Wenn der Chef Spaß verordnet: Unternehmen setzen auf Emotionsmanagement
Unternehmen setzen auf Feelgood-Manager, um die Motivation zu steigern. Doch kann verordneter Spaß Folgen von Personalabbau und Leistungsdruck ausgleichen?
Aktuelle Meldungen erwecken den Eindruck, dass Manager derzeit Drohungen als wirksamstes Mittel gegenüber der Belegschaft ansehen. Volkswagen oder ThyssenKrupp machen den Beschäftigten klar, dass Arbeitsplatzsicherheit nur eine große Hoffnung war und Entlassungen jederzeit möglich sind. Diese Ankündigungen werden in der aktuellen Tarifrunde der Metallindustrie sicherlich noch offensiver vorgetragen.
Aber das ist nicht die einzige Strategie der Unternehmen – denn die Manager und ihre Berater können auch anders. Den "Neustart nach den Ferien" richtig zu organisieren, empfiehlt Coach Christian Thiele den Beschäftigten nach der Rückkehr aus dem Sommerurlaub. Er liefert "Tipps aus der Verhaltens- und Motivationsforschung", die viele Beschäftigte nach der Rückkehr aus den Sommerferien von ihren Vorgesetzten in der Teambesprechung nach dem Urlaub präsentiert bekommen.
"Was haben der 1.1., dein Geburtstag und der Neustart im Job nach dem Urlaub gemeinsam?", fragt der Berater: "Sie sind »zeitliche Landmarken« und damit gute Zeitpunkte für einen Neuanfang – und für Veränderungen." Beim anstehenden Zielvereinbarungsgespräch sei positives Denken hilfreich: "Gesunder Optimismus hilft dabei, realistische Ziele auch erreichen zu können".
Meist werde die Willenskraft überschätzt, denn der Mensch strebe nicht automatisch nach Veränderung. Thiele sieht aber eine "viel hilfreichere Medizin als Selbstdisziplin: Spaß! Dies sei auch im Privaten so. Gesünderes Essen gebe es eher, wenn "wir auch wirklich Freude dabei haben können. Leuchtet ein, oder?"
Passend dazu gibt es in vielen Konzernen heute Verantwortliche für eine gute Stimmung, die das Betriebsklima verbessern sollen: "Ein Feelgood Manager ist in einem Unternehmen dafür zuständig, das Arbeitsklima zu optimieren. Um das zu erreichen, kümmert sich der Feelgood Manager um die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und darum, wie die Zusammenarbeit im Team konstruktiv gefördert werden kann. Das Ziel ist es, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in welchem Beschäftigte sich wohlfühlen und produktiver werden", beschreibt die Haufe-Akademie.
Positive Leadership als Element des Personalmanagements
Auch werden Führungskräfte zu Seminaren für "positive Leadership" entsandt. "Positive Leadership hat zum Ziel, die Angestellten und ihre (positiven) Emotionen in den Fokus zu rücken, um auf der Basis einer größeren Mitarbeiterzufriedenheit Unternehmensproduktivität und -erfolg auszubauen", erläutert die Personalberatung Personio.
Positive Leadership erstreckt sich von der "individuellen über die gemeinschaftliche bis zur organisatorischen Ebene". Dabei sind die Vorgesetzten besonders gefordert: "Damit eine positive Führung funktioniert, braucht es Führungskräfte und Mitarbeiter:innen, die für diesen Ansatz offen sind", so die Berater.
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Das hat Tradition. Denn schon früh entdeckten Manager Instrumente, um ihre Mitarbeiter zu motivieren. Zwar setzten beispielsweise Henry Ford und F. W. Taylor zu Beginn der Industrialisierung noch auf zentrale Vorgaben und penible Kontrolle. Zeitstudien, Prämienzahlungen und vorgeschriebene Bewegungsabläufe am Fließband sollten die Produktion steigern.
Diese Steuerung wird auch als Top-down-Planung bezeichnet, da von oben nach unten geplant und kontrolliert wird. Aber nicht nur in der Produktion ist diese Leistungskontrolle wichtig. Die Digitalisierung ermöglicht Workflow-Systeme oder die Anrufsteuerung im Callcenter. Die damit verbundene technische Dokumentation und Verwaltung von Mitarbeiter- und Kundendaten erleichtert die Auswertung der einzelnen Arbeitsschritte und damit die Steuerung der Beschäftigten.
Die Steuerung besteht letztlich aus Vorgaben von oben, deren Einhaltung mit technischer Unterstützung kontrolliert wird. Es gibt also Formen der Arbeitsorganisation, die stark auf externe Kontrolle setzen. In den ersten Industriebetrieben wurden dafür bereits eigene Kontrollabteilungen eingerichtet.
Dies führte aber auch zu Protesten der Beschäftigten. Dienst nach Vorschrift oder Sabotage durch Wegschauen im richtigen Moment riefen das Management auf den Plan, das nach neuen Methoden suchte.
Leistungssteigerung durch "Human Relation"
Bereits in den 1930er Jahren entwickelte sich in den USA mit dem "Human Relation"-Ansatz eine Richtung der betrieblichen Personal- und Sozialpolitik, die die Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen im Betrieb betonte. In der Bundesrepublik wurde dieser Ansatz von Guido Fischer aufgegriffen, der in den 1950er Jahren als Professor in München ein Institut für betriebliche Sozialpraxis aufbaute.
Es entwickelte sich der Begriff "Human Resources" (HR). HR bezieht sich auf die fachlichen und persönlichen Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter und die daraus resultierende Motivation. Wer motiviert ist, so die Idee, kann mehr leisten. Einer der Leitsätze zur Leistungssteigerung lautete "He will go the extra mile".
Auch der Bestseller "Emotionale Intelligenz" des Harvard-Psychologen Daniel Goleman aus den 1990er Jahren hat die Managementstrategien beeinflusst. Emotionale Intelligenz bezeichnet die Fähigkeit, eigene und fremde Emotionen wahrzunehmen und mit ihnen umzugehen. Es ist also ein anderer Begriff für "Emotionsmanagement".
"Das Schwierigste ist, Emotionen wahrzunehmen. Vor allem nicht die offensichtlichen und überwältigenden, sondern die feinen und subtilen. Dann gilt es, die Sprache der Emotionen zu erlernen, um deren Bedeutung zu entschlüsseln. Emotionsmanagement ist lernbar, braucht allerdings viel Geduld und Übung", beschreibt Karriere-Coach Peter Näf die Situation heute.
"Emotionsmanagement ist Chefsache", berichtet Jansen Beratung & Training. "Führungskräfte müssen gerade jetzt in der Lage sein, sensorische Schärfe zu entwickeln, Gefühle frühzeitig zu erkennen, richtig zu bewerten und angemessen auf sie zu reagieren", so die Unternehmensberatung.
Die Unternehmen setzen dazu verschiedene Instrumente ein: Das tägliche "Stand-up-Meeting" etwa in agilen Teams soll für eine positive Stimmung sorgen, der gemeinsame Blick nach vorn die Freude am Gestalten in der Gruppe fördern. Beim "Townhall-Meeting", der Versammlung der gesamten Belegschaft, soll die Motivationsrede des Geschäftsführers die strategische Ausrichtung verdeutlichen.
Eigenverantwortung soll unternehmerische Fehler ausgleichen
Emotionsmanagement klingt fast nach Humanisierung der Arbeitswelt. Doch die Interessen der Unternehmen stehen nach wie vor im Vordergrund. Spaß an der Arbeit und motiviertes Arbeiten im Team sind nicht möglich, wenn die Projektziele zu hoch gesteckt sind und Stellen nicht neu besetzt werden, weil Kostensenkungen diktiert werden.
"Persönliche Kompetenzen helfen dabei, komplexe Probleme zu lösen und sich von Rückschlägen oder unerwarteten Herausforderungen nicht aufhalten zu lassen. Auch lässt sich dadurch besser mit Stress umgehen", macht Dirk Schäfer, Produktmanager bei der Haufe Akademie, deutlich.
Eigenverantwortung soll hier unternehmerische Fehler bei Gesundheitsschutz und Personalplanung ausgleichen. Welche Folgen das hat, berichten die Krankenkassen. Nach Auswertungen der Kaufmännischen Krankenkasse KKH sind die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen seit 2017 deutlich gestiegen - und erreichten im vergangenen Jahr den bisher höchsten Stand: Kamen zu Beginn der Auswertung 2017 noch 298 Krankheitstage auf 100 ganzjährig versicherte Arbeitnehmer, sind es inzwischen 388 Tage.