Welt als Schlachtfeld: USA führen in 78 Staaten weiter schmutzige Kriege
Sind die USA im Frieden mit der Welt? Keineswegs, zeigt eine Studie. Wie der Anti-Terror-Apparat Washingtons bis heute, seit über 20 Jahren, global operiert.
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 starteten die Vereinigten Staaten den sogenannten "War on Terror", den Antiterrorkrieg. Afghanistan wurde wenige Wochen später bereits mit einem Luftkrieg angegriffen. Es folgten "Regime-Change" und Besatzung.
US-Präsident George W. Bush verkündete 2003 schließlich der US-amerikanischen Nation: "Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, in dieser Stunde befinden sich die amerikanischen Streitkräfte und die Koalitionstruppen in der Anfangsphase der militärischen Operationen zur Entwaffnung des Irak, zur Befreiung seines Volkes und zur Verteidigung der Welt vor einer großen Gefahr."
Der Überfall auf den Irak und Afghanistan erzeugte nicht nur Hunderttausende zivile Opfer, sondern die größte Flüchtlingskrise der Region in ihrer Geschichte. Ein verheerender Bürgerkrieg wurde im Irak zugleich in Gang gesetzt, der letztlich in die von geschassten sunnitischen Generälen unterstützte Terrororganisation ISIS mündete, die Terror in der ganzen Levante bis nach Syrien verbreitete.
Der US-Journalist Jeremy Scahill zeigte 2013 in seinem Bestseller-Buch "Dirty Wars: The World Is a Battlefield", wie der "Krieg gegen den Terror" schnell expandierte und US-Spezialkommandos überall auf der Welt "schmutzige Kriege" führen. Die Truppen seien dabei dem Weißen Haus direkt unterstellt und operierten ohne Kontrolle durch den US-Kongress.
Es sei de facto eine Privatarmee, mit der der US-Präsident jährlich Zehntausende Nachtrazzien, gezielte Tötungen, Sabotageakte oder Drohnenattacken weltweit durchführen lasse. Nach 9/11 und insbesondere unter Präsident Barack Obama wurden die schmutzigen Kriege zu einem globalen Tötungsprogramm in über 70 Ländern ausgeweitet.
Ist das aber heute noch der Fall? Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des US-Repräsentantenhauses, Jodey Arrington, jedenfalls sagte bei einer Anhörung im Kongress am Mittwoch, dass man sich nicht mehr "in einem Krieg befindet". Er fügte hinzu:
120 Prozent Schulden im Verhältnis zum BIP – das ist die höchste Verschuldung in der Geschichte unseres Landes und übertrifft den Zweiten Weltkrieg, und wir befinden uns nicht im Krieg, sondern in relativem Frieden und Wohlstand.
Wie es mit dem "Im-Frieden-Befinden" bestellt ist, zeigt ein gestern veröffentlichter Bericht des Costs of War Project am Watson Institute for International and Public Affairs der Brown University. In einer Karte werden die militärischen Aktivitäten der USA in anderen Ländern aufgeführt.
Danach hat das US-Militär seit 2021, also in den drei Jahren unter US-Präsident Joe Biden, in mindestens 78 Ländern Operationen zur Terrorismusbekämpfung durchgeführt. Darunter fallen auch Ausbildung und Unterstützungsleistungen, Militärübungen, Kampfhandlungen und Inhaftierungen sowie Luft- und Drohnenangriffe.
Die "Ära der Kriege" nach 9/11 muss enden
In dem Bericht, der von der Co-Direktorin des Projekts, Stephanie Savell, verfasst wurde, heißt es:
Der Krieg, den die Regierung der Vereinigten Staaten als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 begonnen hat, dauert an. Die Karte ist eine Momentaufnahme der heutigen globalen militärischen und zivilen Operationen, die sich aus dem 2001 von Präsident George W. Bush begonnenen "Globalen Krieg gegen den Terror" entwickelt haben und bis zum offiziellen Abzug des US-Militärs aus Afghanistan im Jahr 2021 und darüber hinaus fortgesetzt wurden. Dieser Krieg gegen den Terror wird auch unter Präsident Joe Biden fortgesetzt.
Direkt in Kämpfen involviert sind die US-Streitkräfte dabei mit Luft- und Drohnenangriffen und/oder Bodeneinsätzen gegen Verdächtige in Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien, Kuba, Kenia, Mali und den Vereinigten Arabischen Emiraten, wahrscheinlich auch im Jemen.
Nicht enthalten in der Studie sind Militäroperationen, die auf das abzielen, was von US-Behörden und -Medien als "Bedrohung durch Russland und China" betrachtet wird. Auch nicht aufgeführt sind die ausländischen US-Militärstützpunkte, auf denen Terrorismusabwehr abgewickelt wird, und die mit Terrorabwehr verbundenen Waffenexporte an andere Länder.
Zudem sind die Einsätze von Spezialtruppen und CIA-Operationen ausgeklammert worden. In USA Today heißt es, dass es bis zu 800 US-Militärbasen im Ausland gäbe und die Biden-Regierung sechs neue in Papa-Neuguinea errichten will.
Im Vergleich zu den Jahren zuvor ist die Anzahl der Länder, in denen die USA ihren Antiterrorkrieg auf die eine oder andere Art fortsetzen, relativ stabil. Hier zeigt sich auch eine Kontinuität über Donald Trumps Präsidentschaft zu der Bidens.
Die militärische Präsenz und die kämpferischen Operationen der USA weltweit stellen vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und des Israel-Gaza-Kriegs eine Gefahr dar, so die Co-Autorin der Studie Savell:
Im gegenwärtigen geopolitischen Kontext des Nahen Ostens ist die US-Terrorismusbekämpfungsmaschinerie wie ein Funke, der bereit ist, sich zu entzünden. … Untersuchungen haben gezeigt, dass die Bereitschaft von US-Truppen an so vielen Orten die Wahrscheinlichkeit, dass die USA einen aggressiven, offensiven Krieg führen, deutlich erhöht.
Savell fordert, dass die US-Regierung die "Ära der Kriege nach dem 11. September" endlich und tatsächlich beenden muss. Und das würde auch bedeuten: keine verdeckten, schmutzigen Kriege mehr.