Was läuft schief im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
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Ein neuer Weg für den ÖRR: Nötig sind tiefgreifende Reformen. Gastbeitrag.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) ist ein Eckpfeiler unserer Gesellschaft, der eine Schlüsselrolle bei der Informationsvermittlung, der kulturellen Verbreitung und der Meinungsbildung spielt.
In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass der ÖRR vor einer Vielzahl von Herausforderungen steht, die seine Funktionsweise und Relevanz infrage stellen.
Von strukturellen Problemen bis hin zu Vertrauenskrisen und fehlender Transparenz – die Liste der Anliegen ist lang.
Dieser Artikel untersucht eingehend die wichtigsten Problembereiche des ÖRR und bietet konkrete Reformvorschläge, um diesen Herausforderungen zu begegnen und die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern.
Aufgestaute Probleme
Die ganzen Herausforderungen, denen der ÖRR momentan gegenübersteht, sind nicht neu, was auch dieser öffentliche Brief von 2017 verdeutlicht, unterschrieben von mehr als 30 Medienwissenschaftler:innen.
Die "angeschlossenen Funkhäuser" müssen sich mit den Tiefen der Probleme auseinandersetzen. Angefangen mit der Basis: die Struktur des Systems.
Strukturfragen
Die Struktur des ÖRR ist ein grundlegender Diskussionspunkt. Viele Kritiker, unter anderem der Journalist und Fernsehproduzent Friedrich Küppersbusch, sehen die Notwendigkeit, die Organisationsstruktur zu überdenken, um die Effizienz zu steigern und sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Zuschauer in einer sich wandelnden Medienlandschaft erfüllt werden.
Küppersbusch sprach im Deutschlandfunk (DLF) von einem "Gremieninfarkt". Auch die Rolle der Intendanten "gehöre auf den Prüfstand".
Programmauftrag und Qualität
Ebenfalls die Programmkritik an die Öffentlich-Rechtlichen rückte in den letzten Jahren in den Vordergrund. Der Programmauftrag umfasst die Bereitstellung von hochwertigen und vielfältigen Inhalten, die die Bedürfnisse der Gesellschaft in den Bereichen Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung erfüllen sollen.
Gleichzeitig muss eine ausgewogene und unabhängige Berichterstattung gewährleistet werden, mit dem Ziel, eine breite Palette an Meinungen und Perspektiven abzubilden und die gesellschaftliche Partizipation, sowie die kulturelle Vielfalt zu fördern.
Dies wird jedoch zurzeit nicht erfüllt und die Qualität mancher Programme entspricht einfach nicht den Ansprüchen. Zudem bedeutet die aktuelle Unstimmigkeit über die Programmkritik, dass die Kontrollgremien zur Prüfung der Erfüllung des Programmauftrags nicht funktionieren. Es geht also darum, den Reformbedarf auf dieser Ebene anzugehen.
Fakt ist: Die Wurzel der Probleme liegt im strukturellen Aufbau der Rundfunkanstalten.
Vertrauenskrise seitens der Mitarbeitenden
Das wirkt sich auch auf die Zuweisung von Geld- und Produktionsmittel aus, sowie auf Entscheidungen in den Redaktionen. In vielen Rundfunkanstalten herrscht ein Vertrauensverlust zwischen den Führungskräften und Mitarbeitenden.
Arbeitsüberlastung und lähmende Rahmenbedingungen seien der Grund. Mitarbeitende beklagen, dass das Große und Ganze aus dem Blickfeld der Führungsriege verschwunden sei.
Wahrscheinlich muss dieses Große und Ganze auch durch den Strukturwandel und die zunehmende Digitalisierung neu definiert werden.
"Wir müssen aus dem bisherigen System ausbrechen", ist auch die Ansicht des WDR-Intendanten Tom Buhrow. Ende 2022 sprach er sich dafür aus, ARD und ZDF "ohne Tabus" zu reformieren.
Mit seinem plötzlich geläuterten Auftreten warf sich Buhrow allerdings nur hinter den fahrenden Zug.
Alle relevanten Aspekte nimmt kaum jemand in den Bick, vielmehr droht eine echte Reform an Partikularinteressen – zum Beispiel in einigen Bundesländern oder parteipolitisch – zu scheitern.
Vertrauenskrise seitens der Zuschauer und Zuhörer
Mandy Tröger, Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin, sowie Kolumnistin der Berliner Zeitung, hat sich zur Reformdebatte und ebenfalls zur herrschenden Vertrauenskrise geäußert.
Laut Studien misstraut jede*r vierte Deutsche den deutschen Medien, in Ostdeutschland sogar jede*r Dritte. (…) Es bleibt unklar, welche Berichterstattung genau als vertrauenswürdig angesehen wird.
Mandy Tröger
Die Vertrauensfrage ist laut ihr mit eines der Hauptprobleme, sowie der Punkt, dass: "Regionale, kulturelle, wirtschaftliche und soziale Differenzierungen auch deshalb wichtig sind, weil Studien zur gesellschaftlichen Spaltung in Deutschland zeigen, dass die Hauptkonfliktlinien "nicht primär zwischen Ost und West, sondern zwischen gesellschaftlichen Gruppen mit unterschiedlichen Einstellungsmustern" verlaufen – und die finden sich in allen Landesteilen".
Demnach gilt dies ebenfalls als wichtiger Anhaltspunkt zur Problemlösung.
Tröger kommt zu dem Schluss, dass:
diese und andere innovativen Impulse, die über die bestehenden Normen hinausgingen, unter der Dominanz westdeutscher politischer Akteur*innen letztlich unberücksichtigt blieben. Warnungen, dass strukturelle Schwächen des öffentlich-rechtlichen Systems nicht in den Osten übertragen werden sollten (etwa Parteienproporz und -dominanz in den Gremien), wurden ignoriert. Nicht zuletzt deshalb gab es im Osten Deutschlands nach 1990 kaum eine eigenständige rundfunkpolitische Entwicklung.
Was leider auch jetzt noch immer aktuell ist.
Tröger ist der Meinung:
Aktuelle Reformdebatten rund um den ÖRR können aus ostdeutschen Erfahrungen lernen.
Mandy Tröger
Hingegen bescheinigt die Universität Mainz in ihrer Langzeitstudie Medienvertrauen dem ÖRR zwar sinkendes, aber immer noch vergleichsweise großes Vertrauen.
Fehlende Staatsferne
Zusätzlich ist die politische Ausrichtung des ÖRR Gegenstand von Kritik: bemängelt wird u.a. eine zu große Regierungsnähe, parteipolitische Einseitigkeiten, mangelnde Ausgewogenheit des Programms, sowie Überbürokratisierung und selbstherrliche Führungskräfte, teilweise mit ausgeprägter Selbstbedienungsmentalität.
Die Forderung nach einer breiteren Vielfalt von Meinungen und Perspektiven könnte die Diskussion darüber verstärken, wie der ÖRR die Interessen der gesamten Bevölkerung besser repräsentieren kann.