zurück zum Artikel

Was tun, wenn die Hitze nach Deutschland zurückkehrt?

Hitzewellen stellen eine Herausforderung für die Gesellschaft dar. Schulen, Sport, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen müssen vorbereitet sein. Diese Regeln gelten.

Wann genau es hitzefrei gibt, bleibt in der Regel den einzelnen Schulen überlassen. Die Schulen entscheiden vor Ort, was zu tun ist und ob Kinder nach Hause geschickt werden dürfen. Das ist in jedem Bundesland unterschiedlich [1] geregelt.

In Bayern gibt es keine generelle Regelung für Hitzefrei ab einer bestimmten Temperatur. Die Schulleitungen haben jedoch bei ihrer Entscheidung darauf zu achten, dass die Schülerbeförderung nicht gefährdet ist.

In Baden-Württemberg gilt eine Außentemperatur von mindestens 25 Grad um 11 Uhr als Kriterium für die Schulleitung. In Nordrhein-Westfalen gilt eine Raumtemperatur von mehr als 27 Grad Celsius, Hitzefrei ist in der Sekundarstufe II nicht vorgesehen. In Brandenburg kann an Grundschulen und in der Sekundarstufe I hitzefrei gegeben werden, wenn um 10 Uhr draußen oder um 11 Uhr drinnen 25 Grad gemessen werden.

Mehr Hitzeschutz an Schulen mit einheitlichen Regeln fordern Gewerkschaften und Elternvertreter – mit Blick auf künftige heiße Sommer. Auch der Bundeselternrat fordert einheitliche Standards statt des derzeitigen föderalen Flickenteppichs, berichtet das ZDF.

Die ideale Lerntemperatur liege bei 21 Grad, erklärte demnach Christiane Gotte vom Bundeselternrat. Als möglichen Richtwert für Hitzefrei nannte die Elternratsvorsitzende etwa 25 Grad im Schatten draußen um 10 Uhr. Als Alternative zu einfachem Hitzefrei sprach sie sich dafür aus, bei hohen Temperaturen den Unterricht oder die Betreuung ins Freie zu verlegen.

Unterrichtsformen im Freien sollten "verstärkt erprobt werden", sagte auch Anja Bensinger-Stolze vom Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft dem Bericht zufolge. Sie sieht die Zeit reif für "eine breite Diskussion über mögliche Reaktionen in Schulen auf große Hitze". Dabei sollten Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie das Personal einbezogen werden.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) ermuntert seine Mitglieder dazu, den Unterricht flexibel zu gestalten und Orte wie den Schulgarten, nahe gelegene Parkanlagen oder den Wald stärker in den Unterricht einzubinden, erklärt VBE-Vizechef Tomi Neckov. Besonders für Ganztagsschulen sei dies von entscheidender Bedeutung.

Eine weitere Möglichkeit wäre, bei großer Hitze den Unterricht in kühlere Tageszeiten zu verlegen, z. B. früher zu beginnen und später zu beenden und dazwischen eine längere Mittagspause einzulegen. Dies käme auch dem Vorschlag des Verbandes der Amtsärzte entgegen. Dieser fordert angesichts der hohen Temperaturen im Sommer eine "Siesta" in der Mittagszeit – nach dem Vorbild südeuropäischer Länder, wo die Siesta zum Alltag gehört.

Grundsätzlich sollte bei Sanierungen und Neubauten von Schulen der Wärmeschutz stärker berücksichtigt werden. Die Räume sollten besser gegen Hitze isoliert werden. Schulen sollten mit Wasserspendern und großzügigen Schattenflächen ausgestattet werden. Wichtig sei auch eine gute Belüftung der Räume. Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, sieht hier Bund und Länder in der Pflicht, entsprechende Lüftungsanlagen zu finanzieren.

Wann können Veranstaltungen wie Sportturniere abgesagt werden?

Auch bei Sportveranstaltungen gibt es keine einheitlichen Regelungen. So gibt es nach Recherchen des BR weder bei den Sportverbänden noch bei den Schulbehörden einheitliche Regelungen zum Hitzeschutz. Dennoch fanden kurz vor den Sommerferien vielerorts Bundesjugendspiele, Sportfeste und Breitensportturniere auch bei Temperaturen von deutlich über 30 Grad statt.

Ob Bundesjugendspiele oder andere Sportveranstaltungen bei extremen Witterungsbedingungen verschoben oder abgesagt werden, liege im Ermessen der jeweiligen Schule, erklärt Monika Ettl, Schulamtsdirektorin am Staatlichen Schulamt Nürnberg.

Das gelte für Unwetterwarnungen ebenso wie für Hitze. Einheitliche Temperaturvorgaben gebe es nicht, da auch örtliche Gegebenheiten wie Schatten auf dem Sportplatz berücksichtigt werden müssten, erklärt ein Sprecher des bayerischen Kultusministeriums gegenüber dem BR [2].

Die Sicherheit der Schüler muss jedoch jederzeit gewährleistet sein. Bereits vor 30 Jahren hat das Bayerische Kultusministerium eine Bekanntmachung zum "Sportunterricht bei erhöhter Ozonkonzentration" herausgegeben.

"Ab einer Ozonkonzentration von 360 µg/m³ wird aus Vorsorgegründen kein Schulsport im Freien durchgeführt. Bei stark erhöhten Ozonwerten sollte der Unterricht daher – wenn möglich – vom Freien in die Halle verlegt werden", heißt es dort.

Ein einheitliches Hitzeschutzkonzept gibt es nicht, erklärt auch der Bayerische Landessportverband (BLSV) auf Anfrage. Da sich Hitze je nach Sportart unterschiedlich auswirke, müssten die Sportfachverbände entsprechende Regelungen treffen.

Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) hat Empfehlungen zum Thema "Fußball bei Hitze" [3] herausgegeben, die sich aber vor allem auf die Trinkmenge beziehen. Grundsätzlich liege die Entscheidung über einen witterungsbedingten Abbruch bei den Schiedsrichtern, die auch die Spieldauer verkürzen könnten, heißt es auch hier.

Wenn möglich, sollten Spiele in die Abendstunden verlegt werden. Die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter in Bayern werden gebeten, bei Bedarf Trinkpausen zu gewähren. Die Praxis einer zweiminütigen Trinkpause in der Mitte jeder Halbzeit bei ruhendem Spiel hat sich in den vergangenen Jahren bewährt.

Im Bayerischen Tennisverband (BTV) regelt eine Handlungsanweisung Spielverlegungen bei extremer Hitze. Danach ist die Voraussetzung für eine Verlegung gegeben, wenn "die für den Spieltag vorhergesagte Tageshöchsttemperatur mindestens 34,0 Grad Celsius beträgt". Die Temperatur muss nachvollziehbar dokumentiert werden.

In Schleswig-Holstein forderte die SPD Anfang Juli einen Hitzeplan. "Bei Temperaturen ab 35 Grad soll das öffentliche Leben eingeschränkt werden, sodass Großveranstaltungen und Sportturniere nicht stattfinden", schrieb die Sozialpolitikerin Birte Pauls in einem entsprechenden Antrag [4].

Überfüllte Notaufnahmen und Krankenhäuser

Ende Juni/Anfang Juli litten während einer Hitzewelle viele ältere Menschen unter Erschöpfung und Kreislaufproblemen [5]. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser waren stärker gefüllt als üblich – wie in Thüringen. Betroffen waren vorwiegend ältere Menschen, die dehydriert und erschöpft waren und unter Kreislaufproblemen litten, erklärte eine Sprecherin des Helios-Klinikums in Erfurt.

Auch bei chronisch kranken Patienten mache sich die drückende Hitze bemerkbar. Bei vielen habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Einen Anstieg der Patientenzahlen [6] meldete auch das SRH-Krankenhaus Waltershausen-Friedrichroda.

Demnach gab es hierzulande in den Jahren mit vielen Hitzetagen überdurchschnittlich viele hitzebedingte Behandlungen in Krankenhäusern und Todesfälle. Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte sorgten Hitzewellen für durchschnittlich 1.500 Krankenhausbehandlungen pro Jahr. Hitzschläge, Sonnenstiche und andere durch hohe Temperaturen oder Sonnenlicht verursachte Schäden führten im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2021 zu knapp 1.500 Klinikbehandlungen pro Jahr [7].

Hitze als direkte Todesursache ist jedoch mit durchschnittlich 19 Fällen pro Jahr eher selten. Bei sehr hohen Temperaturen steigt jedoch die Sterblichkeit insgesamt an, da in vielen Fällen die Kombination von Hitze und Vorerkrankungen das Sterberisiko erhöht. So kam es auch in den vergangenen Sommern in den Hitzewochen zu einem Anstieg der Sterbefälle [8].

Eine weitere Ursache für Krankenhauseinweisungen und Todesfälle sieht das Statistische Bundesamt in der Austrocknung durch zu geringe Flüssigkeitszufuhr oder erhöhten Flüssigkeitsverlust. So haben sich innerhalb von 20 Jahren die Krankenhausbehandlungen wegen Flüssigkeitsmangel verdoppelt [9].

Im Gesundheitssektor scheint nun Bewegung in die Sache zu kommen: Im Rahmen des Pilotprojektes "Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin [10]" entwickelten die Initiatoren Pläne für Krankenhäuser, ambulante Praxen, ambulante oder stationäre Pflege etc., die den Einrichtungen als Handlungsgrundlage dienen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9231268

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/schule-hitzefrei-regeln-100.html
[2] https://www.br.de/nachrichten/bayern/sport-bei-hitze-wann-koennen-veranstaltungen-abgesagt-werden,TkH4bPt
[3] https://www.bfv.de/news/servicethemen/2023/07/fussball-bei-hitze
[4] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/schleswig-holstein-spd-will-oeffentliches-leben-bei-hitze-einschraenken-a-74c93cf4-0f86-476c-879e-27654237da64
[5] https://www.scinexx.de/news/geowissen/europa-die-hitze-beginnt-erst/
[6] https://www.tagesschau.de/inland/regional/thueringen/mdr-hitze-fuellt-thueringer-notaufnahmen-100.html
[7] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/06/PD23_N039_231.html
[8] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html
[9] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/klinik-hitze-100.html
[10] http://