Wie der Ukraine-Krieg auf Afrika übergreift
Russland macht Einfluss geltend. Mali bricht diplomatische Beziehungen zur Ukraine ab. Ukrainische Kommandos aktiv.
Der westafrikanische Staat Mali, der seit zwei Staatsstreichen in den Jahren 2020 und 2021 vom Militär regiert wird, bricht die diplomatischen Beziehungen zur Ukraine ab. Dies teilte die "Übergangsregierung", die im Frühsommer von einem sogenannten nationalen Dialog um weitere fünf Jahre im Amt gebeten worden war, am vergangenen Sonntag, 4. August, mit.
Zwei Tage später, am gestrigen Dienstag, folgte der Nachbarstaat Niger.
Die beiden Länder sowie ein dritter Staat, Burkina Faso, sind seit September 2023 in einem Bündnis mit der französischen Abkürzung AES (für "Alliance des Etats de la Sahel") zusammengeschlossen. Ihre Umwandlung in einen Staatenbund, eine Konföderation, wurde am 06. Juli dieses Jahres bekannt gegeben.
Vorausgegangen war in den letzten Julitagen eine schwere militärische Niederlage der malischen Armee im wüstenhaften Nordosten des Landes, nahe der Grenze zu Algerien.
Dort erlitten nicht nur die einheimischen Streitkräfte des westafrikanischen Staates, die Fama (forces armées du Mali), heftige Verluste, sondern auch die verbündeten russischen Kämpfer – ehemalige Mitglieder der Söldnergruppe Wagner, die in Russland nach der Ermordung ihres Chefs Jewgeni Prigoschin vor knapp einem Jahr vom Regime in ihrem Griff nach der Macht gebremst wurde und deren Kämpfer inzwischen in mehreren afrikanischen Staaten unter dem Namen Afrika Corps auftreten.
Wagner bzw. das Afrika Corps sind in Staaten wie Libyen, dem Sudan, der Zentralafrikanischen Republik und eben Mali aktiv.
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Am 27. Juli erlitten sie bei dem Versuch, die von Tuareg bewohnte Stadt Tin Zaouatene oder Tinzawaten – je nach Schreibweise – im Grenzgebiet zwischen Mali und Algerien einzunehmen, einen schweren Rückschlag.
Am folgenden Tag, dem vorletzten Sonntag, sprach die von Tuareg-Separatisten gebildete Gruppierung CSP-DPA ("Strategischer Rahmen für die Verteidigung des Volkes von Azawad", wie der Norden Malis in der Berbersprache der Tuareg genannt wird) von einem "glänzenden Sieg" ihrer Truppen.
Aber auch die zum internationalen Netzwerk al-Qaida gehörende "Gruppe zur Verteidigung des Islam und der Muslime" reklamierte den Sieg für sich und behauptete, fünfzig Russen und zehn malische Soldaten getötet zu haben.
Konflikt mit Tuareg
Die Gruppierung, deren Anführer sich aus alteingesessenen Tuareg-Familien Nordmalis wie Iyad Ag-Ghali rekrutieren, kooperiert phasenweise mit den Tuareg-Separatisten, in anderen Phasen bekämpfen sich beide Kräfte bewaffnet. Während die Tuareg-Sezessionisten in Nordmali, solange die französische Armee dort stationiert war (bis 2022), häufig mit den Franzosen kooperierten.
Auch aufseiten der Regierungsanhänger in Mali wurden schwere Verluste eingeräumt. Dort sprach man am vergangenen Dienstag von 80 Toten aufseiten der verbündeten malischen und russischen Kämpfer sowie von zwölf Gefangenen unter den Angehörigen der malischen Streitkräfte (Fama) und 15 gefangenen "Wagner-Leuten".
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Wunschtraum: Wagner-Söldner als Überläufer
Laut einschlägiger Newsgruppen sollen die Tuareg-Sezessionisten "von einer amerikanischen Söldnertruppe namens Black Panther militärisch verstärkt" worden sein, die entgegen ihrem Namen aus Weißen bestehe "und Wagner-Strukturen imitiert/kopiert". An gleicher Stelle ist auch von "geheimdienstlicher Unterstützung durch die USA, Frankreich und Deutschland" die Rede.
Kurz darauf hieß es, dass ukrainische Kämpfer die antirussische und gegen die Militärregierung gerichtete Front in Mali unterstützt hätten. Bei den gegen Bamako und Moskau kämpfenden Kämpfern seien ukrainische Flaggen gesichtet worden.
GUR bekennt sich zu Angriff
Inzwischen hat sich der ukrainische Militärgeheimdienst GUR dazu bekannt, Kämpfer in Nordmali gegen die ehemalige Wagner-Truppe unterstützt zu haben – ohne nähere Angaben zu machen.
Es scheint gesichert, dass Ukrainer im Sudan seit einigen Monaten aktiv sind. So berichtete die britische BBC schon im Herbst 2023 über entsprechende Aktivitäten. Dies wurde wenig später auch von ukrainischer Seite gegenüber der Pariser Abendzeitung Le Monde bestätigt.
Dabei dürfte es vor allem darum gehen, russische Söldnerfirmen, die unter anderem Goldminen im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik übernommen haben, von ihren Rohstoffquellen abzuschneiden.
Die Sahel-Konföderation von Bamako über Ouagadougou bis Niamey setzt derweil auf das Bündnis mit der Russischen Föderation, vor allem nach der alten Maxime: "Der Feind meines Feindes", in diesem Fall die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, "ist mein Freund".
Burkina Faso etwa hält seit dem letzten Militärputsch 2022 an diesem Kurs fest. Die russische – ehemals sowjetische – Botschaft in Ouagadougou war seit 1992 geschlossen, auch Burkina Faso hatte seine in Moskau 1996 geschlossen. Doch nach 31 Jahren Unterbrechung der direkten diplomatischen Beziehungen wurde die russische Botschaft am 28. Dezember vergangenen Jahres feierlich wiedereröffnet.
Lawrow in Afrika
Am 04. und 05. Juni dieses Jahres weilte der russische Außenminister Sergei Lawrow in Ouagadougou, der zweiten Station seiner jüngsten, knapp halbwöchigen Afrikareise, bei der vier Staaten auf dem Programm standen: Guinea, Burkina Faso, Tschad und Kongo-Brazzaville. Dabei bekräftigte Lawrow die Bereitschaft Russlands zu militärischen Ausbildungsprogrammen für burkinische Soldaten und zu Waffenlieferungen.
Inzwischen wird der 36-jährige "Übergangs"-Präsident des Landes, Ibrahim Traoré, der aus dem Militär kommt, von russischen Elitesoldaten bewacht, die für seine persönliche Sicherheit sorgen.
In einschlägigen panafrikanischen Foren wie "Kama" wurden Screenshots des lokalen Senders Faso Nékré TV entsprechend kommentiert. Ein westafrikanischer Diskussionsteilnehmer schrieb dort um den 15. Juli: "Zuerst dachte ich, die russische Flagge auf der Uniform könnte eine Bildmontage sein. Aber das (dazugehörige) Video machte mir klar, dass Traorés Sicherheit diskret von russischen Diensten übernommen wird. Sie tragen eine komplette Tarnuniform, aber ihre Nasenform" – unter einer Maske – "verrät sie …"
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Bereits am 13. Juni hatte der unter dem Pseudonym Nomade sahélien publizierende westafrikanische Geograf auf X (früher Twitter) geschrieben, die russische "Brigade Bear" habe inzwischen ihr Hauptquartier in Ouagadougou aufgeschlagen. Vierzig ihrer Mitglieder, vor allem Ausbilder, hielten sich derzeit dort auf.
Die Brigade Bear verstehe sich als Eliteeinheit der Armee – hervorgegangen aus der 81. Spezialbrigade –, verhalte sich aber eher wie ein Söldnerunternehmen. Den Kämpfern werde ein dreimonatiger Aufenthalt mit einem Sold zwischen 2.500 und 4.000 US-Dollar monatlich angeboten, hinzu kämen "Zahlungen in Kokain und Prostituiertendienste".
Die Rekrutierung erfolgt über die Söldnerfirma Redut, die wiederum de facto vom russischen Militärgeheimdienst GRU kontrolliert wird. Die Pariser Abendzeitung Le Monde berichtete ihrerseits am 06. Juli über die "Brigade Bear": Dreißig ihrer Mitglieder hielten sich im Hotel Sonia in Ouagadougou auf und sonnten sich auf der Terrasse, "maskiert und mit Sonnenbrillen auf der Nase".
Unter Führung des Verteidigungsministeriums in Moskau hat diese Brigade weitgehend die frühere Rolle der Söldnerfirma Wagner in Afrika übernommen.