Wie Putin die Stationierung von Atomwaffen in Belarus begründet
Russlands Präsident will Kernwaffen im Nachbarland stationieren. Als Begründung dient auch die deutsche "nukleare Teilhabe" im Rahmen der Nato. Doch das ist scheinbar ein Nebenaspekt.
Russlands Präsident Putin überraschte die Weltgemeinschaft am Samstag in einem Interview mit der Ankündigung, im benachbarten Weißrussland taktische Atomwaffen zu stationieren. Daneben kündigte er auch Truppenverstärkungen im Ukraine-Krieg an.
Die Stationierung der Nuklearwaffen soll nach seinen Worten im russischen Staats-TV bis zum 1. Juli 2023 abgeschlossen sein. Putin bezeichnete dies auch als Reaktion auf die Lieferung uranhaltiger Panzermunition durch Großbritannien an die Ukraine, gegen die Moskau seit gut einem Jahr Krieg führt. Russland verfügt selbst über derartige Munition, hat sie aber bisher nach eigenen Angaben nicht im Ukraine-Krieg eingesetzt.
Hauptbegründung ist britische Uranmunition
Putin stuft diese Munition als nukleare Komponente der westlichen Unterstützung für die Ukraine ein und verweist zur Begründung auf Gefahren der Munition durch Strahlenstaub. Es handelt sich dabei an sich um konventionelle Panzermunition, in der abgereichertes Uran, ein Abfallprodukt aus dem Betrieb von Atomkraftwerken, zur Stärkung der Festigkeit eingesetzt wird. Das Uran ist jedoch weiter radioaktiv, nur im geringeren Maße als bei einer "schmutzigen Bombe".
Derartige Munition wurde auch von den USA im Irakkrieg eingesetzt. Die US-Zeitschrift Foreign Policy schreibt etwa von einem Zusammenhang zwischen der Verwendung der Munition und dem Risiko von Missbildungen irakischer Kinder. Das Ausmaß der schädlichen Wirkung der Radioaktivität von Uranmunition ist umstritten, während ihre chemische Giftigkeit außer Frage steht.
Deutscher Protest nach russischer Ankündigung
Die Bundesregierung warf Russland angesichts der Atomwaffenstationierung "nukleare Einschüchterung" vor. Da Putin in der entsprechenden Erklärung auch auf die nukleare Teilhabe der Bundeswehr im Rahmen der Nato verwiesen hat, bezeichnete sie diesen Vergleich als "irreführend".
Das angestrebte russische Modell ist jedoch wirklich an diese Teilhabe angelehnt. Die US-Armee lagert unter anderem im rheinland-pfälzischen Büchel Atomsprengköpfe, die zum Einsatz durch die Bundeswehr vorgesehen sind, aber zuvor von den US-Truppen an diese übergeben werden müssten. Analog will nun auch Russland nach Putins Worten die eigenen Atomwaffen lediglich in Belarus stationieren, aber nicht gleich der weißrussischen Armee übergeben.
Vorgesehen sind sie – wie bei der nuklearen Teilhabe – für den Einsatz durch zehn belorussische Kampfjets. Das ist auch formal wichtig, da Moskau ansonsten gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen würde, an den es weiter gebunden ist. Dieser verbietet die Weitergabe von Atomwaffen an Drittstaaten. Neben den Bomben für die Kampfjets sollen aber auch Iskander-Trägerraketen nach Weißrussland verlegt werden.
Die Motivation für dieses atomare Säbelrasseln durch den Kreml ist klar. Man will deutlich machen, dass auf jeden westlichen Schritt im Ukraine-Krieg, den Moskau als Eskalation empfindet, ein eskalierender Gegenschritt folgt. Ähnlich sind aktuelle Aussagen des russischen Ex-Premierministers Dmitri Medwedew zu deuten, im Falle von ukrainischen Eroberungsversuchen der Krim auch Atomwaffen einsetzen zu wollen.
Experte: Lukaschenko schielt schon länger nach Atomwaffen
Es stellt sich jedoch die Frage, was der Stationierungsstaat Weißrussland von den neuen Atomwaffen hat. Diese bringen ihn ja verstärkt ins Fadenkreuz des misstrauischen Westens und binden ihn stärker an Russland, obwohl Lukaschenko im direkt benachbarten Ukraine-Krieg ja gerne trotz russischer Truppenstationierungen den Neutralen gibt.
Der belorussische Präsident Alexander Lukaschenko schiele schon länger auf eine atomare Teilhabe, stellt dazu der Minsker Politologe Artjom Schrajbman von Sense Analystics gegenüber Telepolis fest. Anfang 2022 habe er deshalb sogar ein Atomwaffenverbot aus der weißrussischen Verfassung streichen lassen.
Mit der Stationierung unterstreiche Lukaschenko auch seine unverzichtbare Rolle für die russische Sicherheitspolitik. Solange eine Vereinbarung seine Machtstellung nicht gefährde, bringe sie ihm zumindest kurzfristig Vorteile im Verhältnis zu Russland. Dennoch sei die atomare Stationierung auch für Belarus eine neue Stufe bei seinem Vorgehen, allerdings kein genereller Kurswechsel.
Belarus hat 1994 im sogenannten Budapester Memorandum, einem Vertrag mit den Atommächten und der Ukraine, auf eigene Atomwaffen verzichtet. Zuvor waren Restbestände des Arsenals der Sowjetunion in Belarus verblieben. Diese wurden dann nach Russland abgezogen und Belarus trat dem Atomwaffensperrvertrag bei.
Das Budapester Memorandum verpflichtete Russland auch, Angriffe auf das Territorium der Ukraine zu unterlassen, sah jedoch keine Sanktionsmaßnahmen vor, falls eine Seite den Vertrag bricht.