Weltkriegsgedenken in Torgau: Wenn die Russen kommen
Handschlag zwischen US-amerikanischen und sowjetischen Soldaten am 25. April 1945
Gedenktag in Torgau wird von Ukraine-Krieg überschattet. Ukraine fordert Ausschluss russischer Vertreter. Diese warnen ihrerseits vor Instrumentalisierung der Geschichte.
Im sächsischen Torgau wird heute an das symbolträchtige Aufeinandertreffen sowjetischer und US-amerikanischer Truppen am Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert.
Vor 80 Jahren, am 25. April 1945, begegneten sich Soldaten beider Armeen auf der zerstörten Elbebrücke und besiegelten mit einem historischen Handschlag die bevorstehende Niederlage Nazi-Deutschlands, das nun von West- und Ostallierten innerhalb der Reichsgrenzen in die Mangel genommen wurde.
Einer Spaltung des alliierten Bündnisses, auf das Hitler im Führerbunker bis zuletzt noch wahnhaft gehofft hatte, wurde mit der Geste von Torgau eine bildgewaltige Absage erteilt. Das Foto ging damals um die Welt.
Doch das diesjährige Gedenken an diesen Moment, der das Ende des Krieges in Europa einläutete, wird überschattet vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine – und der daraus erwachsenen politischen Debatte um die Erinnerungskultur. Die angekündigte Teilnahme des russischen Botschafters Sergej Netschajew an der Gedenkveranstaltung sorgte für scharfe Kritik.
Ukrainischer Botschafter fordert "Handschellen statt Handschlag"
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, forderte im Vorfeld die Veranstalter in Torgau dazu auf, die Teilnahme Russlands komplett zu unterbinden. "Offiziellen Vertretern des dafür verantwortlichen verbrecherischen Regimes kann an der Elbe nur auf eine Weise begegnet werden – mit Ausladung und Teilnahmeverbot", sagte Makejew der Nachrichtenagentur dpa.
Zur Begründung verwies er auf den jüngsten russischen Raketen- und Drohnenangriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew. Russland habe mit seinem "völkermörderischen Angriffskrieg" den Friedensschwur von 1945 "brutal gebrochen", so Makejew. Dafür verdiene es "keinen Handschlag, sondern Handschellen".
Gegenüber dem Spiegel warf der ukrainische Botschafter Russland zudem vor, die Gedenkfeiern in Ostdeutschland für "imperialistische Phantomschmerzen" zu missbrauchen. Mit dem Überfall auf die Ukraine hätten "die Russen den Beitrag auch ihrer eigenen Vorfahren zum Sieg über den Nationalsozialismus mit Füßen getreten", sagte Makeiev dem Magazin.
Russland: Gedenken soll nicht instrumentalisiert werden
Russlands Botschafter wies diese Vorwürfe zurück. "Wir haben immer deutlich gemacht und wollen auch heute deutlich machen, dass die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, den entscheidenden Anteil der Roten Armee an der Zerschlagung des Nazismus und die kolossalen Opfer des Sowjetvolkes nicht von der jeweils aktuellen politischen Agenda abhängen, verdreht oder verschwiegen werden darf", heißt es auf einer gestern veröffentlichten Stellungnahme der russischen Botschaft.
Beim Gedenken an die Opfer der Völker der Sowjetunion habe man "nie nach Nationalität unterschieden". Das Verbot "die Symbole des Sieges sowie die Staatsflaggen der UdSSR und Russlands in der Öffentlichkeit zu zeigen" sowie der "Ausschluss russischer und belarussischer Vertreter vom gemeinsamen Erinnern" seien hingegen "Versuche einer Instrumentalisierung". "Den Ideengebern für derlei Maßnahmen gereicht das nicht zur Ehre", so das Statement weiter.
Veranstalter lassen Botschafter gewähren
Die Stadt Torgau als Veranstalterin des Gedenkens teilte mit, dass der russische Botschafter zwar nicht ausdrücklich eingeladen, ihm aber auch kein Teilnahmeverbot erteilt worden sei. Wie in den Vorjahren habe man lediglich Informationsschreiben an verschiedene Auslandsvertretungen verschickt, erklärte Oberbürgermeister Henrik Simon.
Ein Rederecht werde Netschajew nicht erhalten. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der bei der Gedenkfeier eine Rede halten wird, nahm die Teilnahme des russischen Botschafters lediglich "zur Kenntnis". Er verwies darauf, dass es sich um eine Veranstaltung der Stadt handle. Die USA verzichteten auf eine Teilnahme.
Bereits im Vorfeld hatte das Auswärtige Amt Kommunen und Gedenkstätten in einem eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedachten Rundschreiben empfohlen, russische und belarussische Vertreter in diesem Jahr von Gedenkveranstaltungen auszuschließen.
Damit solle verhindert werden, dass Russland die Feiern für seinen Angriffskrieg instrumentalisiere, hieß es zur Begründung. Der Bundestag folgte der Empfehlung und lud die Botschafter beider Länder nicht zu seiner zentralen Gedenkfeier ein.
Kritik von Linken und BSW
Die Weisung des Auswärtigen Amtes sorgte indes nicht nur von russischer Seite für Kritik.
Der Linken-Politiker Wulf Gallert sprach sich zwar ebenfalls gegen eine Teilnahme von Vertretern des russischen Staats am deutschen Gedenken aus. Gleichzeitig warnte Gallert vor einem pauschalen Ausschluss aller russischen Bürger. Gerade "Veteranen und Opfern des faschistischen Angriffskriegs muss es möglich sein, an den Gedenkfeiern teilzunehmen", so Gallert. "Wir dürfen nicht jene ausschließen, die einst gegen Hitler kämpften oder zu Opfern seines Krieges wurden."
Weiter ging das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). "Wer nicht mehr weiß oder wissen will, dass die Sowjetarmee die Hauptlast des Krieges gegen Nazi-Deutschland trug und 27 Millionen Menschen aus der damaligen Sowjetunion, die Mehrheit von ihnen Russen, dem Vernichtungsfeldzug der deutschen Wehrmacht zum Opfer gefallen waren, ist in der deutschen Politik fehl am Platz", sagte BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht.
Die Empfehlung des Auswärtigen Amtes, Gedenkfeiern ohne russische Vertreter auszurichten, "schade dem internationalen Ansehen Deutschlands", sagte Wagenknecht.