Wer ist eigentlich "die Mitte"?
Seite 2: Großspenden
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Eine andere Betrachtungsweise berücksichtigt die Parteispenden. Beträge ab 50.000 Euro müssen der Bundestagsverwaltung angezeigt werden (hier die aktuelle Liste für 2021).
Insgesamt gab es (Stand 27. Oktober) im Jahr 2021 80 Großspenden an die Parteien. Dabei kamen 12.439.765 Euro zusammen. Erwartungsgemäß ist dieser Betrag aber nicht gleich über die Parteien verteilt. Ich lade Sie ein, erst in einem Selbstversuch die Namen den jeweiligen Balken zuzuordnen.
Welche Partei erhält die meisten Großspenden? (2 Bilder)
Tatsächlich hat sich das Blatt erst kurz vor der Wahl gewendet: Zum 1. Juli lagen die Unionsparteien noch klar vorne (hier bei Statista, doch einschließlich 2020). Dabei entfallen aber so gut wie alle Großspenden auf die CDU. Die bayerische Schwester bekam nur wenige Zuwendungen ab 50.000 Euro.
Auffällig ist, dass Die Grünen 2021 vergleichsweise wenige Großspenden bekommen haben, nämlich nur elf. Auf die Unionsparteien, die denselben Betrag erhalten haben, verteilt sich das immerhin auf 26 Spenden.
Das große Geld
Das liegt daran, dass Die Grünen von einigen Tech-Millionären beziehungsweise sogar -Milliardären außergewöhnliche Summen erhalten haben: Das waren erst einmal 500.000 Euro am 15. Februar vom Berliner Erben und Gründer der Guerrilla-Stiftung Antonis Schwarz. Rund zwei Monate später folgte eine Million vom Software-Entwickler und Bitcoin-Millionär Moritz Schmidt aus Greifswald.
Am 7. September landeten dann schließlich 1.250.000 Euro vom Niederländer Steven Schuurman aus Rotterdam auf dem Konto der Grünen. Dieser hat unter anderem das Datenunternehmen Elastic mitgegründet und an die New Yorker Börse gebracht. Bei den jüngsten Wahlen in den Niederlanden hat er bereits eine Million für die bürgerlich-liberale Partei D66 sowie 350.000 Euro für die Tierschutzpartei gespendet.
Ohne diese drei Großspender wären die Grünen gerade einmal auf 700.000 Euro gekommen. Das wäre zwar immer noch deutlich mehr gewesen als SPD und Die Linke bekommen haben. Doch hinter FDP und CDU/CSU wären sie weit abgeschlagen gewesen.
Bei den beiden größten Empfängern von Wahlspenden verrät ein Blick auf die Details einen interessanten Unterschied: So erhielt die CDU vor allem Gelder von individuellen Reichen (etwa eine halbe Million vom Immobilienunternehmer Christoph Alexander Kahl oder 300.000 Euro vom E-Commerce-Pionier Stephan Schambach). Dazu kommen Vermögensberatungen und ein paar Industrieverbände.
Bei der FDP finden sich sehr viele Fimen: GmbHs, Kommandit- und Aktiengesellschaften. Die größte Einzelspende kam hier aber mit 750.000 Euro am 29. April vom Medienmanager Georg Jakob Kofler.
Ausblick und Schluss
Die FDP erhielt 2010 den Spitznamen "Mövenpick-Partei", als sie nach einer Großspende des Milliardärs August von Finck jr., Hauptaktionär der Restaurant- und Hotelgruppe Mövenpick, eine Mehrwertsteuersenkung für Hotels durchsetzte. Nach wie vor ist sie bei Firmen und Wohlhabenden beliebt: Obwohl sie nach SPD, Union und Grünen gerade einmal die viertgrößte Fraktion bildet, erhielt sie mit Abstand die meisten Großspenden.
CDU/CSU konnte das viele Geld nicht vor der historischen Niederlage bewahren. Und die SPD, die stärkste Fraktion, musste fast vollständig ohne Großspenden auskommen.
Die Grünen hatten diesmal bei Philanthropen und Tech-Milliardären einen Stein im Brett. Interessant ist, dass diese Partei Großspenden eigentlich auf 100.000 Euro pro Jahr und Spender begrenzen will.
Daraus versuchte Markus Lanz noch in seiner Sendung vom 10. September dem früheren Bundesvorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, einen Strick zu drehen. Dabei schließt die Forderung nach faireren Bedingungen für alle doch nicht aus, dass Die Grünen unter der geltenden Rechtslage auch größere Summen annehmen.
Es bleibt abzuwarten, ob sie in einer Ampelkoalition an dieser Forderung festhalten. Das wird der Juniorpartner und Großverdiener FDP wohl verhindern wollen.
Im Endergebnis muss man aber schlussfolgern, dass die Parteien, die sich am lautstärksten als "die Mitte" inszenieren, steuerpolitisch und anhand der Großspenden nicht für die Mitte der Gesellschaft stehen. Demnach scheinen sie vielmehr die Interessen des großen Geldes zu vertreten. In diesem Sinne, ja, handelt es sich hier um Neusprech beziehungsweise Wahlpropaganda.
Wie sich die einstige Arbeiterpartei SPD in so einer Konstellation wohl verhalten würde? Gerhard Schröder, der nach der Ära Kohl große Hoffnungen auf sich vereinte, blieb vielen als "Genosse der Bosse" in Erinnerung. Bleibt abzuwarten, ob nach der Ära Merkel ein Bundeskanzler Olaf Scholz ein "Busenkumpel der Banker" würde.
Außer den führenden Politikerinnen und Politikern weiß niemand genau, wie sich Großspenden auf politische Entscheidungen auswirken. Was bewegt einen niederländischen Tech-Milliardär, 2021 die mit Abstand größte Spende an eine deutsche Partei zu geben? Und was erwartet er dafür? Offiziell: mehr Klimaschutz. Was erwarten andere Superreiche und Firmen?
Im Endergebnis fehlen einer rot-grün-roten Regierungskoalition nur sechs Sitze zur Parlamentsmehrheit im 20. Bundestag. Falls es das Ziel der Großspender war, die Konstellation zu verhindern, die sie stärker zur Kasse bitten würde - dann ist ihnen das scheinbar gelungen.