Wie Spin und Lügen einen blutigen Zermürbungskrieg in der Ukraine anheizen

Die Kämpfe gehen auch ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine weiter. Bild: armyinform

Politik und Medien verdrehen die Wahrheit. Gleichzeitig schlagen Militärs wie der deutsche General Erich Vad Alarm, der von einem zweiten Verdun spricht. Es ist Zeit, Tacheles mit den Bürgern zu sprechen.

In einer kürzlich erschienenen Kolumne schrieb der Militäranalyst William Astore:

[Der Kongressabgeordnete] George Santos (republikanischer Abgeordneter, der über seine Biografie log, Telepolis) ist ein Symptom für eine viel größere Krankheit: ein Mangel an Ehre, ein Mangel an Scham in Amerika. Ehre, Wahrheit, Integrität scheinen im heutigen Amerika einfach keine Rolle zu spielen, zumindest keine große Rolle ... Aber wie kann man von Demokratie sprechen, wenn es keine Wahrheit gibt?

Astore verglich Amerikas politische und militärische Eliten mit dem in Ungnade gefallenen Kongressabgeordneten Santos.

Die militärisch Verantwortlichen der USA traten vor den Kongress, um zu bezeugen, dass man dabei sei, den Irakkrieg zu gewinnen. Sie sagten dem Kongress, dass der Krieg in Afghanistan gewonnen werde. Sie sprachen von "Fortschritten", von Wendepunkten, von erfolgreich ausgebildeten irakischen und afghanischen Streitkräften, die bereit seien, ihre Aufgaben zu übernehmen, wenn die US-Truppen sich zurückziehen. Wie die Kriegsverläufe offenbarten, war das alles nur Geschwätz. Alles Lügen.

Jetzt befindet sich Amerika wieder im Krieg, in der Ukraine, und das Spiel geht weiter. An diesem Krieg sind Russland, die Ukraine, die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten beteiligt. Keine der an diesem Konflikt beteiligten Parteien hat der eigenen Bevölkerung ehrlich erklärt, wofür sie kämpft, was sie wirklich zu erreichen hofft und wie sie es zu erreichen gedenkt.

Medea Benjamin ist die Mitbegründerin der US-Friedensorganisation CODEPINK und Buchautorin.

Alle Seiten behaupten, für edle Ziele zu kämpfen, und bestehen darauf, dass es die andere Seite ist, die sich weigert, über eine friedliche Lösung zu verhandeln. Sie alle manipulieren und lügen, und willfährige Medien (auf allen Seiten) posaunen ihre Lügen heraus.

Es ist eine Binsenweisheit, dass das erste Opfer des Krieges die Wahrheit ist. Doch in einem Krieg, in dem Hunderttausende von Menschen kämpfen und sterben, während ihre Häuser auf beiden Seiten der Frontlinien von Hunderttausenden von Haubitzengranaten in Schutt und Asche gelegt werden, hat das Verdrehen der Realität, der politische Spin und das Lügen reale Auswirkungen.

Yves Smith, der Herausgeber von Naked Capitalism, untersuchte diese gemeingefährliche Verbindung zwischen dem Informationskrieg und dem realen Krieg in einem Artikel mit dem Titel "Was wäre, wenn Russland den Ukraine-Krieg gewinnen würde, aber die westliche Presse es nicht bemerkt?"

Er stellte fest, dass die völlige Abhängigkeit der Ukraine von der Versorgung mit Waffen und Geld durch ihre westlichen Verbündeten ein triumphalistisches Narrativ hervorgebracht hat, wonach die Ukraine Russland besiegt und weiterhin Siege erringen wird, solange der Westen ihr mehr Geld und immer leistungsfähigere sowie tödlichere Waffen schickt.

Aber die Notwendigkeit, die Illusion eines ukrainischen Sieges aufrechtzuerhalten, indem begrenzte Erfolge auf dem Schlachtfeld bejubelt werden, hat die Ukraine gezwungen, ihre Streitkräfte in äußerst blutigen Schlachten zu opfern, wie bei der Gegenoffensive um Cherson und den russischen Belagerungen von Bachmut und Soledar. Oberstleutnant Alexander Wershinin, ein pensionierter US-Panzerkommandant, schrieb auf der Harvard-Website Russia Matters:

In gewisser Weise hat die Ukraine keine andere Wahl, als Angriffe zu starten, egal was es an Menschen und Material kostet.

Objektive Analysen des Krieges in der Ukraine sind im dichten Nebel der Kriegspropaganda nur schwer zu finden. Aber wir sollten aufhorchen, wenn eine Reihe hochrangiger aktiver und pensionierter westlicher Militärs eindringlich zur Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen auf diplomatischem Wege aufrufen sowie davor warnen, dass eine Verlängerung und Eskalation des Krieges einen voll entfalteten Krieg zwischen Russland und den Vereinigten Staaten riskiert, der zu einem Atomkrieg eskalieren könnte.

General Erich Vad, der sieben Jahre lang der ranghöchste militärische Berater der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel war, sprach kürzlich mit dem deutschen Magazin Emma. Er bezeichnete den Krieg in der Ukraine als "Zermürbungskrieg" und verglich ihn mit dem Ersten Weltkrieg und insbesondere mit der Schlacht von Verdun, in der Hunderttausende von französischen und deutschen Soldaten getötet wurden, ohne dass eine der beiden Seiten einen größeren Gewinn erzielte.

Vad stellte dieselbe unbeantwortete Frage, die der Redaktionsausschuss der New York Times im vergangenen Mai an Präsident Biden richtete. Was sind die wahren Kriegsziele der USA und der Nato? "Wollen sie mit den Panzerlieferungen eine Verhandlungsbereitschaft erreichen? Wollen Sie den Donbas oder die Krim zurückerobern? Oder wollen Sie Russland komplett besiegen?", fragte General Vad. Er fährt fort:

Es gibt keine realistische Definition des Endzustandes. Und ohne ein politisch-strategisches Gesamtkonzept sind Waffenlieferungen reiner Militarismus. Wir haben eine militärisch operative Pattsituation, die wir militärisch nicht lösen können. Dies ist übrigens auch die Meinung des amerikanischen Generalstabschefs Mark Milley. Er sagte, dass ein militärischer Sieg der Ukraine nicht zu erwarten ist und dass Verhandlungen der einzig mögliche Weg sind. Alles andere ist eine sinnlose Verschwendung von Menschenleben.

Wann immer westliche Beamte mit diesen unbeantworteten Fragen konfrontiert werden, sind sie gezwungen zu antworten, wie Biden vor acht Monaten gegenüber der Times. Dann erklärt man, dass Waffen geschickt werden, um der Ukraine zu helfen, sich zu verteidigen und um sie in eine stärkere Position am Verhandlungstisch zu bringen.

Aber wie würde diese "stärkere Position" aussehen? Als die ukrainischen Streitkräfte im November auf Cherson vorrückten, waren sich die Nato-Vertreter einig, dass der Fall von Cherson der Ukraine die Möglichkeit gebe, nun die Verhandlungen aus einer Position der Stärke wieder aufzunehmen. Doch als Russland sich aus Cherson zurückzog, kam es zu keinen Verhandlungen, und beide Seiten planen neue Offensiven.

Die US-Medien wiederholen immer wieder das Narrativ, dass Russland niemals in gutem Glauben verhandeln würde. Sie verheimlichen jedoch der Öffentlichkeit die fruchtbaren Verhandlungen, die kurz nach der russischen Invasion begannen, aber von den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich abgebrochen wurden.

Nur wenige Medien berichteten über die jüngsten Enthüllungen des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett über die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in der Türkei, die er im März 2022 mitmoderierte. Bennett sagte explizit, das der Westen die Verhandlungen "blockiert" bzw. "gestoppt" (je nach Übersetzung) habe.

Bennett bestätigte, was seit dem 21. April 2022 von anderen Quellen berichtet wurde, als der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, einer der anderen Vermittler, nach einem Treffen der Nato-Außenminister gegenüber CNN Türk erklärte:

Es gibt Länder innerhalb der Nato, die wollen, dass der Krieg weitergeht ... Sie wollen, dass Russland schwächer wird.