufolge würden weltweit 30 Mio. Tonnen Plastik ins Meer eingeleitet. Europa würde laut UBA 2015 zwischen 3,4 und 5,7 Mio. Tonnen Plastik ins Meer einleiten. Damit hätte Europa einen überproportionalen Anteil an der Plastik-Meeres-Verschmutzung.
Da die Zahlen zu allen anderen Veröffentlichungen im Widerspruch stehen, will ich einen Fehler nicht ausschließen. Waren beispielsweise die gesamten Freisetzungen von Kunststoff gemeint, also auch außerhalb der Meere? Dann wären die Zahlen beispielsweise mit den von ECF genannten Zahlen wenigstens in der Größenordnung konsistent. Allerdings wäre dann auch der von Europa ausgehende Anteil alarmierend und er stünde vermutlich auch bei Berücksichtigung von Reifenabrieb und ähnlichen nicht zurück zu haltenden Kunststoffen im Widerspruch zu der Aussage, dass bei uns eigentlich fast alles gesammelt und wenigstens verwertet wird.
Weitere Quellen, die Zweifel an der schönen sauberen Recycling-Welt aufkommen ließen, waren unter anderem drei Videos aus dem Netz, welche sich mit dem Verbleib des Kunststoff-Mülls aus den USA beziehen, welche also nicht direkt auf Deutschland oder Europa bezogen werden können. Gleichwohl sprechen sie wichtige Fragen an bezüglich des Verbleibs von Kunststoff-Müll, welcher aus Industrienationen verschifft wird. Vermutlich werden die Abnahmewege für Plastik-Müll weltweit sehr ähnlich sein, sofern nicht durch spezielle Auflagen Anforderungen an die weitere Verwendung des Mülls gestellt und kontrolliert werden:
Ein Video von BuzzFeed regt recht deutlich an, das Recycling an sich in Frage zu stellen. BuzzFeed war ursprünglich mit Katzenvideos berühmt geworden. Aber auch CBC aus den USA stellen ähnliche Fragen, wobei auch die Methoden des Recyclings in China oder anderen Schwellenländern durch anschauliche Bilder beleuchtet werden. Diese Videos haben mich veranlasst, weiter zu recherchieren und diesen Artikel zu schreiben.