Was uns die Dürre in Kalifornien über den Klimawandel verrät
Eines der wichtigsten Agrargebiete der USA sieht sich erneut mit einer Wasserkrise konfrontiert. Es drohen massive Ernteverluste
Die Schneeschmelze in den Bergen der Sierra Nevada, dem "verschneiten Gebirgszug" Kaliforniens, bildet eine der wichtigsten Wasserquellen des westlichen Bundeslandes der Vereinigten Staaten. Doch dieses Jahr scheint die alljährliche, im Frühling einsetzende Wasserzufuhr gänzlich auszubleiben, wie die Los Angeles Times kürzlich warnte.
Zwar erreichte die Schneedecke in diesem Jahr nur 59 Prozent des langjährigen Durchschnittswertes, doch hofften die Hydrologen des Bundesstaates, in dem sich eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Anbaugebiete der USA befindet, dass die Schneeschmelze dennoch die Wasserreservoirs zumindest etwas auffüllen werde. Doch dem war nicht so: Das im Frühjahr in der Sierra sich bildende Schmelzwasser kam zumeist gar nicht mehr an den Gebirgsausläufern an, da es sofort in der ausgedörrten Erde versickerte, oder in der trockenen, warmen Luft verdunstete.
73 Prozent der Fläche von "schwerer oder extremer" Dürre betroffen
Wenn der Schnee der Sierra "im Boden versickert oder verdunstet, bevor er in die Reservoirs flussabwärts fließen" könne, dann sei klar, dass Kalifornien sich wieder in einer schweren Dürre befinde, erläuterte die Los Angeles Times. Dabei sieht sich nahezu der gesamte Westen der Vereinigten Staaten seit Jahren mit einer schweren Trockenperiode konfrontiert.
Die New York Times (NYT) berichtete Mitte Mai unter Verweis auf den entsprechenden Überwachungsdienst, den United States Drought Monitor, dass 84 Prozent des Westens der USA einen mehr oder minder stark ausgeprägten Wassermangel erfahren. Knapp die Hälfte des Westens sei gar von einer "schweren oder extremen" Dürre betroffen. In Kalifornien sei die Lage nochmals dramatischer, hier fielen 73 Prozent der Fläche in diese beiden Kategorien.
Obwohl Kalifornien 2019 starke Regelfälle und sogar Überschwemmungen verzeichnet hatte, konnten sich die Böden der Sierra Nevada nicht von der historischen Dürre der Jahre 2012 bis 2016 erholen. Der Boden ist weiterhin so trocken, dass er Schmelzwasser wie ein Schwamm aufnimmt. Die Trockenheit der letzten zwei Jahre wird somit verstärkt durch die Langzeitfolgen der Dürre in der vergangenen Dekade.
Klimakrise und Dürre
Seit dem Ende der Dürreperiode von 2012 bis 2016 gab es eigentlich nur zwei Jahre, in denen ausreichend Niederschlag verzeichnet wurde: 2017 und 2019. Nun scheint eine abermalige Trockenperiode einzusetzen, die durch den Klimawandel verstärkt wird. Schon die Dürre zwischen 2012 und 2016 sei durch besonders hohe Temperaturen geprägt worden, was deren Effekte verstärkte. Auch diesmal sei es ähnlich, bemerkten Experten gegenüber der NYT. Die Hitze lasse mehr Wasser verdunsten und zwinge die Pflanzen, das Lebenselixier verstärkt aus dem Boden zu pumpen. Insbesondere 2020 sei mit seinen Rekordtemperaturen verheerend gewesen, hieß es in dem Ostküstenblatt.
Die Los Angeles Times zitierte wiederum wissenschaftliche Einschätzungen, wonach die Dürreperioden des 21. Jahrhunderts in dem "Sonnenscheinstaat" unzweifelhaft die Folge eines "dramatischen Klimawandels" seien. Die Kombination von "niedrigen Niederschlägen und hohen Temperaturen" führe demnach dazu, dass die Trockenheit besonders "intensiv" sei. Dasselbe Muster, das sich in der Dürre von 2012 bis 2016 bemerkbar machte, sei auch derzeit feststellbar.
Folglich scheint sich in Kalifornien schlicht die Klimakrise voll zu entfalten, was auch an den ungewöhnlich früh beginnenden Feuern deutlich wird. Die "Feuersaison" in dem Westküstenstaat setzt für gewöhnlich erst im Spätsommer ein, doch in diesem Jahr brennen schon im Mai viele ausgedörrte Wald- und Busch-Flächen, die Siedlungen und Städte bedrohen.
Gegenüber CNN sprachen Klimawissenschaftler von einer "Kombination von kurzfristiger extremer Dürre und langfristigen Klimawandel", die dazu führen werde, dass die diesjährige Feuersaison in Kalifornien – und in weiten Teilen des Westens der USA – besonders hart ausfallen dürfte. Nahezu der gesamte Bundesstaat Kalifornien warte aufgrund der großen, leicht entflammbaren Landflächen "nur auf eine Zündung".
Ausgepumpt und abgesackt
Während die Metropolregionen Los Angeles und San Francisco aufgrund umfassender Investitionen gut vorbereitet seien auf die kommende Dürre, sieht es für viele Kleinstädte und die Peripherie eher schlecht aus. In vielen verarmten Gegenden seien die Bewohner der drohenden Wasserkrise nahezu schutzlos ausgeliefert, erklärten Politiker der Demokraten, die insgesamt sechs Milliarden US-Dollar an Hilfsprogrammen einplanen, gegenüber der Los Angeles Times. In solchen Regionen drohe schlicht ein Zusammenbruch der Wasserversorgung, da die örtlichen Brunnen versiegen. Er könne sich noch an seine Kindheit in einem Haus ohne fließendes Wasser erinnern, erklärte ein Demokrat gegenüber dem Westküstenblatt - und ebendieses Schicksal drohe vielen Menschen im ländlichen Raum Kaliforniens.
Fest steht schon jetzt: Besonders hart wird die Landwirtschaft Kaliforniens von der Klimakrise getroffen, die gleich von zwei Seiten in die Zange genommen wird. Zum einen führt das ausblendende Schmelzwasser dazu, dass nur fünf Prozent des nachgefragten Nutzwassers geliefert werden können. Hinzu kommen die Folgen der übermäßigen Grundwasserentnahme durch die profitorientierte Agrarindustrie in den vergangenen Jahrzehnten, was zum Austrocknen vieler Brunnen führte. Inzwischen sinken Teile des Landes immer tiefer ab, weil die durch den Wasserraubbau entstandenen, unterirdischen Hohlräume einbrechen. Mitunter sind Straßen, Brücken und ganze Städte betroffen.
Aufgrund des politischen Drucks der starken Agrarlobby war Kalifornien das letzte US-Land, das 2014 Gesetze zur Regulierung der Grundwasserentnahme erließ, die im vollen Umfang - aufgrund langer Übergangsfristen - erst in zwei Jahrzehnten implementiert werden. Nun, da die zweite Schwere Dürreperiode einsetzt, drohen massive Ernteverluste. Die LA Times berichtete, dass ersten Schätzungen zufolge mehr als 200.000 Hektar Anbaufläche in diesem Jahr brachliegen werden. Mitunter würden Landwirte gar nicht mehr versuchen, Nahrungsmittel anzubauen - oder sie zerstören die verdorrenden Gemüsefelder.
"Obst- und Gemüsegarten" in Gefahr
Während der mittlere Westen aufgrund des dort vorherrschenden Getreide- und Maisanbaus als der Brotkorb der Vereinigten Staaten gilt, kann Kalifornien als deren Obst- und Gemüsegarten bezeichnet werden. Der Sonnenstaat ist für ein Drittel der Gemüse- und sogar zwei Drittel der Obstproduktion in den USA verantwortlich. Doch damit wird es in naher Zukunft ein Ende haben, was zur Verteuerung gesunder Lebensmittel zwischen New York und Los Angeles beitragen dürfte.
Inzwischen reagieren die Landwirte in der Region auf den offenbar voll einsetzenden Klimawandel mit dauerhaften Umstellungen beim Anbau, um durch die "Opferung" einer Nutzpflanzenart eine andere zu "retten". Der Trend in der kalifornischen Agrarindustrie mit ihrem jährlichen Umsatz von 50 Milliarden Dollar gehe laut lokalen Medien dahin, Pflanzen aufzugeben, die einen "niedrigen Marktwert und hohen Wasserkonsum" aufweisen.
Auf dem Rückzug befinde sich etwa Baumwolle, deren Anbaufläche von 520.000 Hektar 1995 auf nur noch 100.000 Hektar zurückgegangen ist. Ähnlich verhält es sich mit der durstigen Futterpflanze Alfalfa, bei der die Anbaufläche um rund die Hälfte schrumpfte. Auf dem Rückzug ist auch der Spargel, der bewässerungs- und arbeitsintensiv ist. Stattdessen werden zunehmend einjährige Nutzpflanzen angebaut, die man bei Dürren zur Not einfach unterpflügen könne, wie Tomaten, Karotten, Zwiebeln und Knoblauch.
Mit erheblichen Problemen sehen sich auch Kaliforniens Rinderzüchter und Milchbauern konfrontiert, da ihnen kaum noch Weideflächen zur Verfügung stehen und sie teuer Viehfutter zukaufen müssen. Zudem werden die verbliebenen Wasserressourcen oft zur Erhaltung von Nutzbäumen wie Pistazien und insbesondere der Mandelbäume des Landes aufgewendet - Kalifornien ist die weltweit führende Anbauregion dieser hochprofitablen Gewächse.
Zudem bedroht kontaminiertes Grundwasser die einstmals reichen Agrarregionen des "Sonnenscheinstaates". Die hochprofitable kapitalistische Agrarindustrie hat nicht nur das in Jahrmillionen akkumulierte Grundwasser der Region in einem erdgeschichtlichen Wimpernschlag größtenteils verbraucht - sie hat es durch jahrzehntelange Überdüngung in weiten Landstrichen schlicht vergiftet und für den menschlichen Konsum unbrauchbar gemacht.
Betroffen sind von dieser "landwirtschaftlichen Kontamination" des Grundwassers durch Nitrate vor allem verarmte Bevölkerungsschichten, die sich zumeist aus Minderheiten wie Latinos zusammensetzen und kaum finanzielle Spielräume haben, um tiefer nach sauberen Wasser zu bohren. Die Dürre von 2012 bis 2016, die Klimastudien zufolge als die schwerste Trockenperiode des vergangenen Jahrtausends in die Geschichte eingeht, habe nicht nur die Frage der Wasserverteilung aufgeworfen, sondern auch, wer überhaupt noch "Wasser erhält, das sich zum Trinken eignet", hieß es in Hintergrundberichten aus der Region.
Die Kontamination des Wassers durch Dünger und Mist stellt kein Randphänomen mehr dar: mehr als eine Viertelmillion Menschen in den Gemüse-Hauptanbaugebieten Kaliforniens hat keinen Zugang zum sauberen Trinkwasser mehr. Die ärmsten Latino-Gemeinschaften weisen das höchste diesbezügliche Risiko auf.
Die Suche nach Alternativen hat begonnen
Kalifornien wurde somit von der Agrarindustrie buchstäblich leergepumpt und vergiftet, während der voll einsetzende Klimawandel die Landwirtschaft in der klimatisch hochsensiblen Region zusätzlich erschwert - und perspektivisch unmöglich macht.
In US-Medien hat inzwischen die Suche nach alternativen Anbauregionen begonnen, die in die Rolle des klimabedingt zusammenbrechenden Agrarsektor Kaliforniens schlüpfen könnten. Diesbezügliche Hoffnungen werden etwa im mittleren Mississippi-Delta gehegt, in den östlichen Regionen von Arkansas, den Westen Tennessees und den Südosten Missouris. Zwar verfüge die Region bereits über eines ausdifferenzierten landwirtschaftlichen Sektor, doch müsste dessen Produktion massiv auf eine "kommerzielle Skala" ausgeweitet werden, hieß es in ersten Einschätzungen von Agrarwissenschaftlern.
Viele Gemüse- und Pflanzenarten könnten hier angebaut werden, wobei die zentrale Lage im Herzen der USA bei deren Distribution von Vorteil wäre. Es gebe aber auch "Hürden": Die härteren Winter machten demnach den Anbau von Südfrüchten kaum praktikabel - und die feuchteren Sommer gingen mit einem stärkeren Einsatz von Pestiziden einher. Zudem ist nicht klar, wie die Region des Mississippi-Deltas sich mittelfristig im Gefolge der globalen Klimakrise verändern wird.
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