Wenn Klimatechnologien schlecht fürs Klima sind
Klimaziele lassen sich kaum erreichen, ohne Kohlendioxid wieder aus der Luft zu holen. Die bisher verfügbaren Technologien dafür sind aber teuer, umstritten und ökologisch bedenklich
Die Bundesregierung hat das Ziel gesetzt: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Ob das erreicht werden kann, hängt nicht nur vom Bemühen ab, den Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern. Klimaneutral heißt: netto null Emissionen. Und hier liegt das Problem: Der Ausstoß lässt sich nicht in allen Bereichen auf null herunterfahren, zum Beispiel in der Landwirtschaft, der Schwerindustrie oder im Schiffsverkehr.
Forscher gehen davon aus, dass die nicht vermeidbaren Emissionen bei etwa fünf bis zehn Prozent der Werte von 1990 liegen. Das bedeutet konkret: Zwischen 60 bis 120 Millionen Tonnen Kohlendioxid werden weiterhin pro Jahr in die Luft geblasen.
Klimaforscher sind sich daher weitgehend einig darüber, dass es in Zukunft notwendig sein wird, Kohlendioxid aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen. Vor allem technische Möglichkeiten werden ausgelotet, was unter anderem daran liegt, dass den natürlichen eine gewisse Unsicherheit anhaftet. Wälder seien anfällig für Störungen durch Hitze, Feuer oder Schädlinge, wird argumentiert. Deshalb bestehe die Gefahr, dass das in Bäumen und Böden gespeicherte Kohlendioxid wieder in die Atmosphäre gelange.
Die umstrittene CCS-Technologie spielt in den Vorstellungen der Experten eine große Rolle. Das Institut "Agora Energiewende" hat in diesem Jahre die Studie "Klimaneutrales Deutschland 2045" vorgestellt, in der auch verschiedene technische Ansätze benannt werden, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen und mittels CCS-Technologien zu speichern. "CCS" steht für "Carbon Capture and Storage".
Mit dieser Technologie sollte ursprünglich das Kohlendioxid in Kraftwerken oder in der Industrie abgeschieden und unterirdisch gespeichert werden; doch nun soll sie auch bei den "Negativemissionen" Anwendung finden.
Einmal gibt es die Vorstellung, Biomasse im großen Stil anzubauen, zu verfeuern und das entstehende Kohlendioxid via CCS zu speichern (BECCS). Am enormen Flächenverbrauch dürfte sie aber scheitern: Fände diese Technologie weltweit Anwendung, dann wäre für den Anbau von Biomasse eine Fläche von bis zu 0,8 Milliarden Hektar notwendig. Gleichzeitig würde es die Produktion von Lebensmitteln erheblich beeinträchtigen; denn die weltweit landwirtschaftlich nutzbare Fläche beträgt lediglich 1,5 Milliarden Hektar.
Darüber hinaus weist der BECCS-Ansatz eine fragwürdige Klimabilanz auf. Die Heinrich-Böll-Stiftung stellt das an dem Beispiel des britischen Kraftwerks Drax dar. In vier der sechs Blöcke werden Holzpellets verbrannt und das entstehende Kohlendioxid soll abgeschieden und gespeichert werden. Um sechs Prozent des britischen Strombedarfs zu decken, wurden im Jahr 2018 in dem Kraftwerk rund 7,1 Millionen Tonnen Pellets verbrannt. Das war mehr Holz, als im gesamten Königreich jährlich produziert wird. Mehr als drei Viertel des Bedarfs wurde aus Nordamerika importiert.
Das vorgebliche Ziel, einen "negativen CO2- Fußabdruck" erreichen zu wollen, ist unglaubwürdig: Die Pelletherstellung ist ein energieintensiver Prozess, weil der Ausgangsstoff für die Biomasse getrocknet, gemahlen, pelletiert und verpackt werden muss. Hinzu kommt, dass der Transport von 5,67 Mio. Tonnen Pellets per Containerschiff über den Atlantik jährlich Schadstoffe und Treibhausgasemissionen verursacht, darunter rund 600 Mio. Tonnen CO2.
Bioenergie mit CO2‑abscheidung und -speicherung (BECCS)
Eine andere Möglichkeit, Kohlendioxid auf technologischer Basis aus der Atmosphäre zu entfernen ist Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS). Dabei wird Kohlendioxid direkt aus der Luft gefiltert und anschließend eingelagert. Doch der tatsächliche Nutzen dieser Technologie für den Klimaschutz ist bisher kaum erforscht, ebenso wie weitere Umweltfolgen. Eine Untersuchung der Klimabilanzen dieser Technologien hat jetzt ein Forscherteam der Universität Freiburg vorgelegt. Veröffentlicht wurde die Studie in der Fachzeitschrift nature energy.
Bei diesen Technologien wird zunächst Umgebungsluft mit einer Substanz in Kontakt gebracht, die das Kohlendioxid aus der Luft bindet. In einem zweiten Schritt wird die Substanz erhitzt, sodass das gebundene CO2 in hoher Konzentration wieder freigesetzt und anschließend verflüssigt wird. Dabei unterscheidet man zwischen einem Hochtemperatur-Prozess, der bei Temperaturen von 850 bis 900 Grad Celsius abläuft, und einem Niedrigtemperatur-Prozess, der Temperaturen zwischen 80 und 120 Grad Celsius voraussetzt.
Katastrophale Klimabilanz
Der Hochtemperatur-Prozess hat eine katastrophale Klimabilanz. Für jedes Kilogramm Kohlendioxid, dass mit ihm aus der Luft gefiltert wird, werden zwischen 1,1 und 1,5 Kilogramm Kohlendioxid emittiert. Das geschieht "insbesondere durch die notwendige Erzeugung von Ventilation, chemischen Reaktionen und Erwärmung sowie durch die Verpressung des entnommenen CO2 in tiefe Bodenschichten".
Effizienter zeigte sich dagegen das Niedrigtemperatur-Verfahren. "Für eine CO2-Tonne Extraktion etwa werden aktuell in der dafür notwendigen Energie- und Wärmebereitstellung 0,3 Tonnen CO2 ausgestoßen und sogar nur 0,15 Tonnen, wenn CO2-armer Strom verwendet wird", erklärte Studienautor Kavya Madhu. Die Netto-CO2-Entnahme sei vergleichbar mit der CO2-Einsparung durch die Verwendung derselben Energiemenge für Elektroautos anstelle von Benzinern. Auch wenn sich dieses Verfahren als technisch effizient erwiesen hat, so ist noch nicht ausgemacht, dass es künftig angewandt werden wird; denn die Technologie kann teuer werden.
Die Studienautoren weisen darauf hin, dass es hier noch große Unsicherheiten gebe und die Schätzungen deshalb weit auseinander gehen. Zwischen elf und 1.000 US-Dollar könne das Abscheiden einer Tonne Kohlendioxid kosten. Für Deutschland bedeutet das im teuersten Fall: Jedes Jahr müssten zwischen 60 und 120 Milliarden US-Dollar ausgegeben werden, wenn der Rechnung die maximalen Kosten pro Tonne zugrunde gelegt werden.
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