Wer ist der beste Deutsche?
Seite 2: Deutsche erster und zweiter Klasse
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Die Deutschen haben jedoch die Besonderheit, in zwei unterschiedlichen Staaten aufgewachsen zu sein. Beide verstanden sich als Heimat von Deutschen.
Die Bundesrepublik hat dieses Nebeneinander aber nie akzeptiert. Schon mit dem Gründungsakt der Bundesrepublik Deutschland erhob Deutschland-West den Anspruch auf die Bürger der DDR. Ihnen wurde nichts Sehnlicheres unterstellt, als Bürger der Bundesrepublik werden zu wollen.
Und die Bürger der DDR, die sich rüber machten nach Westen, waren dafür der lebende Beweis. Sie brauchten keinen Asylantrag zu stellen, sondern wurden gleich als Bürger der Bundesrepublik behandelt. Von dieser Sorte Flüchtlingen konnte es gar nicht genug geben.
Mit dem Einzug in die Flüchtlingsunterkünfte hatten sie dann auch ihren wesentlichen Dienst getan, sie waren Zeugnis gegen das andere Regime und als solche wurden sie hofiert.
Im Rahmen der Auflösung des Ostblocks entdeckte Deutschland-West immer mehr Deutsche unter der staatlichen Aufsicht anderer Staaten, deren Unrechtscharakter sich schon darin zeigte, dass sie diese Bürger nicht einfach ausreisen ließen.
So gab es plötzlich Siebenbürger-Sachsen, Donauschwaben etc., Bürger der Staaten des Ostblocks, die bereits seit Jahrhunderten in diesen Ländern siedelten, deren Vorfahren zu Zeiten ausgewandert waren, als es den Nationalstaat Deutschland noch gar nicht gab. Ganz gleich, ob sie nach Deutschland wollten oder die deutsche Sprache beherrschten - sie wurden als eigentliche Bürger der Bundesrepublik Deutschland behandelt und den so angesprochenen Staaten die Legitimität der Herrschaft über diese Bürger abgesprochen.
Mit dem Ende des Sozialismus hatten auch sie ihren Dienst getan, weitere Spätaussiedler brauchte es nicht mehr, als die ehemaligen Ostblockstaaten in die EU und Nato eingemeindet wurden.
Mit dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik Deutschland wurde der Anspruch auf die Herrschaft über die Bürger der DDR wahr gemacht, sie "nach Hause" geholt. Als immer schon Deutsche wurden sie gewürdigt, als lange Untertanen der falschen Herrschaft aber unter dem Verdacht gestellt, sich mit dieser arrangiert zu haben. Weswegen diese Sorte Nationalismus als zweifelhaft gilt. Ein Verdacht, der nicht zu entkräften ist in den Augen derer, die sich zum Sachwalter des wahren Nationalismus aufschwingen.
Die Bürger der ehemaligen DDR betrachten dies als Angriff auf ihre Ehre als Nationalisten. Sie sehen ihre Lebensleistung nicht gewürdigt, die besonders darin bestand, als Deutscher unter einer falschen Herrschaft leben zu müssen.
Dem trug die Kanzlerin in ihrer Rede auch Rechnung, indem sie ihre ehemaligen Mitbürger der DDR als Widerständler würdigt: "Wir stehen in der Schuld derer, die so viel gewagt haben."
Und sie verweist auf die Demonstrationen, die auch mit Gewalt hätten niedergeschlagen werden können. "Wir dürfen nicht vergessen, es hätte auch anders kommen können." Schließlich habe "wahrhafter Mut" die Einheit möglich gemacht. Demgegenüber hatten es die Wessis einfach, haben sie doch schon immer im richtigen Deutschland gelebt.
Die persönliche Botschaft
Wenn die Kanzlerin sich dagegen verwahrt, dass die ersten 35 Jahre ihres Lebens als Ballast bezeichnet werden, präsentiert sie sich als selbstbewusste Ossi-Frau, die ihre nationale Ehre vertritt.
Dass dies ihren Verdiensten nicht gerecht wird, musste sie nicht groß ausführen, schließlich war allein die Dauer ihrer Kanzlerschaft, in der Deutschland zur unangefochtenen Führungsmacht in Europa aufgestiegen ist, der Beleg dafür, dass auch die Ostdeutschen gute deutsche Nationalisten sind.
Die Rede wurde mit stehendem Applaus gewürdigt, und auch in den Medien fand sie Anklang. Nun kann man darüber streiten, ob Merkel eine Ausnahme darstellt mit ihrer Karriere als Kanzlerin oder ob sie für alle Ossis stehen kann.
Aber den Streit kann man ruhig den Nationalisten überlassen, denn mit Vernunft ist dies nicht zu entscheiden.
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