Wie Rechtsextreme die "Islam-Landkarte" für sich nutzen
Eine Karte zur "Erfassung und Darstellung der islamischen Organisationen in Österreich" und das Problem der Trennung zwischen Islam und politischem Islam
Die Islam-Landkarte, die in den vergangenen Wochen für Kontroversen sorgte und dann vorübergehend nur begrenzt nutzbar war, ist nun wieder online abrufbar. Laut dem Projekt-Leiter Ednan Aslan (Professor am Institut für Islamisch-Theologische Studien an der Universität Wien) stand die eingeschränkte Nutzung der Seite mit dem Wechsel des IT-Betreibers in Zusammenhang.
Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) behauptete, dass die Landkarte auch Musliminnen und Muslimen als Orientierung dienen könne und dass sie eine Trennung zwischen der islamischen Religion und dem "politischen Islam" schaffen soll. Letztere Bezeichnung bleibt weiterhin umstritten, da auch unklar ist, unter welchen Kriterien eine Gruppe oder Person als Anhängerschaft des "politischen Islam" gezählt wird.
Die sogenannte Islam-Landkarte soll eine Übersicht über muslimische Vereine, Bildungseinrichtungen und Moscheen in Österreich geben, wobei auf der Webseite selbst betont wird, dass es sich bei dem Projekt um ein "Work in progress" handele und laufend aktualisiert werden müsse. Über 600 Einrichtungen lassen sich derzeit dort finden.
Laut Angaben der Initiatoren besteht das Ziel darin, "einen Überblick über die gegenwärtige islamische Vereinslandschaft in Österreich zu geben, indem die jeweilige inhaltliche Ausrichtung der großen Dachverbände, die geografische Lage sowie Kurzbeschreibungen der mitgliederstärksten Vereine sowie deren Vernetzung mit den Dachverbänden abgerufen werden können".
Aufregung über die Karte
Die Aufregung rund um die Karte scheint auf den ersten Blick unberechtigt zu sein. Sie sorge ja nur für mehr Transparenz, was muslimische Einrichtungen anbelangt, heißt es öfter. Problematisch ist jedoch schon, dass die Karte veraltet ist (das Projekt gibt es schon seit 2012 und war ursprünglich ein Projekt des Instituts für islamische Religionspädagogik der Universität Wien, jedoch wurden die darin beinhalteten Daten nicht laufend aktualisiert und sind somit teils inkorrekt).
Ednan Aslan meint zwar in seinem Kommentar im Standard, dass er mit dem Projekt (d.h. mit der Islam-Landkarte) "weder Vollständigkeit noch Fehlerfreiheit" beanspruche, doch stellt man sich die Frage, weshalb die ÖVP bzw. die Dokumentationsstelle Politischer Islam es dann für notwendig sieht, ein veraltetes Projekt zu präsentieren, anstatt die Fehler zu beheben. Fatal enden könnte das bei Adressenangaben, bei denen es sich nicht etwa um die Angaben der jeweiligen muslimischen Einrichtung handelt, sondern um Adressen von Privatpersonen.
Die rechtsextremen Identitären haben sich die Karte bereits selbst zunutze gemacht und "Warnschilder" vor Wiener Moscheen mit Beschriftungen wie "Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe. - Mehr Infos auf: islam-landkarte.at" angebracht. Auf dem Schild ist auch die Zeichnung eines bärtigen Mannes mit bösem Blick zu sehen.
Dokumentationsstelle sabotiert die vermeintlichen Ziele der Islam-Landkarte
Spätestens dann, wenn Rechtsextreme die Islam-Landkarte für sich instrumentalisieren, sollten die Alarmglocken auch bei den Initiatoren des Projekts läuten. Im Ö1-Mittagsjournal vom 15. Juni betonte Prof. Aslan, dass die Muslimfeindlichkeit nicht durch die Islam-Landkarte entstanden sei, womit er nicht Unrecht hat.
Doch sollte man auch danach fragen, ob die Art und Weise, in der das Projekt von Integrationsministerin Raab präsentiert wurde, auch angemessen war. Die Karte, die zwar Jahre vor der Dokumentationsstelle Politischer Islam existierte, wurde von Susanne Raab dennoch unter dem Framing präsentiert, dass diese dabei helfen soll, zwischen Anhängern der islamischen Religion und jenen des "politischen Islam" trennen zu können.
Die Tatsache, dass es Uneinigkeit bei Wissenschaftlern darüber gibt, was "politischer Islam" nun überhaupt ist, begünstigt eine willkürliche Etikettierung, was die Anbringung rechtsextremer "Warnschilder" in der jüngsten Vergangenheit auch gezeigt hat. Rechte nutzen also den Begriff und die Landkarte für ihre eigene politische Agenda und unterscheiden nicht zwischen Anhängern der islamischen Religion und jenen des "politischen Islam" (wer auch immer diese sein mögen).
Alle Einrichtungen werden also über einen Kamm geschert; auch wenn Integrationsministerin Raab stets vehement betont, dass kein Generalverdacht vorliegt, bestärkt sie durch ihr Auftreten Extremisten. Dieses Framing führt letztlich auch dazu, dass das selbstgesetzte Ziel der Initiatoren der Landkarte unerreicht bleibt. Auf der achten Seite der Projektbeschreibung heißt es:
Die aufbereiteten und dargestellten Daten der Islamlandkarte könnten dazu anregen, bestehende Vorstellungen über muslimische Organisationen zu überdenken und sich auf eine sachliche Diskussion einzulassen.
Projekt Islam-Landkarte
Die Vorfälle der vergangenen Tage zeigen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Ein Umstand, den auch Kenan Güngör (der selbst Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle ist) bedauert. Kenan Güngör, der selbst nicht an der Entwicklung der Karte beteiligt war, räumt ein, dass "großer Schaden" damit angerichtet wurde, obgleich er die Landkarte an sich für nützlich hält: allerdings nicht für die breite Öffentlichkeit, sondern nur für ein "interessiertes Fachpublikum". Demzufolge müsse der Zugang zur Seite eingeschränkt werden.
Pauschale Ablehnung jeglicher Form von Kritik
Weniger selbstkritisch zeigt sich jedoch Herr Prof. Ednan Aslan. Wissenschaft, so führt er in seinem Kommentar im Standard aus, könne "nie darüber bestimmen, was die Politik aus ihren Erkenntnissen macht". Dies bedeutet aber nicht, dass Wissenschaftler keine Verantwortung für ihre Arbeit tragen, vor allem wenn man konzediert, dass die eigene Arbeit nicht fehlerfrei ist und die Möglichkeit besteht, dass Privatadressen veröffentlicht wurden (was auch der Grund ist, weshalb die Muslimische Jugend Österreich Polizeischutz für die betroffenen Personen fordert).
Die Kritik pauschal als "unsachlich" abzustempeln, ist eher ein Indiz dafür, dass Ednan Aslan, wie auch sein Professoren-Kollege Mouhanad Khorchide, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle Politischer Islam, nicht an einem gemeinsamen Diskurs interessiert sind.
Khorchide behauptet, dass die Skandalisierung der Karte eine Konstruktion der "Vertreter des politischen Islam" sei, obgleich es Kritik von allen Seiten hagelt: vom Europarat, Vertretern der evangelischen und katholischen Kirche, vom Präsidenten der Konferenz der Europäischen Rabbiner (Pinchas Goldschmidt) wie auch von den Grünen. Sind dies alle "Vertreter des politischen Islam"? Ganz gewiss nicht.