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Wer war Daria Dugina?

Wenig ist über das prominente Anschlagsopfer bekannt. Metamorphose von international denkender Studentin zu Ultranationalistin. Beileid von rechtsradikalen und regierungsnahen Akteuren.

Mit einer Trauerfeier im Moskauer Fernsehzentrum Ostankino verabschiedeten sich Freunde und Familie am Dienstag von der 29-jährigen rechtsextremen Aktivistin Daria Dugina, die am Wochenende bei Moskau das Opfer eines Anschlags mit einer Autobombe geworden war. Laut der Zeitung Kommersant [1] gab es auf der durch umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen stark abgeschirmten Zeremonie zahlreiche Beileidsbekundungen von offizieller Seite und aus der rechtsradikalen Szene in Russland.

So ließen Präsident Wladimir Putin und die Staatsduma ebenso Kränze niederlegen, wie der nationalistische Buchverlag "Schwarze Hundert", der sich schon vom Namen auf eine präfaschistische Bewegung aus der späten Zarenzeit beruft, die damals für antisemitische Pogrome verantwortlich war. Dugina plante nach Medienangaben, an einem bei diesem Verlag in Kürze erscheinende Buch mitzuwirken.

Persönlich waren gemäß der Moskauer Nesawisimaja Gaseta [2] keine hochrangigen Vertreter des russischen Staates anwesend, jedoch zahlreiche Führungspersönlichkeiten von ultrapatriotischen und monarchistischen Bewegungen, darunter natürlich der "Eurasischen Bewegung" von Duginas Vater Alexander Dugin.

Als Studentin nicht sichtbar rechtsextrem

Duginas Weg in die rechtsradikale Szene war nicht von Beginn an vorgezeichnet. 1992 als Tochter von Dugin zweiter Ehefrau geboren, schloss Dugina 2014 ihr Studium an der Staatlichen Universität Moskau ab. An der Universität war sie gemäß der lettischen Onlinezeitung Meduza [3] als eine der talentiertesten und klügsten Studentinnen bekannt. Mit ihrem damals schon für seine faschistoiden Thesen bekannten Vater stand sie jedoch laut der Zeitung nicht gut.

Eine damalige Bekannte von Dugina bekannte gegenüber Meduza, die junge Frau habe sich während des Studiums mehrfach vorgenommen, von zu Hause wegzulaufen, sei einmal auch kurzzeitig verschwunden gewesen. Im Studium absolvierte sie ein Auslandssemester in Bordeaux in Frankreich und begeisterte sich dort vor allem für den antiken Philosophen Platon, weswegen sie zeitweise unter dem Pseudonym Platonowa arbeitete.

Zu dieser Zeit spielten die Ideen ihres Vaters laut Meduza, das mit damaligen Freundinnen gesprochen hat, keine sichtbare Rolle. Sie habe sogar einen Faible für den progressiven französischen Philosophen Guy Debord gehabt, einer Symbolfigur der französischen Linken der 68er-Generation. In ihrer Studienzeit beteiligte sie sich an einem elektronischen Musikprojekt, mit dem sie in Moskau auch öffentlich auftrat.

Diginas Weg nach rechts und die Annäherung an ihren Vater

Duginas Weg in die politische Rechte begann Mitte der 2010er-Jahre mit einem starken Interesse für die sehr konservative orthodoxe Kirche. Erst danach trat sie auch aktiv als Mitglied der Eurasischen Bewegung ihres Vaters in Erscheinung und begann ihre Arbeit für die zaristische Zeitung Zargrad. Ihr Fable für Frankreich verlor sie dadurch nicht, sie zeigte hier jedoch zunehmend Sympathie für die französische Rechte und sagte in einem Blog auf der Seite des Staatssenders RT [4] 2018 ein Ende der Ära Macron voraus.

In den folgenden Jahren wurde Dugina mit zunehmender Intensität auf den vom Kreml kontrollierten TV-Kanälen ein häufiger Gast und wurde zur rechten Hand ihres prominenten Vaters. Sie gehörte zu prominenten Befürworter der Invasion der Ukraine und landete auf Sanktionslisten mehrerer westlicher Länder. Sie besuchte nach der russischen Eroberung Mariupol und nannte die Massaker an Zivilisten in Butscha eine "Inszenierung".

Aus der deutschen Rechten kommen zur Relativierung von Duginas politischer Tätigkeit häufig Behauptungen, sie sei keine Rechtsextreme gewesen, sondern lediglich eine "nationalkonservativ" gesinnte Person. Selbst hätte sie sich in der russischen Tradition bis zu Ultrarechten auch nicht als "Faschistin" bezeichnet – denn Faschisten gibt es in den Augen der nationalistischer Kreise in Russland nur in der Ukraine oder im Westen.

Dugina war keine demokratische Konservative

Als wichtigster Beleg dafür, dass Dugina den Bereich demokratischer Konservativer schon lange verlassen hatte, kann ihre aktive Betätigung in der Bewegung ihres Vaters gelten. Dieser gilt als der "im Westen wohl bekannteste russische Ultranationalist" stellt der Historiker und Rechtsextremismus-Experte Volker Weiß fest [5].

Er gilt als wichtige Brücke zwischen der nationalistischen Rechten und Rechtsradikalen in Europa, lud auch erfolgreich Vertreter der ungarischen Rechtsextremen von Jobbik und ihrer Mitstreiter von der "Goldenen Morgenröte" aus Griechenland nach Russland ein. Russische Liberale betrachtete er als "amerikanisiertes Gesindel" und befürwortete für sie einen Entzug der russischen Staatsbürgerschaft.

Dugina sparte bei ihren öffentlichen Auftritten nicht mit markigen Worten, etwa bei ihrer Vorstellung des Euroasiatismus ihres Vaters:

Migranten aufzunehmen ist bereits Anti-Euroasiatismus. Es ist nötig, ein Imperium so aufzubauen, dass jeder in seiner eigenen Region lebt. Keine Mischung aus allem und jedem.

Zitiert nach Komsomolskaja Prawda vom 21.08.2022 [6]

Dugina forderte für Russland auch innenpolitisch ein Gegenstück zur "Militäroperation" in der Ukraine, wie sie die Invasion des Nachbarlandes euphemistisch gemäß Regierungsvorgabe genannt hat. Elemente, die im Westen studiert haben oder viel Kontakt zu Ausländern hatten, sah sie als große Gefahr für ihr Land. Ihre Verwandlung von jemandem, der in der Jugend selbst ein solches Leben geführt hat, hin zu einer Ultranationalistin war zum Zeitpunkt ihres Todes bereits vollständig abgeschlossen.


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https://www.heise.de/-7243014

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.kommersant.ru/doc/5525419?query=%D0%94%D0%B0%D1%80%D1%8C%D1%8F%20%D0%94%D1%83%D0%B3%D0%B8%D0%BD%D0%B0
[2] https://www.ng.ru/politics/2022-08-23/2_8520_ceremony.html
[3] https://meduza.io/feature/2022/08/21/ya-s-gordostyu-nesu-eto-znamya-byt-docheryu-i-prodolzhat-bitvu-ottsa
[4] https://russian.rt.com/opinion/blog/darya-platonova
[5] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/kultur/putin-verstehen-gastbeitrag-zum-krieg-in-der-ukraine-e816302/?reduced=true
[6] https://www.kp.ru/daily/27434.5/4635583/