Was geschieht mit unserem Kunststoffmüll?

Seite 2: Was tun?

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Mich interessierte nun vor allem die Frage, auf welche Weise wir Deutsche oder Europäer die Situation beeinflussen können. Inwiefern gelangt unser eigener Müll in die Meere? Sollten wir nun nach Kräften Plastik einsparen, in dem wir alternative Materialien wie Baumwolle, Papier, Glas oder Metalle bevorzugt als Ersatz für Plastik verwenden? Würden die Verwendung dieser alternativen Materialien gesamtheitlich die Umwelt entlasten? Oder könnten wir durch Aufklärung Einfluss auf unsere Politik nehmen oder gar auf die Politik anderer Länder? Welche Verantwortung haben wir überhaupt, direkt oder indirekt, für diese Misere?

Ohne dies im Folgenden weiter zu untersuchen, gehe ich davon aus, dass der Energieaufwand oder der Ressourcenaufwand zur Erzeugung von Papier-Verpackungen, Glasverpackungen oder Blechverpackungen grundsätzlich nicht niedriger ist, als der von Kunststoffverpackungen. Dies zu untersuchen wäre ein eigenes Thema.

Dass Deutschland Trenn-Weltmeister im Bezug auf das Verhalten der Menschen und "Konsumenten" mit Abfällen ist, wurde oft genug berichtet. Ebenfalls nehme ich an, dass vergleichsweise wenig Kunststoffabfall von Menschen aus Deutschland direkt in das Meer eingebracht wird, sei es durch Wegwerfen von Verpackungen in Flüsse oder an der Küste oder sei es auf Schiffsreisen. Ebenso würde ich in meiner kindlichen Naivität annehmen, dass Plastik, der von deutschen Betrieben zum Recycling angenommen wird, ebenfalls nicht über deutsche Flüsse ins Meer gelangen dürfte oder in relevanten Mengen frei gesetzt würde.

Der bedeutendste Stoffstrom, über den deutscher Verpackungsmüll überhaupt ins Meer gelangen könnte, wäre wahrscheinlich der Export von Kunststoff-Müll in andere Teile der Erde außerhalb Westeuropas. Und zu diesem Punkt waren ja jüngst Meldungen durch die Presse gegangen, die auf ein Problem durch den Wegfall Chinas als weltweiter Hauptabnehmer für Plastik-Müll hingewiesen hatten.

Weder im Falle Chinas, noch im Falle aller anderen möglichen Abnehmerländer liegen uns brauchbare Informationen darüber vor, unter welchen Umständen Recycling stattfindet, ob unsere Abfälle überhaupt recycelt werden oder inwieweit dies kontrolliert wird. Da bis heute unser Müll einen positiven Wert auf dem Weltmarkt hat, da wir also bis heute Geld für unseren Müll erhalten, wäre anzunehmen, dass dieser Müll dann nicht auf den Meeren einfach von Bord geht oder dass er in den Empfänger-Ländern in die Flüsse geworfen wird. Aber wissen tun wir das nicht und wir werden darüber auch nicht eingehender informiert.

Für Deutsche und Europäer sehe ich daher zwei Fragen von besonderem Interesse:

- Wie viel Müll verlässt Deutschland oder Europa nach Übersee?

- Wie wird sichergestellt, dass unsere exportierter Müll sachgemäß behandelt wird und unter keinen Umständen in die Umwelt "verloren geht"?

Wir sprechen von 1,5 Mio. Tonnen Kunststoffabfällen, die laut Umweltbundesamt 2016 ins europäische und nicht-europäische Ausland exportiert wurden. 560.000 Tonnen seien nach China gegangen, 200.000 Tonnen nach Hongkong. Der größte Teil dieser Exporte bestünde nach Schätzung einer Mitarbeiterin des Umweltbundesamtes aus Industrieabfällen, die teilweise in direkten industriellen Handelsbeziehungen ausgetauscht worden seien, also nur in begrenztem Umfang durch den Staat zu kontrollieren seien. In einem Telefonat erfuhr ich von dieser Mitarbeiterin, dass man davon ausginge, dass nur ein kleiner Teil der Abfälle aus dem gelben Sack Deutschland und Europa verlassen würde. Über diesen kleinen Teil gibt es jedoch keine verfügbaren Zahlen, ebenso wenig wie über die Zielländer oder die Kontrollen über den weiteren Umgang mit diesen Abfällen.

Eine Präsentation von Conversio bzw. plasticseurope.org nennt auf Folie 112 des Dokuments 710.000 Tonnen Plastik jährlich, die aus Verbraucher-Abfällen in den Export gingen. Freilich erhalten wir auch hier keine weiteren Angaben über den Verbleib.

Zum Vergleich: Der gesamte Anfall von Kunststoffabfällen in Deutschland liegt gemäß der gleichen Quelle jährlich bei etwas über 6 Mio. Tonnen, wovon knapp über 3 Mio. Tonnen Verpackungsabfälle darstellen. Bemerkenswert ist, dass in Deutschland über 14 Mio. Tonnen jährlich verarbeitet werden, so dass über die Hälfte des produzierten Kunststoffes entweder in Produkten verbleibt (insbesondere in der Baubranche mit langlebigen Produkten) oder beispielsweise über Gebraucht-Autos das Land verlässt, bevor es zum Abfall wird. Hier liegt es an den Zielländern, was mit dem in den Produkten bzw. Autos enthaltenen Plastik geschieht.

Mit anderen Worten: Wir können aufgrund verfügbarer Daten nur sehr grob die Größenordnung des exportierten Plastik-Mülls eingrenzen. Über die weitere Behandlung des aus Deutschland oder Europa exportierten Plastik-Mülls sind insbesondere nach dem Wegfall Chinas als Importeur so gut wie keine brauchbaren Informationen verfügbar.

Da es sich doch um erhebliche Mengen an Plastik-Müll handelt, ist diese mangelnde Sorgfalt im Umgang mit Plastik-Müll nicht akzeptabel. Von uns "Verbrauchern" wird verlangt, minutiös alles zu trennen. Mittelständische Betriebe werden zunehmend an die kurze Leine genommen, was ja in Bezug auf relevante Umweltgefahren an sich nicht verkehrt sein muss. Aber der Staat zeigt an dieser Stelle, dass er die Menschen im Land stärker zu gängeln bereit ist, als er selbst seiner Verantwortung für unseren Müll nachzukommen bereit ist.

Wenn ein Bewohner Deutschlands sicher gehen wollte, dass sein Müll nicht an fernen Küsten ins Meer gelänge, müsste er seinen Plastik-Müll in den Hausmüll entsorgen, denn das wäre die einzige Möglichkeit, sicher zu gehen, dass er auch wirklich wenigstens verbrannt würde. Und ich gehe davon aus, dass das Verbrennen von der Gesamtmenge an Plastik-Müll immer noch besser wäre, als dass ein auch nur kleiner Teil unseres Plastik-Mülls ins Meer gelänge.

Ich persönlich erachte die Verbrennung von Plastik-Müll als weniger problematisch, als es vielfach angenommen wird. Plastik hat im allgemeinen ungefähr denselben Brennwert wie Erdöl. Polyethylen hingegen benötigt zur Herstellung rund ein Drittel mehr Erdöl, als es selbst wiegt. Bei Polystyrol liegt der Mehraufwand bei knapp über 50%. Das heißt, dass die Menge der verlorenen Ressourcen insbesondere bei einfachen Kunststoffen nur geringfügig über dem Gewicht der Kunststoffabfälle liegt.3 Bei PET beträgt der Energieverbrauch zur Herstellung bereits etwa die dreifache Menge an Erdöl des Eigengewichts des Kunststoffes und bei hochwertigen Industriekunststoffen kann der Energiebedarf auch um ein vielfaches höher liegen. Aber wenn wir von einfachen Verpackungen sprechen, wäre ein Recycling sicher wünschenswert, aber es wäre es nicht wert, wenn dadurch an anderer Stelle weiterer Ressourcenaufwand entstünde oder wenn insbesondere durch das Umgehen unrealistischer Regelungen schwere Umweltschäden die Folge wären.

Natürlich wäre es mehr als wünschenswert, wenn gleichwohl eine möglichst große Menge unseres Plastik-Mülls recycelt würde und nicht verbrannt.

Sollte also unser schönes neues Verpackungsgesetz seinen Zweck erfüllen und eine Schonung der Ressourcen und der Umwelt bewirken, so wären vermutlich erheblich höhere Maßstäbe an Dokumentation und Kontrolle bezüglich des Plastik-Müll-Exportes zu stellen!

Warum wird das Mehrweg-System nicht stärker gepflegt und ausgebaut?

Bereits "das bessere Müllkonzept", eine Volksbefragungsinitiative in Bayern aus dem Jahre 1990 hatte den Schwerpunkt auf Müllvermeidung gelegt und wurde unter anderem mit Unterstützung der Medien knapp verhindert. Stattdessen kamen damals die Vorläufer der heutigen Abfallgesetze zur Anwendung. Kritiker der dann eingesetzten Regelungen monierten, kein Interesse an echter Vermeidung von Abfällen erkennen zu können.

Allerorts verdrängen heute PET-Einweg-Flaschen, Getränkekartons, Aludosen und selbst Einweg-Glasflaschen die bewährte Mehrwegflasche. Während anfangs in Bio-Läden Brotaufstriche in kleinen Mehrweggläsern angeboten worden waren, ist dieses Angebot vollständig verschwunden. Das Argument des Energieverbrauchs für den Transport der Mehrwegbehältnisse könnte entkräftet werden, in dem regionale Lieferketten gefördert würden Diese regionalen Lieferketten werben ja ohnehin bereits in vielen Supermärkten mit eigenen Regalen für sich, was schon für sich betrachtet eine erfreuliche Entwicklung ist.

Ich würde mir wünschen, es gäbe ähnlich zu den etablierten Mehrwegflaschen für Obstsäfte, Milch, Bier und Joghurt auch genormte Gläser für Konserven in verschiedenen Größen. Gäbe es Gläser beispielsweise für 120 ml, 250 ml, 500 ml und 750 ml, könnten in diesen Gläsern eine Vielzahl von haltbaren Produkten eingelagert werden, wie es mit dem alten Einweckglas ja schon einmal Geschichte geworden war.

Saure Gurken, eingemachte Paprika, Gemüsemais, Fertig-Suppen oder Fertig-Ravioli, Marmelade, Kompott und unzählige Produkte, die im Supermarkt eine Reihe von Gängen füllen, könnten vollständig mit Mehrweg-Gläsern verpackt werden und deren Glas-Müll oder viele Blechkonserven könnten vollständig vermieden werden. Einweg-PET-Flaschen halte ich für alles andere als zeitgemäß und sie gehören durch Mehrweg-Flaschen ersetzt.

Mehrweg-Gläser zur Nutzung als Konserve hätten großes Potential zur Vermeidung von Abfall. Foto: Lyza. Lizenz: CC BY-SA 2.0