zurück zum Artikel

Was ist die primäre Funktion des Bewusstseins?

Nach einer Studie von Psychologen wird das Bewusstsein vor allem dann als Vermittler und Entscheidungsinstanz eingeschaltet, wenn unvereinbare motorische Handlungsabsichten vorliegen

Warum ist Bewusstsein primär entstanden? US-Psychologen glauben, einen Hinweis darauf gefunden zu haben, dass Bewusstsein ursprünglich die Funktion hatte, unvereinbare Handlungen zu lösen. Der Gedanke dahinter ist der, dass ein Mensch sich nicht gleichzeitig in verschiedene Richtungen bewegen kann und bei inkompatibeln Anforderungen motorisch die Entscheidung treffen muss, etwa rechts oder links zu laufen.

Kaum untersucht sei, so sagen die Psychologen, der Zusammenhang zwischen Konflikten und der subjektiven Erfahrung. Dies sei wissenschaftlich eine "terra incognita". Sie verweisen auf den Stroop-Test, bei dem Versuchspersonen Worte in einem farbigen Feld lesen müssen. Passen diese nicht zusammen, beispielsweise das Wort BLAU in einem roten Feld auftaucht, dann verlängert sich die Reaktionszeit und häufen sich die Fehler. Untersucht worden seien aber nur die kognitiven oder neuronalen Grundlagen, nicht aber die subjektiven Folgen.

Viele Konflikte werden unbewusst gelöst, die eigenwillige Hypothese der Psychologen ist, dass das Bewusstsein dann eingeschaltet wird, wenn es um die Kontrolle der Skelettmuskeln geht weil dies gewissermaßen eher Eindeutigkeit erzwingt als bei kognitiven oder perzeptuellen Konflikten. Mit dem Bewusstwerden wird dann durch eine Art Dialog (cross talk) versucht, die widersprechenden Bewegungsintentionen zu lösen. Während Konflikte auf der Wahrnehmungsebene wie konfligierende Stimuli das Bewusstsein oft nicht sonderlich beschäftigen, sei eine starke Aktivität bei Konflikten für die motorische Steuerung zu beobachten – selbst wenn diese nur bewusst als Handlungsplan vorgestellt, aber noch gar nicht realisiert werden.

Aufgebracht hatte diese Theorie der primären – natürlich nicht ausschließlichen - Funktion des Bewusstseins zur willentlichen Steuerung von Muskeln, die mit dem Skelett verbunden sind, Ezquiel Morsella [1], der auch leitender Autor diese Studie ist. "Wenn das Gehirn einem System von Computern gleicht die verschiedene Aufgaben steuern", so versucht er seine Theorie zu erklären [2], "dann ist das Bewusstsein einem WLAN, das es den Hirnarealen ermöglicht, miteinder zu sprechen und zu entscheiden, welche Handlung gewinnt" und ausgeführt wird."

Für ihre Studie " The Essence of Conscious Conflict: Subjective Effects of Sustaining Incompatible Intentions", die in der Oktoberausgabe der Zeitschrift Emotion [3] erschienen ist, ließen sie daher Versuchspersonen, die zuvor zur Selbstwahrnehmung trainiert wurden, sich vorstellen, einander widersprechende Aktionen ausführen zu wollen, beispielsweise mit derselben Hand gleichzeitig einen Knopf links und rechts zu drücken. Solche Konflikte rufen stärkere Veränderungen im Bewusstsein hervor als miteinander vereinbare Absichten, beispielsweise zu einem Knopf langen und den Arm dabei wackeln zu lassen, oder solche Vorstellungen, die keine Bewegungen von Skelettmuskeln einschießen. Die Versuchspersonen mussten die Stärke der "Aktivität" des Bewusstseins auf einer Skala angeben.

Damit soll die Theorie bestätigt werden, dass das Bewusstsein primär auf die Ausführung von Tätigkeiten ausgerichtet ist. Eine der Funktionen sei, diese Handlungen durch Simulation vorwegzunehmen. Deswegen könnten sich dann auch Handlungen in der Zukunft bewusst planen lassen. Allerdings kann die Hypothese wohl nur einen möglichen Aspekt von Bewusstsein deutlich machen. Ob es ein primärer ist, bleibt eine Behauptung, zumal sicherlich auch kognitive und emotionale Zerrissenheiten sowie Konflikte in der Wahrnehmungsdeutung schnell gelöst werden müssen, wenn keine Routinen vorhanden sind, also sicherlich auch Bewusstsein und Aufmerksamkeit zur Lösung benötigen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3382882

Links in diesem Artikel:
[1] http://bss.sfsu.edu/emorsella/people.html
[2] http://www.sfsu.edu/news/2009/fall/10.html
[3] http://psycnet.apa.org/index.cfm?fa=browsePA.volumes&jcode=emo